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Neues zu den Straßenbaubeiträgen in Brandenburg

Rachil Rowald17. April 2019
Straßenbauarbeiten
Straßenbauarbeiten
Die Koalitionsfraktionen in Brandenburg haben einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Anliegerbeiträge vorgelegt. Rachil Rowald fasst den Stand der Debatte zusammen. (Aus dem Landes-SGK Extra Brandenburg der DEMO 03/04 2019)

Kurz vor Redaktionsschluss dieser Ausgabe (DEMO 03/04 2019) erreichte uns die Nachricht, dass die Koalitionsfraktionen im Landtag Brandenburg, die SPD und Die Linke, ein Gesetz zur Abschaffung der Beiträge für den Ausbau kommunaler Straßen vorlegen. Noch am selben Tage wurde in den beiden Fraktionen ein entsprechender Entwurf abgestimmt und in das parlamentarische Verfahren eingebracht. Vorsorglich wurde er zudem bereits auf die Tagesordnung des Ausschusses für Inneres und Kommunales gesetzt – unter der Voraussetzung, dass im Plenum des Landtages im April eine Überweisung in die Ausschüsse des Parlaments beschlossen wird. Vorgesehen ist die erste Lesung nun für das Plenum vom 10. bis zum 12. April. Dann finden die Beratungen in den Ausschüssen statt und eine zweite Lesung ist im Juni-Plenum zu erwarten. Nach dieser zeitlichen Planung kann ein Beschluss noch vor der Sommerpause, und nicht zuletzt auch vor den Landtagswahlen, erwartet werden.

Was sieht nun der Entwurf im Einzelnen vor?

Abschaffung der Beiträge nach § 8 KAG

Die Straßenbaubeiträge nach § 8 des Kommunalabgabengesetzes Brandenburgs (KAG) für Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind und die in der Baulast der Gemeinden stehen, werden „abgeschafft“, indem mittels Änderung des KAG die Beitragspflicht aufgehoben wird. Einer Erhebung ist damit die Rechtsgrundlage entzogen. Um aber Beiträge erheben zu können, braucht es eine Grundlage, so dass dies faktisch einem Beitragserhebungsverbot gleichkommt.

Dabei ist zu beachten, dass sich eine Kommune dann auch nicht auf ihre Straßenbaubeitragssatzung berufen kann, um weiterhin Beiträge erheben zu können. Sie würde gegen höherrangiges Recht verstoßen – die ab dem 1. Januar 2019 geltenden Regelungen des KAG.

Ergänzend sei aber auch erwähnt, dass das nicht für alle Beiträge gilt, sondern tatsächlich nur für die in § 8 KAG genannten, also für die Straßenbaubeiträge für die dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Straßen, Wege und Plätze, die den Kommunen zuzurechnen sind. Darunter fallen aber nicht die Beiträge, die nach anderen Vorschriften des KAG in Brandenburg geltend gemacht werden, zum Beispiel die besonderen Wegebeiträge nach § 9 KAG. Sie betreffen Straßen und Wege, die nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind. Nicht betroffen sind  auch die Kosten für die Grundstückszufahrten nach § 10 a KAG. Das ist allerdings auch sinnvoll, weil das Gesetzgebungsvorhaben unter anderem auch auf der Grundlage erfolgt, dass Straßen sowohl der Allgemeinheit als auch der Anliegerin oder dem Anlieger dienen können. Bei den Zufahrten zu den einzelnen Grundstücken ist das gerade nicht der Fall.

Die Abschaffung erfasst aber auch nicht die Beiträge, die auf der Grundlage bundesgesetzlicher Regelung geltend gemacht werden. Das sind zum einen die Erschließungsbeiträge nach den §§ 127 ff. des Baugesetzbuches des Bundes (BauGB) für die erstmalige Herstellung und die Übernahme von Erschließungsanlagen, also insbesondere von öffentlichen zum Anbau bestimmten Straßen, Wegen und Plätzen (§ 127 Absatz 2 Nummer 1 BauGB) und von öffentlichen, aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen mit Kraftfahrzeugen nicht befahrbaren Verkehrsanlagen innerhalb der Baugebiete (z. B. Fuß- oder Wohnwege; § 127 Absatz 2 Nummer 2 BauGB). Zum anderen auch nicht die Ausgleichsbeträge für den durch Erschließung bewirkten Wertzuwachs in förmlich festgelegten Sanierungsgebieten (§ 154 BauGB). Wegen des Vorrangs des Bundesrechts gegenüber dem Landesrecht gilt hier das KAG nicht.

Stichtag

Das Inkrafttreten des Gesetzes ist im Gesetzestext rückwirkend auf den 1. Januar 2019 datiert. Damit ist auch der Stichtag auf diesen Tag festgelegt worden. Entscheidend ist nun, was davor und was danach stattfand.

Straßenbauliche Maßnahmen, die davor – also bis 31. Dezember 2018 – abgeschlossen worden sind, blieben damit beitragspflichtig. Solche, die bis dahin nicht abgeschlossen wurden, wären im Umkehrschluss dann beitragsfrei.

Maßgeblich ist demzufolge, wann eine Baumaßnahmen im Sinne des Gesetzes als „abgeschlossen“ gilt. Aber wann ist das der Fall? Mit Fertigstellung oder mit der Schlussrechnung?

Darüber gibt die Begründung des Gesetzentwurfes Auskunft. Daraus ergibt sich,

  • dass die Abnahme auf Grundlage der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) entscheidend sein soll und wenn eine solche nicht stattfindet,
  • die technische Verwirklichung des Bauprogramms, in der Regel also die Verkehrsfreigabe, entscheidend ist.

In der Praxis wird sich zeigen müssen, wie zu entscheiden ist, wenn Rest­arbeiten zu erledigen sind, obwohl eine Abnahme oder Freigabe bereits erfolgt ist.

Einnahmeausfälle bei den Kommunen – strikte Konnexität

Durch das Gesetz entfällt der Anteil der Anliegerinnen und Anlieger, der in den meisten Kommunen jedoch erforderlich war und ist, um Maßnahmen überhaupt realisieren zu können. Woher sollen die Mittel nun kommen oder können nur noch in den Kommunen Straßen gebaut werden, die es sich auch ohne diese Beiträge leisten können?

Die Antwort dafür findet sich in der Landesverfassung und in dem darin verankerten Grundsatz der strikten Konnexität. In dem Entwurf ist dieser Punkt umfassend begründet, aber in kürzerer Form könnte man sagen: Das Land übernimmt die finanzielle Mehrbelastung für die Kommunen, die durch den Wegfall der Beiträge entsteht. Der Gesetzentwurf sieht deshalb vor, dass in einem weiteren Gesetz ein Mehrbelastungausgleich festgelegt wird, der den durch das Land verursachten Einnahmeausfall erfasst.

1. Dieser Mehrbelastungsausgleich erfolgt in erster Linie durch eine jährliche Pauschale:

  • Sie soll den Kommunen ohne Zweckbindung zur Verfügung gestellt werden, auch mit der Möglichkeit anzusparen.
  • Die Höhe der Pauschale orientiert sich an dem Anteil der Kommune an der Gesamtlänge der öffentlich gewidmeten kommunalen Straßen.
  • Wieviel das ist, wird durch den Landesbetrieb Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg ermittelt, wobei noch nicht ganz klar ist, zu welchem Datum die Erhebung der Werte erfolgen wird.
  • Die Gesamtsumme beträgt im Jahr 2019 etwas mehr als 31 Millionen Euro.
  • Gemessen an der bestehenden Gesamtlänge ergibt sich dabei ein Betrag von 1.416,77 Euro pro Kilometer gewidmeter Straße in kommunaler Baulast für das Jahr 2019.

2. In bestimmten Fällen kommt aber auch eine Spitzabrechnung in Betracht. Das hat einen einfachen Grund: die meisten Kommunen (ca. 80 Prozent) erhalten mit der Pauschale einen höheren Betrag, als sie durch die Straßenbaubeiträge gegenüber den Anliegerinnen und Anliegern in den Jahren 2015 bis 2018 festgesetzt haben. Etwas weniger als 20 % der Kommunen hingegen erhalten demgegenüber einen niedrigeren Betrag. Auf Antrag können sie diesen Verlust geltend machen, wobei jedoch auch ersparte Verwaltungsaufwendungen zu berücksichtigen sein könnten. Da sie auf Antrag erfolgt, fallen dann auch entspreche Nachweis- und Auskunftspflichten über die Höhe und die Berechnung an – Einzelheiten dazu sollen in einer gesonderten Verordnung geregelt werden .

3. Darüber hinaus sollen die Gemeinden auf Antrag eine einmalige Erstattung für die Beträge erhalten, die sie aufgrund aufzuhebender Beitrags- und Vorausleistungsbescheide geleistet haben, also für die so genannten Rückerstattungsbeiträge.

Die Grundlage dafür bilden die sogenannten Übergangsregelungen in den Bestimmungen, die neu in das Kommunalabgabengesetz aufgenommen werden. Danach müssen die Bescheide für Maßnahmen, die ab dem 1. Januar 2019 beendet werden, spätestens bis zum 30. Juni 2020 aufgehoben und die entsprechenden Beiträge erstattet werden. Ähnlich ist zu verfahren, wenn Vorausleistungen erbracht wurden.

Grundsätzlich gehen die Koalitionsfraktionen davon aus, dass die Verwaltungskosten durch den reduzierten Bedarf ohnehin sinken werden. Sind sie jedoch durch die Aufhebung der Bescheide in diesen beiden Konstellationen erfolgt, ist die Erstattung zuzüglich einer Pauschale für die Verwaltungsaufwendungen in Höhe von zehn Prozent der Rückerstattungsbeiträge vorgesehen.

Nun sieht der Mehrbelastungsausgleich grundsätzlich eine Pauschale, die ohne weitere Zweckbindung an die Kommunen ausgereicht werden sollen, vor. Viele Verantwortliche in Kommunen, die einem Haushaltssicherungskonzept unterliegen, werden sich jetzt natürlich fragen, ob es ihnen überhaupt möglich sein wird, anzusparen. Das ist tatsächlich eine der Fragen, die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch werden geklärt werden müssen.

Übergangsregelungen

Wie oben bereits erwähnt, gibt es Übergangsbestimmungen. Sie finden sich in den § 20 Absatz 3 bis 5 des dann neuen Kommunalabgabengesetzes.

1. Zum einen wird darin klargestellt, dass bei Beitragspflicht für Maßnahmen bzw. Teileinrichtungen (im Falle der Kostenspaltung), die bis zum 31. Dezember 2018 bereits entstanden ist, das bislang noch geltende KAG Anwendung findet, unabhängig davon, wann der Beitragsbescheid der jeweiligen Anliegerin oder dem jeweiligen Anlieger zuging oder wann die Festsetzung erfolgte.

2. Zum anderen sind Bescheide zur Erhebung von Straßenbaubeiträgen, bei denen die Beitragspflicht nach der alten Fassung des KAG ab dem 1. Januar 2019 entstanden wäre, spätestens bis zum 30. Juni 2020 aufzuheben und die auf diese Bescheid gezahlten Beiträge zurückzuerstatten.

3. Entsprechend ist bei den Vorausleistungen zu verfahren, wenn sie für Straßenausbaumaßnahmen erhoben wurden, für die die sachliche Beitragspflicht nicht bis zum 31. Dezember 2018 entstanden ist.

Verordnungsermächtigung und Zinsregelung

Das Gesetz enthält zudem eine Verordnungsermächtigung, damit Einzelheiten, wie Verfahrensfragen zu Auskunfts- und Nachweispflichten der Gemeinden etc., einheitlich geregelt werden können.

Noch unklar ist, ob auch die vielfach kritisierte Höhe der Stundungszinsen, bislang sechs Prozent pro Jahr, Eingang in den Gesetzentwurf findet. Bereits angekündigt ist allerdings, dass dies noch einmal diskutiert und, sofern rechtlich möglich, ebenfalls angepasst werden soll.

Evaluierung und erste Reaktionen

2023 sollen die Mehrbelastungsausgleichsregelungen zudem evaluiert werden. Solange wollten Befürworter und Kritiker nicht warten und nahmen noch am selben Tage Stellung. Während sich Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümer über diese zukünftige Kostenfreiheit freuen, die ihnen da zugute kommt, sieht die kommunale Ebene dies, nicht zuletzt im Hinblick auf die Kommunalfinanzen, durchaus kritisch. Zu ihnen gehörten viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Landräte-Konferenz sowie der daran teilnehmende Innenminister, Karl-Heinz Schröter. Zum einen, weil es immer noch keine genaue Übersicht gebe, welche der kommunalen Straßen bereits erschlossen sind. Zum anderen stehe nicht fest, ob das Land tatsächlich in der Lage ist, die Kosten auf Dauer zu übernehmen.

Und gerade letzteres ist eine Frage, die man sich stellen kann und muss. Denn eines ist sicher: Die Verwendung von Mitteln kann man regeln, aber Geld kann man nicht beschließen.

Dieser Artikel ist zuerst im Landes-SGK Extra Brandenburg der DEMO erschienen. Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der SGK Brandenburg.