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Soziale Stadt: Der Stadtallendorfer Weg

Christian Somogyi28. Dezember 2018
Die Idee in Stadtallendorf: Bei der Gestaltung des Spielplatzes Kinder einzubeziehen.
Christian Somogyi, Bürgermeister von Stadtallendorf, über das sozial ausgerichtete städtebauliche Projekt „Inseln der Stadt“. Der Stadterneuerungsprozess geschieht „mit Blick auf den Menschen in seinem Wohnumfeld“. Dabei sind intensive Beteiligungsprozesse notwendig.

Inseln in der Stadt ist der Arbeitstitel für ein städtebauliches Projekt, in dem wir uns seit fast 18 Jahren mit einer sozial ausgerichteten Stadterneuerung beschäftigen. Aufgenommen in das Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ wurde unsere Stadt bereits im Jahre 2000. Stadtallendorf war damit eine der ersten kleineren Städte, die Aufnahme in dieses Förderprogramm in Hessen fand. Einer der Gründe für die Beantragung war sicherlich die besondere demografische Struktur in unserer Stadt.

In Stadtallendorf leben derzeit rund 21.000 Menschen aus über 70 Nationen. Von den Bewohnerinnen und Bewohnern der Kernstadt sind rund 30 Prozent Aussiedler und ca. 25 Prozent Nicht-Deutsche. Somit hat die Hälfte der Bevölkerung eine bikulturelle Biografie. Durch den industriellen Strukturwandel stieg in den 90er Jahren die Arbeitslosigkeit und in der Folge häuften sich Problemlagen in den zunehmend segregierten Quartieren. Der Idee des Städtebauförderungsprogramms „Soziale Stadt“ folgend, wurde hier sehr früh der Projektansatz genutzt, um eine sozial ausgerichtete Stadterneuerung zu initiieren.

Der Stadtallendorfer Weg

Der Projekttitel „Inseln in der Stadt“ bezieht sich aufgrund der besonderen städtebaulichen Entwicklung in Stadtallendorf auf die ethnische, die soziale und die baulich-räumliche Ebene. Aufgrund ihres schnellen Wachstums nach dem Ende des zweiten Weltkriegs hatten sich separate Stadtquartiere gebildet, die wie Inseln im Stadtgefüge teilweise zusammenhangslos eine Koexistenz führten. Dieser sprichwörtlichen Verinselung sollte durch die Maßnahmen des Städtebauförderungsprogramms entgegengewirkt werden.

Wie soll dieses Ziel erreicht werden? Vor allen Dingen ging es uns in der Vergangenheit darum, die Gestaltung qualitätsvoller Begegnungsräume sowie die Aufwertung öffentlicher Frei- und Grünflächen im Stadtgebiet zu verwirklichen. Nach meiner Auffassung bieten diese Angebote einen wichtigen Beitrag für die Stabilisierung belasteter Quartiere, die häufig durch Geschosswohnungen ohne private Freibereiche und mit einer multiethnischen Bewohnerschaft gekennzeichnet sind. Daher haben wir auch bei kleinteiligen Projekten versucht, Reparaturen im Stadtgefüge vorzunehmen und die Quartiere zueinander besser in Verbindung zu setzen. So wurden z.B. fehlende Wegebeziehungen durch Verbindungen zwischen den Quartieren ergänzt. Es wurden öffentliche Räume angst­freier gestaltet und attraktive Angebote für Kinder und Jugendliche entwickelt. Daneben konnten durch die Begleitprogramme Lokales Kapital für soziale Zwecke und Stärken vor Ort sowie ein HEGISS-Modellprojekt die vielfältigen baulichen Investitionen unterstützt werden. Damit ist es uns gelungen, eine Verbesserung des Zusammenlebens für alle Bewohner Stadtallendorfs und nicht nur im Projektgebiet zu erzielen.

Partizipation – ein Element der sozial ausgerichteten Stadtentwicklung
Dieser Stadterneuerungsprozess – und das ist mir ganz wichtig – geschieht mit Blick auf den Menschen in seinem Wohnumfeld. Für unsere Arbeit bedeutet das: Wir müssen sehr genau hinschauen und zuhören, um eine Lösung für sehr konkrete Problemlagen im Quartier zu finden. Und hierzu müssen wir nah bei den Bewohnerinnen und Bewohnern sein. Insofern ist mir das Thema der Beteiligung von Menschen ein wichtiges Anliegen.

Der Heinz-Lang-Park – ein Projekt der Sozialen Stadt

Ein besonderes Projekt in unserer Stadt stellt dabei die Sanierung des Heinz-Lang-Parks dar. Der Heinz-Lang-Park ist der zentrale Naherholungsbereich für die Gesamtstadt und auch der Ort der Begegnung für alle Bevölkerungsgruppen. Dieser Park konnte seine entlastende und stabilisierende Funktion, insbesondere für die stark belasteten Wohnquartiere im Projektgebiet, aufgrund seiner defizitären Ausstattung, seiner geringen Aufenthaltsqualität und der schlechten Zugänglichkeit nicht mehr erfüllen. Insofern galt es, diese zentrale Grün- und Freizeitfläche neu zu gestalten und auf die veränderten Anforderungen anzupassen.

Hier wurde erstmals in einem sehr umfangreichen Programm, das maßgeblich durch das Büro projekt.stadt, Bensheim, gestaltet wurde, die Beteiligung der Bevölkerung durchgeführt. Dabei ging es uns darum, mit der Planung vor Ort zu gehen, die Menschen gezielt anzusprechen und Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senior*innen mit ihren spezifischen Belangen zu erreichen. Hierzu haben wir sehr unterschiedliche Formen der Beteiligung genutzt. Der Beteiligungsprozess sollte dabei transparent und offen für alle sein. Er sollte planerische Anpassungen ermöglichen. Und er sollte Spaß und Lust darauf machen, sich aktiv einzubringen.

Was haben wir im Einzelnen gemacht?

Zunächst haben wir zu einem großen Planungs- und Kulturfest im Park – vor Ort – eingeladen. Im Rahmen dieses Festes mit Musik, Tanz und vielfältigen kulinarischen Angeboten haben wir erste Planungsansätze in einem Zelt vorgestellt. Dabei konnten wir jedem Interessierten individuell die Ideen für die Neugestaltung des Parks vermitteln. Jeder hatte aber auch die Möglichkeit, weitere Ideen einzubringen oder ein Statement zur Planung abzugeben. Parallel zu diesem Kulturfest fand ein Skatecontest für die jugendlichen Nutzer statt, und auch sie sollten ihre Ideen in die Planung einbringen.
 
Die Erkenntnisse, die wir in den zahlreichen Gesprächen gewonnen haben, wurden anschließend durch das Projektbüro „Soziale Stadt“ öffentlich vorgestellt und es wurde erklärt, welche der Anregungen in die Planung Eingang fanden. Für die Planung eines neuen Spielplatzes im Park haben wir eine andere Idee entwickelt um den Belangen der Kinder gerecht zu werden. Wir haben Kinder aus verschiedenen Schulklassen aus Stadtallendorf zu ihren Wünschen altersgerecht befragt. Hierzu baten wir sie, Bilder zu malen über die Abenteuer, die sie auf dem neuen Spielplatz erleben wollen. Es entstanden tolle, kreative Ideen für den neuen Spielplatzbereich. Diese Bilder wurden ausgewertet und stellten dann die Grundlage einer funktionalen Ausschreibung für den neuen Spielplatz dar. Am Ende entstand ein traumhaft schöner und individuell hergestellter Spielplatz, der den schönen Namen „Piratenbucht“ erhielt.

Um die Gruppe der Jugendlichen zu erreichen, wurde der Zugang über den Streetworker der Stadt gewählt. Er hat gemeinsam mit einer Gruppe von Skatern die Anforderungen an die neue Skateanlage formuliert. Auch hier wurden die Ergebnisse der Gespräche in die Planung integriert und später den künftigen Nutzern vorgestellt. Entstanden ist hierdurch eine zeitgemäße Skateplaza, die regen Zuspruch erfährt.  

Der intensive Beteiligungsprozess hat sich gelohnt. Ich kann sagen, dass der Heinz-Lang-Park nicht nur schön geworden ist, sondern so wie es sich die Nutzerinnen und Nutzer wünschen. Im besonderen Maß gilt dies für die Kinder und Jugendlichen unserer Stadt. Insofern ist der Heinz-Lang-Park wieder ein Aktionsraum für Stadtallendorf. Er leistet einen Beitrag zum friedlichen Miteinander der Kulturen und Generationen. Die besondere Attraktivität des Parks macht die Anlagen über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Die qualitätsvolle Gestaltung zeigt den Kindern und Jugendlichen, dass sie der Stadt etwas wert sind.

Für alle die am Projekt mitgewirkt haben, wurde deutlich, dass sich Initiative und Beteiligung lohnen. Insofern ist eine sozial ausgerichtete Stadterneuerung für mich ein wichtiger Beitrag für die Zukunft unserer Städte.