Blog Aus den Bundesländern

Strategien der „Neuen Rechten“ – Kontern leicht gemacht

Inka Gossmann-Reetz22. September 2020
Inka Gossmann-Reetz zeigt auf, wie rechte Propaganda funktioniert.
Der Landesverband der AfD Brandenburg wurde vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft. Welche Konzepte verfolgt die Partei und wie kann man den Rechten in der Kommunalpolitik entgegentreten? Die SPD-Landtagsabgeordnete Inka Gossmann-Reetz gibt praktische Tipps.

In Brandenburg und in Thüringen lagen den zuständigen Verfassungsschützern genügend Beweise vor, um die dortigen Landesverbände der AfD als sogenannte Verdachtsfälle einzustufen. Das bedeutet, dass sie als eine ernsthafte Bedrohung für die verfassungsmäßige Ordnung unseres Landes anzusehen sind. Die Einstufung der AfD Brandenburg war eine logische und zwingende Schlussfolgerung, die es dem Verfassungsschutz nun auch erlaubt, die AfD mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten. Damit soll der Verdachtsfall, dass es sich beim Landesverband um eine extremistische Bestrebung gegen die Verfassung handelt, geprüft werden.

Diese Einstufung ist ein Weckruf an die Gesellschaft, sich die Aktivitäten dieser Partei und ihrer verbündeten Organisationen genau ­anzuschauen: Die AfD in Brandenburg und in Thüringen ist Teil einer größeren Bewegung, der sogenannten ­„Neuen Rechten“. Im Gegensatz zu NPD, DVU oder der Neonazi-Szene in den 90er Jahren arbeiten diese Akteure intensiv und erfolgreich zusammen: Es gibt personelle und organisatorische Überschneidungen, die ­Akteure tauschen sich regelmäßig aus, sie professionalisieren die ­Kommunikation nach außen und haben durch die Wahlerfolge Zugriff auf Mittel der staatlichen Parteienfinanzierung und auf die Personal- und Sachmittel, die gewählten Abgeordneten zustehen.

Die Absicht dahinter ist von den Akteuren selbst öffentlich ganz klar benannt worden. 2017 erklärte der neurechte Verschwörer Elsässer: „Fünf Finger kann man immer brechen, aber zusammen sind sie eine Faust.“ Als Beispiele für die Finger nannte er Pegida, IB, AfD, 1-Prozent und Compact. Der Sinn dieser martialischen Sprache erschließt sich für die Akteure dieser Vereinigungen sofort: Die Faust als Symbol für den Kampf gegen den ihnen verhassten Staat und die von ihnen abgelehnte freiheitlich-demokratische Grundordnung.

Gegenseitige Rückendeckung

Neu ist dabei die Arbeitsteilung: Während der harte Kern der ­Neuen Rechten intern ganz klar rechtsex­tremistisch auftritt, fressen die Akteure nach außen Kreide. Finden die rechtsextremen Äußerungen den Weg nach außen oder werden als rechtsextremistisch benannt, so werden die Äußerungen öffentlich als „Ausrutscher“ bezeichnet oder mit Hinweis auf irgendein anderes Thema beschönigt bzw. die nächste Empörungswelle gestartet. Im Gegensatz zu früheren ideologischen Kämpfen zwischen rechtsextremen Vereinigungen halten sich die Akteure heute gegenseitig den Rücken frei, suchen dabei gleichzeitig den Anschluss zu weniger radikalen Bewegungen, an die sie bei emotional aufrüttelnden Themen anknüpfen wollen.

Brandenburger AfD-Vertreter halten dabei enge Kontakte zu Vereinen, die sich selbst beschönigend als „patriotische Bürgerbewegung“ bezeichnen: Organisationen wie „Zukunft Heimat“, ProMitsprache, „Die Mühle Cottbus“, „Sezession“ und neurechte Blogger. Die AfD Brandenburg ist personell so eng mit diesen Organisationen verflochten, dass eine interne Abgrenzung nach rechts unmöglich erscheint – und sie ist auch offensichtlich nicht erwünscht. Das sich ergebende Bild entspricht der Absicht der neurechten Verschwörer: Den rechtsradikalen Kern verschleiern, emotionale Empörung über vermeintliche Missstände schüren und radikale Kräfte in der AfD unterstützen, um über die AfD Gestaltungsmacht in den Parlamenten zu erlangen.

Abwertende Propaganda

Darum müssen wir uns ganz klar darüber sein, wie die Propaganda dieser Akteure funktioniert, welche Zermürbungsstrategien sie anwenden und wie wir uns dagegen erfolgreich zur Wehr setzen können.

Unsere Verfassung billigt Parteien eine privilegierte Rolle bei der politischen Meinungsbildung zu. Im Anschluss soll es einen Wettbewerb zwischen den Parteien um die besten Lösungen für gesellschaftliche Fragen geben, über den die Wähler dann in allgemeinen, freien, gleichen, unmittelbaren und geheimen Wahlen abstimmen. Die AfD erkennt dieses Prinzip nicht an: Die Akteure sprechen in Bezug auf andere Parteien immer von „den Altparteien“, die Wähler werden als „Schlafschafe“ tituliert. Das hat mit einem Wettbewerb um Sachfragen nichts mehr zu tun, sondern ist eine ganz klar abwertende Propaganda.

Menschenwürde und Religionsfreiheit werden angegriffen

Unsere Verfassung garantiert das Recht, seine Meinung in Wort und Schrift frei zu äußern und sich frei zu informieren, sie garantiert die Freiheit der Pressefreiheit, Rundfunkfreiheit und die Freiheit der Kunst. Die AfD wiederum erkennt dieses Prinzip nicht an: Die Akteure bezeichnen Zeitungen und Rundfunksender bei ihnen missliebiger Berichterstattung als staatlich gelenkte „Lügenpresse“, sie bedrohen Journalisten. Die Verächtlichmachung von Presse und das Vertrauen in diese sukzessiv zu zerstören, ist ein gezielter Schritt zur Destabilisierung einer freien Gesellschaft.

Unsere Verfassung garantiert die Menschenwürde für alle Menschen. Akteure der AfD äußern immer wieder öffentlich, dass bestimmte Menschen aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Abstammung oder aufgrund ihrer Religion nicht integrierbar oder kriminell seien, insbesondere unterstellen sie eine „importierte sexualisierte Gewalt“. Damit verletzen sie die Menschenwürde der Betroffenen.

Darüber hinaus garantiert die Verfassung die freie Ausübung der Religion. Akteure der AfD behaupten immer wieder, dass bestimmte Religionen nicht nach Deutschland gehören, was wiederum eine Verletzung der Religions­freiheit ist.

Auch das Asylrecht ist Teil der Verfassung

Unsere Verfassung garantiert das individuelle Recht auf Asyl. Akteure der AfD behaupten immer wieder pauschal, dass das Asylrecht eigentlich nur missbraucht werden würde, um aus wirtschaftlichen Gründen einzuwandern, und fordern daher pauschal die Abschiebung ohne Gerichtsverfahren. Dabei garantiert die Verfassung den individuellen Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten.

Unsere Verfassung garantiert die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Akteure der AfD behaupten, es gäbe zu viele Gleichstellungsprojekte und Frauen sollten sich auf „ihre natürliche Bestimmung“ konzentrieren, weil Deutschland ansonsten aussterben würde. Damit stellt sich die AfD aktiv gegen das Staatsziel der Gleichberechtigung.

Unsere Verfassung schreibt als Staatsziel die Verwirklichung ­eines vereinten Europas fest. Akteure der AfD bekämpfen dieses Ziel. Unter dem Schlagwort „Ethnopluralismus“ fordern sie die Abgrenzung von angeblichen kulturell homo­genen Staatsvölkern, die sich nicht vermischen sollten.

Nicht zuletzt verbietet ­unsere Verfassung, die Grundrechte in ihrem Wesensgehalt einzuschränken. Akteure der AfD fordern, dass bestimmte Grundrechte nur für Deutsche gelten sollten. Damit würde aber der Wesensgehalt der Grundrechte für Nicht-Deutsche eingeschränkt werden.

Alle diese Äußerungen verdichten das Bild, dass es sich bei der AfD nicht (mehr) um eine Partei handelt, die Sachfragen lösen will, sondern dass die Akteure dieser Partei einen vollkommen anderen Staat wollen: Einen völkischen Staat, in dem Freiheitsrechte nur für bestimmte Personen gelten, in dem der Rechtsschutz nur bestimmten Personen gewährt wird, in dem Vertreter anderer Parteien rechtlos gestellt werden sollen, in dem Pressebericht­erstattung, Kunst und Kultur politisch gesteuert werden. Dabei sind die Akteure nicht mehr an einer Sachdiskussion interessiert, sondern das Haupt­augenmerk liegt in der Verächtlichmachung ­anderer Parteien, Regierungen und demokratischer Strukturen: Die Arbeit der Akteure in den Parlamenten beschränkt sich meist auf das Einbringen von Schaufenster­anträgen und das Vorbringen gezielter Provoka­tionen, um der Anhängerschaft Raum zu geben für empörte Kommentare. Dabei wird von diesen Akteuren immer wieder das Bild von vermeintlichen „Eliten“ gebraucht, die gemeinsam mit den „Altparteien“ und der „Lügenpresse“ gegen die „wahren Interessen“ des Volkes agieren würden.

Wie also damit umgehen?

1. Ruhe bewahren. Die AfD funk­tioniert nur als Empörungsmaschine.

2. Die Provokationen ruhig und sachlich kontern. Die inhaltliche Tiefe der meisten AfD-Anträge ist sehr überschaubar.

3. Strafbare Äußerungen von AfD-Akteuren konsequent anzeigen. In sozialen Medien die Beiträge melden und Trolle auf den eigenen Seiten konsequent blockieren.

4. Die verfasssungsrechtlichen Grundlagen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung immer wieder öffentlich kommunizieren. Die Akteure der AfD zitieren gerne unvollständig und aus dem Zusammenhang herausgerissen.

5. Augen auf bei Wahlen in unseren kommunalen Vertretungen oder Parlamenten. Wenn AfD-Akteure Mandate gewonnen haben, so können sie diese selbstverständlich frei ausüben. Aber es bedeutet eben nicht – wie von ihnen suggeriert wird – dass die anderen Mandats­träger die laut Geschäftsordnung den einzelnen Fraktionen zustehenden Sitze in Gremien auf Vorschlag der AfD besetzen müssen. Im Gegenteil: Es handelt sich immer um Personen, die das Vertrauen der anderen Mandats­träger erhalten müssen. Und wenn der Wahlvorschlag nicht vertrauenswürdig erscheint, dann sollte dieser auch nicht gewählt werden.

6. Konsequenzen ziehen: Wenn AfD-Akteure in Gremien die Arbeit der Gremien sabotieren, dann sollen und müssen sie abgewählt werden.

7. Das Umfeld im Blick haben: AfD-Akteure heuern trotz gegenteiliger Beteuerungen immer wieder Mitarbeiter an, die ganz ausgewiesene Extremisten sind und als Verbindung in die verbündeten extremistischen Vereinigungen dienen. Dies darf und muss öffentlich benannt und an­geprangert werden.

8. Lokale Aktivitäten wahrnehmen: Die „neuen Rechten“ suchen verstärkt den Anschluss an die Gesellschaft. Akteure engagieren sich in ­Elternvertretungen, in ­Sportvereinen, bei den Feuerwehren und bei Bürgerinitiativen. Sie versuchen, dort gesellschaftlich Anerkennung zu erreichen, um ihre völkische Propaganda salonfähig zu machen. Gerade im kommunalen Bereich geben sie den „guten Nachbarn“, aber dies muss vor Ort enttarnt werden.

9. Zermürbungstaktiken erkennen und kontern: AfD-Akteure versuchen immer wieder, missliebige Personen aus der Zivilgesellschaft und Mandatsträger persönlich zu diffamieren und zu zermürben. Dazu wird die persönliche Integrität der Betroffenen in Frage gestellt, ihnen böse Absicht oder gar ein Plan zur „Abschaffung“ Deutschlands unterstellt. Diese Äußerungen können strafrechtlich relevant sein und sollten unbedingt zur Anzeige gebracht werden. Wichtig ist dabei, dass diese Strategien öffentlich gemacht werden, um die Betroffenen zu unterstützen und zu schützen.

10. Parlamente arbeitsfähig halten: Die neurechten Akteure torpedieren systematisch die Arbeit in den Parlamenten, indem immer wieder die gleichen Schaufensteranträge eingebracht werden oder AfD-Akteure die Behandlung missliebiger Anträge verhindern wollen. Hier empfiehlt sich eine Geschäftsordnung, die den ordnungsgemäßen Ablauf von Sitzungen und die parlamentarische Arbeit vor der Lähmung durch exzessive böswillige Anträge schützt. Denn mit der AfD ist eine neue Unkultur eingezogen, die wir bisher so nicht kannten: Es ist darum unsere Verantwortung, die parlamentarischen Abläufe mit neuen Regeln zu schützen, denn bisher haben sich alle Parteien an die traditionellen guten parlamentarischen Gepflogenheiten gehalten.

11. Ähnlich sieht es mit Anfragen an die Verwaltungen aus: Die Verwaltung soll durch unsinnige und polemische Anfragen lahmgelegt werden, daher empfiehlt sich eine grundsätzliche Prüfung, ob die entsprechende Verwaltung überhaupt für diesen Sachbereich zuständig ist.

12. Juristischen Rat einholen: Wir haben erfahren, dass die AfD gerne schnell mit Klagen droht, aber längst nicht so viele Prozesse gewinnt, wie sie behauptet. Die Drohung mit Klagen ist eine ganz klare Einschüchterungsstrategie, damit der politische Gegner aus Angst vor den Kosten einer Auseinandersetzung zurückschreckt.

Es ist Aufgabe aller Demokraten, sich von den Akteuren der AfD nicht einschüchtern zu lassen: Wir haben in Europa und in Deutschland, allen Unkenrufen zum Trotz, ein starkes und erfolgreiches Gemeinwesen. Wir leben – trotz allen Krisen – in einer der längsten friedlichen Epochen, die es jemals in Europa gegeben hat. Wir haben die Lehren aus der Vergangenheit gezogen und unsere Aufgabe ist es, denjenigen in den Arm zu fallen, die die Demokratie mit demokratischen Mitteln ­abschaffen wollen.

Dafür braucht es konsequenter Haltung, Mut und Anstand. Und das alles haben wir in unserer sozial­demokratischen DNA.

 

Inka Gossmann-Reetz ist seit 2014 Mitglied des Landtages, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, innenpolitische Sprecherin und Sprecherin für den Themenbereich „Bekämpfung Rechtsextremismus“ der SPD-Fraktion sowie Mitglied im Ausschuss für Inneres und Kommunales und Vorsitzende der Parlamentarischen Kontrollkommission. Daneben ist sie SPD-Vorsitzende in ­Hohen ­Neuendorf, Mitglied der Stadtverordnetenversammlung Hohen ­Neuendorf und Beisitzerin im Landesvorstand der SPD Brandenburg. Gossmann-Reetz gehört dem Vorstand der SGK Brandenburg e. V. an.

Dieser Text ist zuerst im Landes-SGK EXTRA Brandenburg der DEMO erschienen und wird hier mit freundlicher Genehmigung der SGK Brandenburg veröffentlicht.