Glosse „Das Letzte”

Selbst ist der Mann

Carl-Friedrich Höck12. Juni 2017
Glosse Das Letzte
Nicht zugänglich für Menschen ohne Humor: Die Glosse „Das Letzte”
Wer will schon lange auf neue Glühbirnen oder einen Zebrastreifen warten? Weil die Mühlen der Bürokratie langsam mahlen, wählen manche Bürger oder Politiker den kurzen Dienstweg. Das kann ganz schön schiefgehen.

Die Mühlen der Bürokratie mahlen bekanntlich langsam – und treiben auch Kommunalpolitiker oft zur Verzweiflung. Viele Leser dieser Zeitschrift kennen das Szenario: Anwohner fordern ­einen Zebrastreifen oder eine neue Ampel. Der Rat fasst dazu einen Beschluss. Dann liegt das Ansinnen bei der Verkehrsbehörde. Dort wird der Verkehr gezählt, geprüft, gerechnet, abgewägt. Und selbst wenn die Behörde am Ende grünes Licht gibt, kann es Jahre dauern, bis der ersehnte Fußgängerüberweg kommt.

Kurzer Dienstweg

So lange wollte ein junger Mann im hessischen Städtchen Epperts­hausen nicht warten. Kurzerhand nahm er etwas Farbe zur Hand und pinselte eigenhändig einen Zebrastreifen auf die Straße. Den nötigen Mut und die Entschlusskraft hatte er sich zuvor offenbar beherzt angetrunken. Doch ach, auch dieser „kurze Dienstweg“ führte nicht zum Erfolg. Die sechs weißen, ungenehmigten Farbstreifen wurden von der Stadt schnell beseitigt. Dem alkoholisierten Nachwuchs-Verkehrspolitiker droht nun ein Verfahren wegen Sachbeschädigung und Amtsanmaßung.

Eine ähnliche Erfahrung hat Manfred Schroeder gemacht, der Bürgermeister der brandenburgischen Gemeinde Schöneberg: Im zur Gemeinde gehörenden Dörfchen ­Stützkow tauschte er die Glühbirnen der Straßenlaternen aus und ersetzte sie durch stromsparende LED-Lichter. Die Leuchtmittel bezahlte er selbst – als gelernter Elektroinstallateur verfügt der ehrenamtliche Bürgermeister über die nötigen Fachkenntnisse, und der Ort spart nun bis zu 50 Prozent Stromkosten. Alles gut also? Im Gegenteil. Denn der ­Glühbirnen-Austausch erfolgte ohne Genehmigung des zuständigen Amtes Oder-Welse. (Dort werden die Verwaltungsgeschäfte von fünf Gemeinden erledigt.) Und dieses befand: 21 Glühbirnen auszutauschen, ohne zunächst ein Planungsbüro zu beauftragen, das geht gar nicht! Also drohte das Amt mit einem Strafverfahren – und Manfred Schroeder daraufhin mit Rücktritt.

Stexit-Gefahr

Auch den Mitgliedern der Gemeindevertretung Schöneberg platzte der Kragen: Sie beschlossen, dass Stützkow und die anderen Gemeindeorte nicht länger zum Amt Oder-Welse gehören wollen. Stattdessen wolle man in die Stadt Schwedt eingegliedert werden. „Kommt der Stexit?“, fragt eine regionale Boulevardzeitung nun.

Eine Antwort auf diese Frage gab kürzlich der Brandenburgische ­Minister des Innern und für Kommunales Karl-Heinz Schröter. Der traf im April die Bürgermeister von Schwedt und Schöneberg. Er erklärte im Anschluss, dass der Wechsel grundsätzlich möglich sei – und fügte hinzu: „Natürlich müssen die rechtlichen Voraussetzungen für eine Eingemeindung gründlich geprüft werden.“

Das kann dauern.