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Auf der Suche nach der Stadt Bestem

Hermann-Josef Pelgrim06. November 2019
Hermann-Josef Pelgrim auf der Suche nach Leitprinzipien und Beurteilungsmaßstäben für die Stadtentwicklung

Ob bibelfest oder nicht, wohl alle Kommunalpolitikerinnen und -politiker kennen den einen Satz, den ihnen der Prophet Jeremia ins Stammbuch geschrieben hat: „Suchet der Stadt Bestes!“ Am Willen, dieses Gebot bei der Stadtentwicklung zu befolgen, mangelt es in den allermeisten Fällen sicherlich nicht. Aber wo es Handlungsalternativen gibt, ist diese Suche nach dem Besten oft gar nicht so einfach.

Wird am Stadtrand ein neues Wohngebiet ausgewiesen oder fördert man lieber die Nachverdichtung im Innenbereich? Soll durch kostenlose Parkplätze der Handel angekurbelt werden oder durch Parkraumbewirtschaftung und eine Stärkung des ÖPNV der täglichen Blechlawine der Kampf angesagt werden? Wie stark soll das neue Stadtquartier funktional und sozial durchmischt sein? Überall sind Zielkonflikte vorprogrammiert und es liegt in der Natur der Sache, dass es bei der Wahl zwischen mehreren Möglichkeiten nicht nur Gewinner geben kann. Irgendjemand wird sich als Verlierer fühlen.

Es hilft aber nichts, Entscheidungen müssen nun einmal getroffen werden und so stellt sich für jedes Gemeinderatsmitglied, für jeden Bürgermeister und jede Bürgermeisterin die Frage nach den Beurteilungsmaßstäben, an denen das eigene Handeln orientiert werden soll.

Auf der Suche nach solchen Leitprinzipien für die Stadtentwicklung steht derzeit die Klimaverträglichkeit ganz hoch im Kurs und so mancher Gemeinderat hat sich durch das Ausrufen eines so genannten Klimanotstandes dazu verpflichtet, künftige Entscheidungen vorrangig von deren Auswirkungen auf den CO2-Ausstoß abhängig zu machen. Aber auch soziale Erwägungen, die Förderung des Wirtschaftsstandortes, die Steigerung der Lebensqualität in der Stadt oder schlicht der Wunsch, den kommunalen Haushalt mit möglichst geringen Ausgaben zu belasten, können Ziele sein, an denen sich die verschiedenen Optionen messen lassen müssen.

Diese Bewertungsmaßstäbe haben sicherlich alle für sich ihre Berechtigung, als Dogmen gesetzt, sind Sie aber wenig hilfreich für die Entscheidungsfindung. Zum einen, weil eine solche Selbstbindung einer Betrachtung des Einzelfalls im Wege steht und eine Gewichtung unterschiedlicher Argumente verhindert. Wo Lebensqualität gegen Wirtschaftsförderung, soziale Fragen gegen den Klimaschutz ausgespielt werden, kann für eine Stadt nichts Gutes entstehen.

Zum anderen ist in den meisten Fällen auch gar nicht eindeutig zu beantworten, welche der möglichen Alternativen denn nun nach dem einen gewählten Bewertungsmaßstab überhaupt die richtige ist. Zu viele unabschätzbare Folgen löst jede Entscheidung auch im kommunalen Bereich aus, zu komplex sind häufig die Zusammenhänge. Beispiel Klimaverträglichkeit: Es ist für eine Verwaltung schlicht unmöglich, seriös zu beurteilen, ob die neue Umgehungsstraße das Verkehrsaufkommen erhöht und damit das Klima schädigt, oder ob durch den dann flüssiger fließenden Verkehr die Emissionen von Treibhausgasen nicht sogar sinken. Und ist ein neues Baugebiet aufgrund des damit verbundenen Flächenverbrauchs ökologisch vertretbar, wenn dadurch die Zahl der Berufspendler dauerhaft reduziert wird?

Wenn wir uns also auf die Suche nach den richtigen Lösungen für anstehende Fragen in unseren Kommunen machen, dann werden wir sicherlich nicht den einen Beurteilungsmaßstab finden, den wir an die verschiedenen Alternativen anlegen und dann einfach ablesen können, wie wir zu wählen haben. Das würde im Übrigen auch der Rolle kommunalpolitischer Entscheidungsträgerinnen und -träger in keiner Weise gerecht.

Unsere Entscheidungen müssen wir jedes Mal aufs Neue treffen, in ­einem demokratischen Aushandlungsprozess und unter Abwägung aller Argumente, ohne dabei einen einzelnen Bewertungsmaßstab absolut zu setzen. Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben wir immerhin einen klaren Kompass, an dem wir uns orientieren können: unsere Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität für alle – auch für künftige Generationen. Die passenden Lösungen zu finden, bleibt dennoch komplex – aber das sind die Zusammenhänge der Entscheidungen eben auch. Die Suche nach der Stadt Bestem nimmt für die Kommunalpolitik also kein Ende.