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Notärztliche Versorgung im ländlichen Raum sichergestellt

Kirsten Fründt14. April 2017
Kirsten Fründt
Kirsten Fründt ist Vorsitzende der SGK Hessen e.V.
Als Notarzt unterwegs zu sein, das ist für viele Ärzte nur ein Nebenberuf. Sollen alle Honorarärzte sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden? Darüber ist eine Debatte entbrannt, Kommunen fürchteten erhebliche Probleme. Nun liegt ein neues Gesetz dazu vor.

Betrachten Sie doch bitte einmal das untere Bild von der linken Seite dieses Artikels aus. Was sehen Sie? Ganz klar: eine 9. Doch was sieht jemand, der Ihnen gegenüber auf der rechten Seite des Artikels steht? Er wird genauso entschieden antworten. Allerdings wird er eine 6 sehen. Wer hat nun Recht? Beide. Denn was aus der einen Perspektive richtig ist, kann aus der anderen Perspektive nicht stimmen und ist dennoch nicht falsch. Ähnlich, nur um einiges komplizierter, verhielt es sich bei der Sicherung der bodengebundenen notärztlichen Versorgung im ländlichen Raum. Es geht um die Besetzung der Notarzteinsatzfahrzeuge (NEF).

Sechs oder Neun
(c) Pixabay, CC0 Public Domain

Zwei Perspektiven

Perspektive der Deutschen Rentenversicherung: Die Deutsche Rentenversicherung blickt aus ihrer Perspektive auf die aktuelle Situation der Notärzte und führt seit einiger Zeit Statusfeststellungsverfahren durch. Diese sollen bewirken, dass die Honorarärzte im Rettungsdienst in die Sozialversicherung einzahlen. Sie sind oft nebenberuflich im Rettungsdienst und hauptberuflich meist als Hausärzte oder Klinikärzte tätig. Es gibt auch Honorarärzte, die ausschließlich freiberuflich im Rettungsdienst tätig sind. Ein Blick beispielsweise in den Lahn-Dill-Kreis zeigt, dass von den 102 Honorarärzten und Honorarärztinnen 75 bei Kliniken beschäftigt sind, 19 eine eigene Praxis oder eine Praxisgemeinschaft betreiben, fünf einen sonstigen Arbeitgeber haben und nur drei Personen ausschließlich als selbstständige Notärzte tätig sind. Geht es aber nun nach der Deutschen Rentenversicherung, sollen alle Honorarärzte sozialversicherungspflichtig beschäftigt werden. Ein Urteil des Bundessozialgerichts im vergangenen Sommer beschleunigte die Diskussion.

Perspektive der Landkreise: Was ist nun falsch an dem eigentlich sozialdemokratischen Ansatz, die Honorarärzte sozialversicherungspflichtig zu beschäftigen? Theoretisch nichts. Er würde aber in der kommunalen Praxis zu erheblichen Problemen führen, welche die notärztliche Versorgung gefährden könnten. Neben einer erheblichen finanziellen Mehrbelastung, die entsteht, wenn alle Honorarärztinnen und -ärzte sozialversicherungspflichtig angestellt würden, gäbe es ein arbeitszeitrechtliches Problem. Das Arbeitszeitrecht müsste voll angewendet werden. Somit würden die Stunden im Notdienst reduziert werden müssen und die Versorgung wäre nicht sichergestellt. Auch die mögliche Handlungsalternative der hauptamtlichen Besetzung der Notarzteinsatzfahrzeuge mit 20-22 Vollzeitstellen zum Beispiel im Lahn-Dill-Kreis ist kaum möglich. Die Erfahrungen der heimischen Kliniken bei der Besetzung freier Arztstellen zeigen, dass es derzeit wohl nur sehr schwierig möglich wäre, ausreichend Personal zu finden.

Der Bundestag wurde zum Handeln gedrängt

In solchen Fällen ist klassischerweise der Gesetzgeber – in diesem Fall der Deutsche Bundestag – gefragt und zur Herbeiführung einer Lösung aufgefordert. Der Deutsche Landkreistag schilderte u.a. dem Bundesgesundheitsministerium die Folgen einer möglichen Sozialversicherungspflicht der Notärztinnen und Notärzte und versuchte klar zu machen, dass die 6 der Deutschen Rentenversicherung aus ihrer Sicht eine 9 ist. Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern brachten einen Entschließungsantrag zur Sicherstellung der notärztlichen Versorgung im ländlichen Raum in den Bundesrat ein.

Als Vorbild sollte eine Regelung aus Österreich dienen, nach der nebenberufliche notärztliche Tätigkeiten als selbständige Tätigkeit eingestuft werden. Schließlich befasste sich der Deutsche Bundestag mit der Thematik und mit einem Änderungsantrag von SPD, CDU und CSU zum Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz wurde die notärztliche Versorgung sichergestellt. Nun heißt es im Vierten Sozialgesetzbuch, dass Einnahmen aus Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt für diese nicht beitragspflichtig sind, wenn sie einer Beschäftigung von mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes nachgehen oder eine Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt bzw. zugelassene Vertragsärztin ausüben. Zugegeben, es ist nun etwas mehr eine 9 als eine 6. Aber es geht bei diesem Thema ja nicht nur um Zahlen und theoretische Forderungen, sondern ganz praktisch um das Leben von Menschen.