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Schöffenamt demokratiefest machen

Justizia-Standbild am Frankfurter Römerberg: Auf die neuen Schöffinnen und Schöffen kommt eine verantwortungsvolle Aufgabe zu.
Den kommunalen Entscheidungsträger*innen kommt eine wichtige und schwere Aufgabe zu bei der Prüfung der Kandidaturen für die Schöffenwahl 2023. Extreme Rechte versuchen, die rechtsstaatlichen Strukturen zu unterwandern. Ein Gastbeitrag von Charlotte Langenkamp (Gesicht Zeigen!) und Franziska Schröter (FES).

Noch wenige Tage bleiben den Kommunen in Deutschland, die Kandidaturlisten für das Schöffenamt zu erstellen. Für die Amtszeit 2024–2028 werden Bürgerinnen und Bürger gesucht, die dieses wichtige demokratische Amt mit Leben füllen. Wie in vielen Ehrenämtern wird es auch hier immer schwieriger, genügend Freiwillige zu finden – und das nutzt die extreme Rechte aus. Offen wirbt sie über alle möglichen Kanäle dafür, sich an dieser entscheidenden Stelle im demokratischen Gefüge einzubringen und die rechtsstaatlichen Strukturen auszunutzen und zu unterwandern.

Schöffinnen und Schöffen kommt ein wichtiger Part zu bei den Gerichten, weil sie das lebensweltliche Korrektiv zu den Berufsrichter*innen darstellen und durchaus Einfluss auf die Rechtsprechung nehmen können. Gedacht als Mittel des Ausgleichs und Pluralismus wird so ein demokratisches Prinzip ad absurdum geführt und ausgehöhlt.

Wieso sind kommunale Entscheidungen hier so wichtig?

Kandidieren können alle Interessierten, entweder für allgemeine Strafsachen oder Jugendstrafsachen. Die Kommunen erstellen Kandidaturlisten, im Idealfall mit doppelt so vielen Freiwilligen wie voraussichtlich benötigt werden. Der Schöffenwahlausschuss in den Gemeinden entscheidet dann über diese Listen, und hier kommt die Frage nach der Demokratiefestigkeit ins Spiel. Es steht dem Ausschuss frei, Menschen von der Liste zu nehmen, wenn berechtigte Sorge besteht, dass sie sich nicht dem Grundgesetz verpflichtet fühlen. Diese Prüfung kann und sollte in jedem Fall vorgenommen werden.

Was konkret kann getan werden?

Neben der individuellen Entscheidung, sich jetzt noch schnell als Schöff*in zu bewerben (in den meisten Kommunen läuft die Frist noch bis Ende März) ist nun vor allem in den Entscheidungsgremien Fingerspitzengefühl und Wehrhaftigkeit gefragt. Pluralismus ist bei der Auswahl der Kandidierenden wichtig, aber natürlich sollten diese sich zur Verfassung und zum Rechtsstaat bekennen.

Leider ist der Auswahlprozess der Schöffen nicht ideal. In den meisten Gemeinden gibt zu wenig wirksame Mechanismen, zu wenig Zeit und zu wenig Ressourcen, um Demokratiefeinde vom Amt fernzuhalten. Aber trotz der oft schwierigen Ausgangsbedingungen – sensibilisierte Gemeinden haben die Möglichkeit, extrem Rechte Schöff*innen zu verhindern!

Das Wichtigste: Gemeinden sind im besten Fall über rechtsextreme Umtriebe in ihrer Region informiert. Gemeindevertreter*innen, die wissen, wer bei ihnen in rechtsextremen Parteien oder Gruppen agitiert, Demonstrationen anmeldet oder Immobilien kauft, haben es um einiges leichter, demokratiefeindliche Kandidat*innen zu identifizieren. Im Zweifel können mobile Beratungsangebote gegen Rechtsextremismus mit ihrer Erfahrung und ihrem Wissen unterstützen. Hilfreich ist es auch, die demokratische Zivilgesellschaft vor Ort mit in die Erstellung der Vorschlagslisten einzubeziehen. Bekannte enge Kontakte zu Souveränisten, Reichsbürgertum oder Nähe zu Verschwörungsideologien, auch die Nähe zu vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppierungen könnten weitere Indikatoren für Rechtstreue sein.

Wenn auch demokratiefeindliche Parteien oder Gruppierungen Vorschläge einreichen oder sich bspw. ein bekannter rechtsextremer Aktivist als Schöffe beworben hat und auf der Vorschlagsliste gelandet ist, sollte die Vorschlagsliste auf keinen Fall in einem Durchgang beschlossen werden. Stattdessen sollten sich Gemeindevertretungen die Mühe machen und jede Person einzeln mit Zwei-Drittel-Mehrheit auf die Liste setzen.

Für das Erkennen und Verhindern von rechtsextremen Kandidierenden für das Schöffenamt braucht es also Verwaltungen, denen ihre Verantwortung bewusst ist und die sich klar für Demokratie und Menschenrechte einsetzen. Sie sind das wirksamste Mittel gegen rechtsextreme Einflussnahme im Schöffenamt, in der Kommunalpolitik und der Gesellschaft insgesamt!

Wo kann ich mich weiter informieren?

Gesicht Zeigen! und die Friedrich-Ebert-Stiftung haben eine Infoseite erstellt speziell für die kommunalen Entscheider*innen. Unter www.fes.de/schoeffenwahl2023 finden sie Antworten auf Ihre Fragen, Leseempfehlungen und weiterführende Links. Ansonsten stehen in den Ländern und auf Kommunalebene in der Regel die Wahlämter oder Landeswahlleitungen für tieferen Austausch oder Fachfragen zur Verfügung. Wichtig ist, dass wir das Schöffenamt jetzt für die Zukunft demokratiefest machen. Das geht nur mit demokratiefesten Schöffen und Schöffinnen, lasst uns diese gemeinsam stärken!

Charlotte Langenkamp ist Referentin bei Gesicht Zeigen! und dort tätig im Projekt United!, welches zielgenaue Angebote im Bereich Justiz und Wirtschaft konzipiert. Franziska Schröter ist bei der Friedrich-Ebert-Stiftung für das Projekt gegen Rechtsextremismus verantwortlich.