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Die Stadt haftet nicht für alles

Thomas Jung12. Mai 2021
Thomas Jung
Thomas Jung
Wie umgehen mit Klagen gegen die Gemeinde, wenn Bürger*innen über Hindernisse stürzen? Die Verwaltung muss sich bemühen Gefahrenquellen zu beseitigen, aber sie kann nicht alle Lebensrisiken aus dem Weg räumen, kommentiert Fürths Oberbürgermeister Thomas Jung.

Das Oberlandesgericht Nürnberg (OLG) hat kürzlich ein bemerkenswertes Urteil für die Stadt Fürth erlassen. Ein Urteil, das aber auch von allgemeinem Interesse ist, da es unser aller Zusammenleben regelt und weit über die Grenzen Fürths hinaus wirkt.

Verletztes Kind

Es geht um folgenden Sachverhalt: Eine Familie hatte gegen die Stadt Fürth geklagt, weil ihr damals achtjähriges Kind 2016 über eine zwischen Pfosten gespannte Kette im Stadtgebiet stürzte.

Die Eltern verlangten Schadensersatz und Schmerzensgeld, was das OLG aber ablehnte. Es stellte fest, dass eine Stadtverwaltung verpflichtet ist, einen für die Bürgerinnen und Bürger hinreichenden sicheren Straßenzustand zu gewährleisten.

Aber: Jeder Mensch, der sich im öffentlichen Raum bewegt, muss sich auch so verhalten, wie es die Umstände erfordern.

Bürger*innen auch mit Eigenverantwortung

So muss sich ein Fußgänger beispielsweise in der Dunkelheit vorsichtiger fortbewegen als am Tag, damit er eventuelle Hindernisse auch jederzeit wahrnehmen kann. Alle Verkehrsteilnehmer müssen ihre Fahrweise an die aktuellen Sichtverhältnisse anpassen und etwa bei Nebel auf Schrittgeschwindigkeit reduzieren.

Gerade in beliebten, belebten ­innerstädtischen Bereichen muss immer wieder mit Hindernissen gerechnet werden. Daher ist es unmöglich von einer Stadtverwaltung zu verlangen, alle Gefährdungen zu beseitigen oder das Stadtgebiet auch nachts taghell auszuleuchten.

Ich finde dieses Urteil richtig und wichtig. Einige wenige Bürgerinnen und Bürger glauben nämlich, dass eine Stadtverwaltung für alles haftet und ihnen alle Lebensrisiken aus dem Weg räumen muss. Dies ist nicht möglich. Jeder Mensch ist auch für sich selbst und sein Verhalten verantwortlich. Und Eltern haben bis zu einem gewissen Alter eine Fürsorgepflicht für ihre Kinder.

Selbstverständlich muss eine Stadtverwaltung aber auch ständig bemüht sein, etwaige Gefahrenquellen zu entschärfen beziehungsweise zu beseitigen. Generell gilt jedoch: Auch die Bürgerinnen und Bürger müssen aufmerksam unterwegs sein und sich an die jeweiligen Verhältnisse anpassen.

Das Urteil ist somit im wahrsten Sinne des Wortes wegweisend für uns alle.

 

Dieser Text stammt aus dem Landes-SGK EXTRA Bayern der DEMO und wird hier mit freundlicher Genehmigung der SGK Bayern veröffentlicht.