Empfehlungen an Kommunen

So sollten Bürger*innen informiert und beraten werden

Arne Klein27. April 2022
Verbraucherberatung im ländlichen Raum war das Thema der Experimentierwerkstatt.
Für die „Experimentierwerkstat ländliche Verbraucherpolitik” hat sich Strategieberater Arne Klein damit befasst, wie Bürger*innen im ländlichen Raum optimal beraten werden können. Seine wichtigsten Lehren für Kommunen fasst er im Blogbeitrag zusammen.

Auf kommunaler Ebene spielt das Thema Verbraucherberatung und -information eine zentrale Rolle, denn die kommunalen Behörden, Ämter, Verwaltungen und Kammern sind eine der relevantesten Informations- und Beratungsquellen für die Menschen vor Ort.

Die „Experimentierwerkstatt ländliche Verbraucherpolitik“, die im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) von der Prof. Schramm-Klein GmbH durchgeführt wurde, hat potenziellen Lösungsoptionen erarbeitet, wie Bürger*innen im ländlichen Raum in Verbraucherfragen informiert und beraten werden sollten. Die Ansätze sind „gegenwartsnah“ ausgerichtet, sodass sich viele Ideen und Wünsche der Bürger*innen ländlicher Räume bereits aktuell auf der Ebene der Kommunen realisieren ließen.

Technologie hilft, aber ersetzt den Menschen nicht

Zwei Aspekte sind für Kommunen dabei besonders wichtig:

  1. Technologieintegration wird von den Bürger*innen als selbstverständlich angesehen, wenn es um Verbraucherinformation und -beratung geht. Digitale Technologien sollten aus Sicht der Bürger*innen jedoch ein Add-on oder eine erste Anlaufstelle darstellen. Für die eigentliche Beratung – sofern das Problem nicht selbstständig im Rahmen der digitalen Plattform gelöst werden kann – wird dagegen ein Mensch gewünscht. Verbraucher*innen wollen selbstbestimmt entscheiden, ob, wann und in welcher Form (mit oder ohne Technologieintegration) sie Informations- und Beratungsangebote nutzen.
  2. Wichtig ist es auch, Unkenntnis der Bürger*innen über Beratungs- und Informationsangebote auf kommunaler Ebene abzubauen sowie das Problembewusstsein der Verbraucher*innen zu schärfen.

Die Relevanz der digitalen Kompetenzen der Menschen wird im ländlichen Raum durch Infrastrukturdefizite verstärkt. Umso wichtiger ist es, dass Personen aus dem Umfeld der vulnerablen Menschen die Kompetenzen erhalten und ausbauen, unterstützen zu können, da diese die ersten Ansprechpartner darstellen.

Die optimale Vorgehensweise

In dem Projekt wurde ein Drei-Stufen-Modell entwickelt, das die optimale Vorgehensweise von Beratung und Information in Verbraucherfragen aufzeigt:

  1. Schnelle Alltagsfragen: VerbraucherInnen sollten Informationen über digitale Kanäle erhalten.
  2. Individuellere Alltagsfragen: VerbraucherInnen benötigen den Kontakt mit menschlichen BeraterInnen (z. B. per Video-Chat oder Telefon, nicht unbedingt persönlich).
  3. Sehr komplexe Beratungsfragen: VerbraucherInnen erhalten persönliche Beratung von ExpertInnen (ggf. auch – z. B. digital gestützt – in den eigenen vier Wänden).

Empfehlungen für Städte und Gemeinden

Für Kommunen ergeben sich aus dem Projekt wichtige Umsetzungsempfehlungen:

  • Die Unterstützung und (bewusste) Integration kommerzieller (regionaler) Akteure (z.B. Handelsunternehmen, Hersteller, Veranstalter, Dienstleister, Finanzinstitutionen usw.) in Beratungsprozessen ist erforderlich.
  • Der Erhalt von lokalen Versorgungsoptionen bzw. die Schaffung physischer Interaktionspunkte, wie z. B. Filialen oder Einrichtungen öffentlicher Beratungsinstitutionen, mobiler Angebote oder multifunktionaler Einrichtungen ist eine wichtige Voraussetzung für die Teilhabe der ländlichen VerbraucherInnen.
  • Privatpersonen dienen oft als Support und Ratgeber für vulnerablen Verbrauchergruppen (bezogen auf digitale Kompetenzen) und müssen deshalb in ihren Kompetenzen gestärkt werden.
  • Es muss eine Zurverfügungstellung von Alternativen zu digitalen Lösungen in Form klassischer und vormals etablierter Wege von Verbraucherberatung und -information erfolgen, weil sonst die Exklusion von Verbraucher*innen-Gruppen droht.
  • Alle Kontaktpunkte der Beratung und Information zu Verbraucherfragen sollten in Form eines Omni-Channel-Systems, das Online- und Offline-Elemente vernetzt, integriert werden.
  • Auch das persönliche Umfeld, kommerzieller Angebote und ehrenamtliche Initiativen sollten mit diesen Touchpoints zu einer gemeinsamen Plattformlösung integriert werden.
  • Besonders wichtig ist die Steigerung der Sichtbarkeit von für die Verbraucher*innen relevanter und geeigneter Angebote technologiegestützter Informations- und Beratungsprozesse.

Sorge vor Kommerzialisierung

Im Verlauf des Forschungsprojektes hat sich die Befürchtung der Teilnehmer*innen herauskristallisiert, dass Beratungs- und Informationsangebote der öffentlichen Hand abnehmen, während immer mehr kommerzielle Beratung und Information angeboten wird.

Hier können die Kommunen im Rahmen ihrer Möglichkeiten effektiv gegensteuern, sollten aber Anbieter und kommerzielle Akteure in die Systeme einbeziehen, um ein konsistentes System aufzubauen.

 

Eine Kurzfassung und auch eine umfassende Version des Abschlussberichts finden Sie hier: