Blog Aus den Bundesländern

Vehemente Kritik am Starke-Heimat-Gesetz

Michael Siebel16. Oktober 2019
Erste Tagung des Arbeitskreises Kommunalpolitik in Alsfeld
Mit dem „Starke-Heimat-Gesetz” sollen viele Millionen in die hessischen Kommunen fließen. SPD-Politiker aber sprechen von einem Skandal. Denn das Land bediene sich der Mittel, die den Kommunen ohnehin zustehen, und greife in die kommunale Selbstverwaltung ein.

„Auf die Idee, einen rein administrativen Gesetzentwurf zur Regelung von Finanzströmen zwischen Land und Kommunen zum ‚Heimatprogramm‘ zu erheben, muss man erst einmal kommen“, sagte die SGK-Vorsitzende Kirsten Fründt zu Beginn des AK Kommunalpolitik der SGK Hessen, der am 30. August erstmals stattfand. Zentraler Punkt der Konferenz war das sogenannte „Starke-Heimat-Gesetz“ der Hessischen Landesregierung.

Die Fakten

  • Städte und Gemeinden müssen von ihren Einnahmen aus der Gewerbesteuer eine Gewerbesteuerumlage abführen, die sich bis einschließlich 2019 auf 64 Prozent beläuft.
  • Darin enthalten war bisher ein sogenannter Bundesvervielfältiger von 29 Prozentpunkten, den die westdeutschen Kommunen zum Länderfinanzausgleich seit der Wiedervereinigung besteuern mussten.
  • Diese Regelung im Gemeindefinanzreformgesetz des Bundes läuft zum 31.12.2019 aus, sodass sich die zu zahlende Gewerbesteuerumlage auf 35 Prozent reduzieren müsste.
  • Für das Jahr 2020 ist prognostiziert, dass Hessens Städte und Gemeinden über rund 400 Millionen Euro verfügen sollten.
  • Finanzminister Schäfer will nun für alle hessischen Städte und Gemeinden eine sogenannte „Anschlussregelung“ schaffen.
  • Der eigentlich wegfallende Umlageanteil von 29 Prozent wird mit drei Vierteln, nämlich 21,75 Prozent, als neue Heimatumlage mit einem erwarteten Aufkommen von 300 Millionen Euro erhoben und somit fortgeführt.
  • Ein Viertel, also 100 Millionen Euro, soll in den Kassen der Städte und Gemeinden bleiben.
  • Mit der Heimatumlage soll das ­Programm „Starke Heimat Hessen“ finanziert werden.
  • Zwei Drittel der Heimatumlage, ­also 200 Millionen Euro, sollen vom Land für kommunale Einzelmaßnahmen in den Bereichen Kinderbetreuung, Krankenhausinvestitionen, Verwaltungskräfte im Schulbereich, ÖPNV und Digitalisierung verteilt und verwendet werden.
  • Ein Drittel der Heimatumlage, also 100 Millionen Euro, soll zur Aufstockung des KFA genommen werden.

Eingriff in kommunale Selbstverwaltung

Das Vorhaben der hessischen Koali­tionäre sei ein in Deutschland einmaliger Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung. Der Grund: Das Geld, das das Land den Kommunen über die neue Heimatumlage wegnimmt und für Aufgaben umverteilt, müsste das Land eigentlich selbst aufbringen. Jürgen Dieter vom Hessischen Städtetag führte aus, dass:

  1. unnötige und zusätzliche Bürokratie aufgebaut wird,
  2. die Aktion ein erneuter Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung sei und
  3. das Land mit Mitteln, die den Kommunen zustehen, Dinge finanziert, die aus originären Landesmitteln finanziert werden müssten.

Dazu gehört der Ausbau der Digitalisierung, der Ausbau des ÖPNV, die Finanzierung von Schulen und die Krankenhausfinanzierung. All das seien gravierende Einschnitte in ein etabliertes und an sich funktionierendes Finanzausgleichssystem. Wer das tut, müsse wichtige Gründe für sein Handeln aufweisen können.

Faeser spricht von „Skandal”

Nancy Faeser führte aus, dass die Gewerbesteuerumlage grundsätzlich eine Solidaritätsumlage war. Das Land gibt sie nicht an die Kommunen zurück, sondern finanziert damit seine eigenen Aufgaben, wie beispielsweise die Finanzierung von Verwaltungskräften an Schulen. Das Gleiche gelte für die Krankenhausfinanzierung. „Mir wäre wichtig, dass es uns gelingt, das jetzt auch so kommunikativ runter zu brechen, dass den Menschen im Land klar wird, was für ein Skandal sich da gerade abspielt“, so Faeser. „In meinen Augen ist das der ganz klare Versuch des Landes, sich für die nächsten Jahre der eigenen finanziellen Notwendigkeiten zu entledigen“.

Prof. Dr. Jan Hilligardt vom Hessischen Landkreistag brachte es auf den Punkt: Auch wenn die Landkreise weniger heftig protestieren werden als Städte und Gemeinden, mit diesem Gesetz werden Wahlversprechen erfüllt und das zu Lasten der Kommunen.

 

Dieser Artikel wurde zuerst im Landes-SGK EXTRA Hessen der DEMO veröffentlicht und erscheint mit freundlicher Genehmigung der SGK Hessen.