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Wie Panketal beim Impfen neue Wege geht

Maximilian Wonke02. September 2021
Erster kommunaler Impftag in Panketal am 15. Mai in einer Schulsporthalle
Weite Wege zum nächsten Impfzentrum – das hält viele Menschen vom Impfen ab. Bürgermeister Maximilian Wonke schildert, wie die Gemeinde Panketal auf das Problem reagiert hat: Man wollte „den Beweis antreten, dass wir vor Ort ein selbst organisiertes, kleines Impfzentrum einrichten können.”

Impfen ist der beste Weg aus der Corona-Krise, wahrscheinlich sogar der einzige. So weit, so gut. Doch das Impftempo stagniert und ­keiner will so richtig sagen, woran das wohl liegen mag. Sind es wirklich die vielen Impfunwilligen und -skeptiker? Querdenker und Corona-­Leugner? So einfach ist es leider nicht. In Panketal, einer Gemeinde mit 21.000 Einwohnern am Rande Berlins, bestreiten wir seit April einen Weg, der inzwischen mehr als 2.500 Menschen auf einfache Art und Weise eine Impf­möglichkeit gegeben hat.

Kommunale Terminvergabe

Angefangen hat es bei mir Mitte April mit der Feststellung, dass die zunehmend bessere Verfügbarkeit von Impfstoff bei noch sehr hohen Nachfragen etliche Probleme bereiten könnte. Der Kampf um den Piks drohte zu eskalieren. Da wollte ich mit meiner Verwaltung die Ärzte unterstützen. Einen kommunal finanzierten Transportdienst zu den Impfzentren gab es da schon eine Weile – aber die Wege sollten nun aufgrund der besseren Verfügbarkeit kürzer werden. Ende ­April lud ich die Ärzte der Gemeinde Panketal zu einem Treffen ein, an dem auch Landrat Daniel Kurth teilnahm. Viel Frust wurde vonseiten der Ärzte geäußert, den wir so gut es ging entgegennahmen.

Schnell wurde klar, dass die Hausärzte natürlich schon vor Corona gut ausgelastet waren. Die Impfung der gesamten Bevölkerung konnten sie nicht einfach parallel stemmen. Bei den wenigen impfenden, niedergelassenen Ärzten liefen zudem schon die Telefone heiß, was enorme Kapazitäten fraß, die doch eigentlich zur Impfung benötigt wurden. Vonseiten der Kommune haben wir also mit der Terminvergabe unterstützt. Die Ärzte teilten uns ihre Termine mit, wir stellten sie mittels Terminvergabe-Tool online. Waren alle vergeben, brachten wir die Listen zu den Ärzten. Doch das war nur der Anfang.

Kommunale Impftage

Manche Ärzte wollten auch mehr impfen, als es in ihren Praxen machbar war. Somit folgte der nächste Schritt: Ein kommunaler Impftag – quasi ein zeitlich begrenztes Impfzentrum – musste organisiert werden. Doch was ist ein Impfzentrum eigentlich? Technisch gesehen ist es nicht mehr als eine Aneinanderreihung von Sitzmöglichkeiten. Der Rest sind Ärzte, Helfer und Impflinge. Schon zu Beginn der Brandenburger Impfstrategie war es mir unverständlich, warum man für Dinge, die sich in jeder x-beliebigen Schulmensa zusammenschieben lassen, Impfzentren aufbauen muss, die dann noch so weit entfernt lagen.

Als in Brandenburg die Impfmöglichkeit für viele sowohl zeitlich als auch räumlich in weiter Ferne lag, war klar, dass viele sich nicht für einen kleinen Piks eine Tagesreise antun werden. Was in den Diskussionen oft unterging: Keine Entscheidung ist monokausal! Wir alle entscheiden uns immer aufgrund verschieden stark gewichteter, uns bekannter Argumente. Auch das Verhältnis von Aufwand und Nutzen einer Impfung ist für alle Menschen sehr unterschiedlich. Für einen 75-Jährigen, der zwar gut im Leben steht, aber dennoch mit mehreren Vorerkrankungen zu kämpfen hat, lohnen sich eine weite Fahrt zum Impfzentrum sowie eventuell lange Wartezeiten. Der Nutzen für diese Person ist sehr groß, da ein schwerer Krankheitsverlauf sehr gut möglich ist. Schauen wir bspw. auf eine 20-jährige Sportstudentin, die keinen Hausarzt aufsucht und statistisch gesehen einen symptomlosen Krankheitsverlauf erwarten kann. Sie wird sehr wohl abwägen, ob sie den weiten Weg zum Impfzentrum samt unflexibler Terminvergabe auf sich nimmt. Generell würde sie sich schon impfen lassen, um nicht ihren 75-jährigen Großvater anzustecken.

Große Hilfsbereitschaft

Wir in Panketal wollten also den Beweis antreten, dass wir vor Ort ein selbst organisiertes, kleines Impfzentrum einrichten können. Für den 15. Mai wurde der erste kommunale Impftag geplant. Ein Arzt hat sich bereiterklärt, an einem Samstag 140 Dosen AstraZeneca zu impfen. Es ging also ans Vorbereiten. Die Terminvergabe und Information lief wieder über das Rathaus. Klar war, dass als Ort nur das COVID-Testzentrum in Frage kam, was die Johanniter unter der Woche in einer Sporthalle betrieben. Doch welche Personen sollten am Impftag den ganzen Prozess überwachen und die Menschen begleiten?

Corona hat sehr viele schlimme Seiten. Aber eine gute ist die große, aufkommende Hilfsbereitschaft der Menschen. Wir hatten bereits seit Beginn der Pandemie eine Liste freiwilliger Helfer, die kaum zum Einsatz kamen. Warum also diese nicht am Impftag einsetzen? Die Listen wurden also durchtelefoniert. Mannschaft, Ort, Arzt und Organisation standen alsbald. Es konnte losgehen. Die Termine waren binnen weniger Stunden ausgebucht. Wir planten mit einem Vier-Minuten-Takt, was sich schnell als zu lang herausstellte. Die allermeisten Personen zeigten sich gut informiert und hatten nahezu keinen Bedarf an einer ausführlichen Beratung, sodass sich viele Pausen ergaben. Dieser erste Impftag mit letztlich sogar ca. 150 Impfdosen war dennoch ein voller Erfolg. Auch deswegen, weil viele der selbst an dem Tag Geimpften nun auch mithelfen wollten. Ebenso schauten sich andere Bürgermeister an, was wir so trieben und setzten in ihren Kommunen eigene Impftage an. Das, fand ich, war unser größter Erfolg.

Impfangebot wurde gut angenommen

Am 29. Mai hielten wir den zweiten Impftag ab. Dieses Mal sollte es größer werden. 200 Dosen AstraZeneca und 200 Dosen des Ein-Mal-Impfstoffs von Johnson&Johnson standen zur Verfügung. Wir gingen mit den inzwischen routinierten ehrenamtlichen Helfern auf einen Zwei-Minuten-Takt, um diese ­Menge zu schaffen. Der Impfstoff von AstraZeneca wurde dann schon in den Medien immer kritischer betrachtet – beinahe schlecht gemacht. „Das Zeug will keiner mehr!“ hieß es überall. Ich sah das anders und konnte den Beweis antreten: Die von mir eingestellten 200 Termine waren wieder binnen weniger Stunden weg. Die Menschen wollten für AstraZeneca nicht stundenlang fahren, aber direkt und unkompliziert im Wohnort nahmen sie ihn also doch. Keine Entscheidung ist monokausal. An diesem Tag machte ich selbst den Abschluss und war der letzte Geimpfte. Als Bürgermeister fand ich es schwer, den richtigen Zeitpunkt zu finden. Vordrängeln möchte man sich keinesfalls, aber irgendwann war es auch nicht mehr vernünftig, länger zu warten und damit auch sein Umfeld dem Risiko einer unerkannten Infektion auszusetzen.

Am 26. Juni folgte der nächste Impftag, diesmal gab es auch BioNTech. Wir erreichten mit fast 500 Geimpften im Ein-Minuten-Takt eine neue Höchstmarke. Dazu kam nun auch eine in Panketal wohnende Apothekerin, die gleich die digitalen Impfpässe ausstellte. Es kam durch die gut abgestimmte Taktung und konsequente Optimierung der Prozessabläufe nie zu größeren Wartezeiten. Die Bürgerinnen und Bürger waren bei dieser Organisation nur voll des Lobes. So machte es allen Beteiligten richtig Spaß. Ein kleiner Lichtblick in dieser immer noch sehr ungewöhnlichen Zeit. Weitere kleinere und größere Impfaktionen folgten in den kommenden Wochen.

Spontanimpfen im Rathaus

Als ein Arzt mir Anfang Juli berichtete, dass bei ihm Dosen von ­BioNTech zu verfallen drohten, stellte ich den Ratssaal im Rathaus zur Verfügung. Die freiwilligen Helfer standen erneut zuverlässig bereit: Das erste Spontan-Impfen konnte stattfinden. Und hier stellte sich wieder eine neue Herausforderung. Trotz Amtsblatt, Kanälen in den sozialen Medien, Presse und Radio erreicht man immer schwer zeitnah eine Großzahl an Menschen. Welche ist also die beste und effektivste Form der Ankündigung? Der altertümliche Aushang an Schaukästen, Bahnhöfen und Bushaltestellen! Beim Spontanimpfen konnten an­einem Mittwochnachmittag über 150 Dosen BioNTech verabreicht werden, da auf dem Rückweg von der Arbeit so die Impfwilligen noch im am Bahnhof liegenden Rathaus ihre Impfung abholen konnten. Schnell, kurz und unkompliziert.

Inzwischen heißt es, dass die Deutschen impfmüde geworden seien. Doch hier wird offensichtlich nicht das ganze Bild betrachtet. Wie eingangs erläutert: Die Impfung muss weiterhin zu den Menschen kommen – so dicht wie möglich. Am 14. August haben wir wieder einen größeren Impftag abgehalten. Diesmal alles im Rathaus. 420 Termine konnten ein paar Tage vorher online gebucht werden, auch Spontan-Impfungen waren möglich. Die Bürger durften zwischen Johnson&Johnson, BioNTech und AstraZeneca frei wählen – ein Vorteil, wenn endlich genug vorhanden ist. Das Erstaunliche war aber, dass erstens die Termine nun doch wieder recht schnell weggingen – das war die Wochen davor anders – und zweitens mehr als die Hälfte Erstimpfungen waren. Wir konnten die 500er-Marke leider nicht reißen, aber 439 Impfdosen waren dennoch für alle ein gutes Ergebnis.

Mit Sinn für Gemeinschaft das Coronavirus besiegen

Was bleibt als Zwischenstand rückblickend festzuhalten? Seit Beginn der Pandemie konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass man in Deutschland, dem selbsternannten Organisationsweltmeister, die Krise nie wirklich bekämpft hat, sondern sich eher auf deren Verwaltung konzentrierte. Unsere vorhandenen bürokratischen Strukturen wurden auf diese neue Situation nach und nach adaptiert. Die breite Verwendung des Faxes zur Datenübertragung spricht da Bände. Kein Wunder, wenn nun doch nicht so klar ist, wer schon geimpft ist und wer nicht. Denn Bekämpfung heißt eben neue Wege gehen und das ein oder andere einfach mal machen. Das müssen wir weiter tun. Die Menschen verlangen es auch.

Dank der Panketaler Aktionen, beginnend mit den Terminvermittlungen für Ärzte und dann zahlreichen Impftagen, blicken wir stolz auf über 2.500 verabreichte Impfungen zurück – und zwar parallel zu den vorhandenen Strukturen. Das sind fast 12 Prozent unserer Bevölkerung. Ohne die vielen großartigen ehrenamtlichen Helfer, engagierten Ärzte und deren Teams sowie motivierten Mitarbeiter der Verwaltung wäre das nicht machbar gewesen. Aber so kann Corona auch stärken, was bei allem drohte verlorenzugehen: der Sinn für die Gemeinschaft und der Wille, mit kleinen Dingen zusammen etwas Großes zu erreichen – Corona endlich zu besiegen.

 

Der Autor Maximilian Wonke ist Bürgermeister der Gemeinde Panketal und Mitglied im Vorstand der SGK Brandenburg. Dieser Text stammt aus dem brandenburgischen Landes-SGK EXTRA der DEMO und erscheint hier mit freundlicher Genehmigung der SGK Brandenburg.