Förderprogramme und Bürokratie

Verkommt der Föderalismus zum „Förderalismus“?

Frank John23. November 2017
Frank John, Bürgermeister der Gemeinde Kirkel
Weil Zuweisungen und Einnahmen oft nicht reichen, müssen Kommunen ihr Geld aus Fördertöpfen schöpfen. Es gibt Förderprogramme für alle Lebenslagen. Doch in diesem komplizierten Geflecht kann man sich schnell verheddern, meint Kirkels Bürgermeister Frank John.

Im Rahmen meiner Artikel in loser Folge möchte ich heute das Thema Förderprogramme und ihre Auswirkungen auf die Kommunen betrachten. Am Beispiel Kirkels will ich einige Punkte aufzeigen, die vor allem für die kleinen Gemeinden problematisch sind und vielleicht auch ­einige Denkanstöße zur Verbesserung geben.

Steueraufkommen reicht nicht

Nach Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes muss den Gemeinden jederzeit das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Diese Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung, sprich die Finanzierung über eigene Steuern. Da das Steueraufkommen bei den Kommunen immer weniger zur Erfüllung aller gewünschten und auch gesetzmäßig vorgeschriebenen Aufgaben reicht, bleiben viele dieser Aufgaben auf der Strecke oder werden nur unzureichend gelöst.

Diese ausreichende finanzielle Ausstattung wäre eigentlich im Bereich des Föderalismus zu lösen, indem man von Bundes- oder Landesseite die finanziellen Mittel den Kommunen zur Verfügung stellt. In den meisten Bereichen fehlen aber dem Bund die Durchwirkungsrechte auf die Kommunen, diese bleiben den Ländern vorbehalten. Deshalb behilft man sich oft mit Förderprogrammen, um gewünschte Ziele in den Kommunen zu erreichen. Hinzu kommen noch Programme der Länder und der Europäischen Union. Damit sehen sich die Kommunen einem Dschungel solcher Fördermöglichkeiten ausgesetzt. Und in diesem Dschungel hat sich schon mancher verheddert. Aber dazu sogleich mehr.

Kompliziertes Geflecht

Was einmal für wenige Felder der kommunalen Selbstverwaltung begonnen hat, wird heute flächendeckend eingesetzt: Förderprogramme für alle Lebenslagen. Man hat nur das Gefühl: Dort, wo man sie gerade bräuchte, gibt es keine. Hat man doch ein auf den ersten Blick passendes Programm gefunden, wird es schwierig. Man muss sich mit den Förderrichtlinien auseinandersetzen. Dazu benötigte man vor Ort eigentlich einen Experten, der den lieben langen Tag nichts anderes macht, als Förderprogramme zu suchen, sie einzuordnen und dann bei Passgenauigkeit anzufangen, die Bedingungen, sprich die Förderrichtlinien abzuarbeiten.

Vielleicht sollte man noch darauf hinweisen, dass man von Bund, Land, EU oder seit neuestem auch von privaten Fördermittelgebern immer mit den neuesten Programmen „zugeschmissen“ wird. Eigentlich sollte es genau andersherum laufen. Die Kommune hat ein Anliegen und fragt bei einem Fördermittellotsen (idealerweise beim Land angesiedelt) nach passenden Förderprogrammen mit einer hohen Förderquote nach.

Problemfeld Eigenanteil

Damit wären wir bei einem weiteren Knackpunkt: der Förderquote. Die liegt oftmals in einem Bereich von unter 50 Prozent und ist gerade bei notwendigen Investitionen nur ein Tropfen auf den heißen Stein, da viele Kommunen im Saarland den Eigenanteil gerade nicht mehr aufbringen können. Ausnahmen sind kleine Förderprogramme im Umweltbereich, wie z.B. das Programm „Dem Saarland blüht was“. Für notwendige Investitionen im Bereich Infrastruktur, z.B. der Ausbau der freiwilligen Ganztagsschulen, stehen nur Programme mit geringen Förderquoten zur Verfügung.

Durch die kommunale Schuldenbremse ist die Gemeinde Kirkel hier sehr eingeschränkt und darf die fehlenden Eigenmittel über Kredite nicht aufnehmen, was einen Ausbau von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Deshalb werden auch Mittel aus Programmen nicht oder nur zu geringen Teilen von den Kommunen abgerufen, weil der Fördermittelgeber seine Programme auch nicht auf die Bedürfnisse hier vor allem der kleineren Kommunen abstimmt.

Ein erster guter Schritt sind hier Programme wie das Kommunal­investitionsfördergesetz mit hohen Förderquoten und hoher Betroffenheit der Kommunen. Leider können nicht alle Städte und Gemeinden im Saarland davon profitieren (die Gemeinde Kirkel gehört leider zu letzteren).

Hoher Verwaltungsaufwand

Hat man ein passendes Förderprogramm gefunden, geht es an die Umsetzung. Dies bedeutet oft einen riesigen Arbeitsaufwand für die Verwaltungen, den vor allem die kleinen Kommunen für mehrere Programme parallel nicht schultern können. Auch hier ist dann Konzentration auf wenige Schwerpunkte vonnöten. Diese richten sich dann nach Dringlichkeit und Wichtigkeit der Maßnahme und auch nach der Förderquote, Programme mit geringen Quoten bleiben dann auf der Strecke.

Die Gemeinde Kirkel richtet ihr ­Augenmerk auf die Städtebauförderung. Mit Hilfe dieser Fördermittel können dann in den drei Ortsteilen größere Investitionen verwirklicht werden, wie z. B. die Neugestaltung des Marktplatzes in Kirkel-Neuhäusel. Hier können die Förderquoten durch weitere Programme wie z.B. EFRE weiter aufgestockt werden. Allerdings ist hiermit ein riesiger Koordinationsaufwand verbunden, der nur mit Hilfe Externer bewältigt werden kann. Hier hat sich ein großer Markt für Beratungsunternehmen gebildet, der gut von der Koordination von Förderprogrammen leben kann. Ob das der Sinn der Sache ist?

Geld gibt es für den Bau, nicht für den Erhalt

Zum Schluss möchte ich noch auf einen Aspekt eingehen. Viele Förderprogramme beinhalten den Bau neuer oder den Ausbau bestehender Infrastruktur. Das ist zunächst einmal nicht zu beanstanden. Leider muss diese Infrastruktur auch in den Folgejahren unterhalten werden, damit werden die Kommunen alleine gelassen, hier müsste vor allem den kleineren Kommunen in den strukturschwachen Gebieten mehr geholfen werden. Dies gilt auch für Projekte mit einer zeitlich begrenzten Förderung für einige Jahre. Ist das Projekt einmal etabliert, zieht sich der Ideengeber dann zurück und die weitere Finanzierung bleibt an der Kommune oder dem Kreis (bei sozialen Projekten) hängen.

Als Beispiel in der Gemeinde Kirkel wäre hier das bilinguale Kinder­gartenprojekt zu nennen, ein Erfolgsmodell, in dem die Kinder bereits in jungen Jahren zweisprachig deutsch und französisch erzogen werden. Das Land hat das Projekt angestoßen und sich nach wenigen Jahren aus der Finanzierung zurückgezogen. Die Gemeinde Kirkel muss nun die 70.000 Euro pro Jahr selbst aufbringen, was als freiwillige Aufgabe gewertet wird. Anfragen zur Förderung im Rahmen der Frankreichstrategie haben bisher zu keinen Reaktionen geführt.

Weniger wäre mehr

Zusammenfassend lässt sich festhalten. Weniger Förderprogramme, die am Bedarf der Kommunen und Kreise orientiert sind, sind mehr. Diese würden auch genutzt und niemand bräuchte sich mehr über den Verfall von Fördermitteln zu beklagen.

Einfachere Förderrichtlinien würden ein weiteres zur Akzeptanz von Förderprogrammen beitragen, die Kommunen könnten die Arbeiten wieder selbst erledigen. Und vor allem wäre es notwendig, einen Förderlotsen, gerne eine ganze Abteilung, idealerweise beim Land einzurichten, denn nur so können ziel- und passgenaue Förderprogramme gefunden werden, die auch die bestehenden Probleme in den Kommunen lösen helfen.

 

Dieser Beitrag ist zuerst im „Landes-SGK EXTRA Saarland” der DEMO erschienen und wird hier mit freundlicher Genehmigung der Saar-SGK veröffentlicht.