Blog Aus den Bundesländern

Umgang mit Drohungen: „Niemand sollte mit solchen Erfahrungen alleine sein”

Hannelore Hunter-Rossmann19. August 2021
Vanessa Gattung
Seitdem im Herbst 2020 bekannt wurde, dass Vanessa Gattung als Bürgermeisterin in Papenburg kandidiert, sieht sie sich in den sozialen Netzwerken immer wieder mit Hass und Hetze konfrontiert. Später erhielt sie sogar persönliche Briefe. Im Interview erzählt sie, was ihr geholfen hat damit umzugehen.

Vanessa Gattung ist 31 Jahre alt, Gerontologin, war von 2017 bis 2019 Projektkoordinatorin „Interkulturelle Pflegelotsen“ im Gesundheitsdienst für den Landkreis und die Stadt Osnabrück, danach Transfermanagerin Gesundheit & Digitalisierung an der Uni Osnabrück & Hochschule Osnabrück. Des Weiteren ist sie freie Dozentin in Vechta & Bremen. Im Herbst 2020 erklärte sie ihre Kandidatur für die Bürgermeisterwahl in Papenburg.

Vanessa, du bist bald nach der Bekanntmachung deiner ­Bürgermeisterinnenkandidatur in Papenburg mit Hass, Hetze und ernstzunehmenden Bedrohungen konfrontiert worden. Was hat das in dir ausgelöst? Kannst du dir erklären, warum man dich so massiv bedroht hat?

Der erste Drohbrief traf mich eiskalt. Niemals hätte ich damit gerechnet einen Brief zu erhalten, in dem mir der Tod gewünscht wird. In den sozialen Medien hatte ich bereits Erfahrungen mit Hass und Hetze gemacht. Dort waren es aber immer schnell daher geschriebene, mal mehr, mal weniger plumpe Beleidigungen. Eben Dinge, die man in der heutigen Zeit leider viel zu häufig lesen muss. Jetzt hingegen hat sich jemand hingesetzt, einen Brief geschrieben, eine Briefmarke gekauft und ihn abgeschickt. Ich konnte mir absolut nicht erklären, warum ausgerechnet mir jemand so einen Brief geschickt hat. Zumal ich bisher ausschließlich ehrenamtlich aktiv bin.

Umgehend habe ich den Brief zur Polizei gebracht. Um dem Vorfall allerdings nicht mehr Aufmerksamkeit als nötig zu schenken, erzählte ich zunächst niemandem sonst etwas davon. Erst nach und nach, als ich merkte, dass ich nicht mehr so kritikfähig war und die ersten Zweifel an meiner Kandidatur kamen, vertraute ich mich einigen Genoss*innen an. Rückblickend weiß ich, das hätte ich viel früher tun sollen, da ich dadurch nicht mehr allein mit dieser Situation war.

Im April hast du die Bedrohungen öffentlich gemacht. Wie haben die Bürger*innen in Papenburg reagiert? War die Entscheidung, das Ganze öffentlich zu machen, im Nachhinein richtig?

Die Entscheidung, offen über die Bedrohungen auch in der Öffentlichkeit zu sprechen, war definitiv die richtige. Zu sehen, wie viele Menschen sich in dieser Situation solidarisch zeigen – nicht nur mit mir, sondern mit all den von Hass und Hetze Betroffenen – gab und gibt unglaublich viel Kraft.

Was rätst du aus deinen Erfahrungen heraus anderen Kommunalpolitiker*innen, die auch von Hass, Hetze und Bedrohungen betroffen sind?

Darüber zu reden! Niemand sollte mit solchen Erfahrungen alleine sein. Denn Menschen, die Hass- und Hetzbotschaften verschicken, versuchen so, unser demokratisches System anzugreifen. Sie versuchen immer wieder, (ehrenamtliche) Politiker*innen einzuschüchtern und sie zum Aufgeben zu bringen. Dies dürfen wir nicht zulassen!

Wenn Betroffene offen über solche Erfahrungen sprechen, hilft das zum einen ihnen selbst. Gleichzeitig wird aber auch das Umfeld für dieses Thema sensibilisiert und hilft anderen dabei, ebenfalls laut gegen Hass und Hetze zu werden.

Darüber hinaus sollte jede Beleidigung oder sogar (Mord-)Drohung natürlich zur Anzeige gebracht werden. Vor allem Nachrichten, die über das Internet verschickt werden, können meist gut nachverfolgt werden.

 

Das Interview wurde zuerst im Landes-SGK EXTRA Niedersachsen der DEMO veröffentlicht und erscheint hier mit freundlicher Genehmigung der SGK Niedersachsen.