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Wie die VG Zell den Ausbau von Sonnen- und Windenergie vorantreibt

Wolfgang Kröhler20. September 2021
Karl-Heinz Simon, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Zell/Mosel
Die Verbandsgemeinde Zell hat einen Solidarpakt für Sonnen- und Windenergie geschlossen. Die Ortsgemeinden geben einen Teil ihrer Pachterlöse ab, im Gegenzug sinkt die VG-Umlage. Interview mit VG-Bürgermeister Karl-Heinz Simon.

Spätestens nach der Flutkatastrophe Mitte Juli 2021 rückt der Klimawandel noch verstärkter als bisher in den Mittelpunkt der politischen Diskussionen. Die Forderung nach dem Ausbau von weiteren Windenergie- und Photovoltaikanlagen wird wieder lauter. In vielen rheinland-pfälzischen Gemeinden ist dieser Prozess bereits voll im Gange. In erster Linie generieren den Strom die Ortsgemeinden, die in ihren Gemarkungen solche Anlagen erstellt haben bzw. noch planen. Pachterlöse sind ein willkommenes Zubrot auf der Einnahmeseite der örtlichen Haushalte. Gemeinden, die hierzu keine Möglichkeiten haben, schauen in die Röhre. Die Konsequenz: Die Konkurrenz unter den Gemeinden ist groß, oft gehen neidvolle Blicke über die Gemarkungsgrenzen. In dieser Hinsicht geht man aber in der Verbandsgemeinde Zell/Mosel ganz neue Wege. Mit einem Solidarpakt aller 24 verbandsangehörigen Ortsgemeinden hat man ein Verteilungssystem gefunden, durch das alle Gemeinden profitieren – ob mit oder ohne Windkraft- und Photovoltaikanlagen. Wie es zu einem solchen Solidarpakt gekommen ist und wie er funktioniert, darüber führte die DEMO nachfolgendes Interview mit Verbandsbürgermeister Karl-Heinz Simon (SPD).

Wie kam es zur Idee, einen Solidarpakt für Freiflächen-Photovoltaik und Windkraft-Repowering in der VG Zell zu installieren?

Wir Kommunen stellen uns den klimapolitischen Zielen und wollen die von Bund und Land gesetzten Rahmenbedingungen mit Leben füllen. Hierzu gehört die Umstellung auf Erneuerbare Energien. Die Verbandsgemeinde und ihre Ortsgemeinden haben bereits Mitte der 2000er Jahre die ersten Flächen für Windenergieanlagen ausgewiesen. Aber wir wollten gerne noch aktiver in der Energiewende unterwegs sein. Die Möglichkeiten dazu sind in der Verbandsgemeinde Zell aber begrenzt – durch die Ausweisung als FFH-Schutzgebiet, die Einflugzone zum Flughafen Hahn, Vogelschutzgebiete und den Landschaftsschutz des Moseltals, der sich bis in den Hunsrück auswirkt.

Im Zuge der Planungen für weitere Windenergieanlagen in der Verbandsgemeinde Zell in den 2010er Jahren ist dann schon einmal versucht worden, einen solchen Solidarvertrag über unsere 24 Gemeinden zustande zu bringen. Dies ist damals leider nicht gelungen und es hat sich auch gezeigt, dass die Konkurrenz­situation unserer Ortsgemeinden untereinander für die Planungen insgesamt nicht zuträglich war. Auch bei der aktuellen Überlegung, größere Freiflächen-Photovoltaikanlagen zu errichten, war von vornherein klar, dass nicht alle Ortsgemeinden über geeignete Flächen verfügen und auch sicherlich nicht alle Flächen, mit denen wir ins Verfahren gehen, am Ende auch erfolgreich überplant werden können. Wir wollen aber, dass alle partizipieren. Es ist daher nach einer Lösung gesucht worden, die ­einerseits eine gemeinsame, aufeinander abgestimmte integrierte Planung zum Inhalt hat, von der andererseits gleichzeitig alle Orts­gemeinden profitieren.

Es war bestimmt nicht ganz ­einfach, die 24 Ortsgemeinden aus der VG Zell/Mosel von der Idee zu überzeugen. Wie haben Sie das geschafft?

Das ist richtig. Es waren viele Gespräche erforderlich und sehr viel Überzeugungsarbeit zu leisten.

Jeder kennt die Finanzlage der Ortsgemeinden und weiß, wie wenig von den Steuereinnahmen nach Abzug von Verbandsgemeinde- und Kreisumlage vor Ort für die Finanzierung der örtlichen Aufgaben verbleibt. Von daher sind Einnahmen aus Erneuerbaren Energien, die grundsätzlich ja zu 100 Prozent bei der Ortsgemeinde verbleiben, für diese sehr wichtig. Hier muss jede Ortsgemeinde zuerst einmal auch an sich denken. Dies ist verständlich und nachvollziehbar. Wir haben jeden Gemeinderat besucht und offen diskutiert. Denn natürlich wird es am Ende Gemeinden geben mit geeigneten Flächen und andere ohne. Wenn wir Konkurrenz zwischen den Gemeinden vermeiden, profitieren am Ende alle Bürgerinnen und Bürger.

Ganz wichtig ist dabei, die Diskussionen fachlich fundiert und offen zu führen. Mit einer Machbarkeitsstudie haben wir als Verbandsgemeinde die am besten geeigneten Flächen ermitteln lassen, auch um nicht jedem Flächenangebot nachzugehen. Insgesamt stieß dies auf große Zustimmung. Außerdem zeigte sich, dass die fachliche Begleitung auch der richtige Weg ist für das anstehende Genehmigungsverfahren; fachlich fundiert begründete Anträge sind erfolgversprechender als alles andere.

Aufgrund der Erkenntnisse aus früheren Planungsvorhaben im Bereich Erneuerbarer Energien war für jede unserer Gemeinden klar, dass eine Planungsabsicht für eine Freiflächenanlage kein Selbstläufer ist und keinen Automatismus für die Genehmigung beinhaltet. Die Sicherheit, über ­einen Solidarvertrag auf jeden Fall von solchen Anlagen in der Verbands­gemeinde mit zu profitieren, war vor diesem Hintergrund ein erstes gutes Argument in den Gemeinderäten. Zunächst gab es die Idee, die in der Gemeinde generierte Pachteinnahme teilweise an die Nachbargemeinden abzugeben. Das war schwer zu vermitteln. Da kam die Idee auf: Wenn alle mitmachen, geben wir doch die Erlöse an die Verbandsgemeinde. Darin sind wir 24 Ortsgemeinden ­allesamt integriert und die geringere VG-Umlage nützt uns allen. Nach ­anfänglich durchaus kontroversen Diskussionen kam das sehr gut an.

Es ist so, dass die Verbandsgemeinde Zell derzeit mehrere notwendige und allseits gewollte Großprojekte wie den Neubau des Verwaltungsgebäudes oder die Generalsanierung des Erlebnisbades „vor der Brust“ und finanziell in den kommenden Jahren zu stemmen hat. Dies wird, was bei der Entscheidung über diese Projekte jedem bewusst war, auch die Umlagehöhe beeinflussen. Der Solidarpakt wird daher auch die Umlagehöhe stabilisieren, wovon wiederum alle 24 Gemeinden profitieren werden.

Mit der transparenten Vorgehensweise und der fachlichen Qualität der Potenzialflächen-Analyse konnten wir die Interessen der Gemeinden bei der Verbandsgemeinde bündeln und uns gegenüber den Projektierern eine bessere Verhandlungsposition verschaffen, als wenn jede Ortsgemeinde für sich ihre Interessen vertreten hätte. Es konnte dann auch eine spürbare Erhöhung der Pachtangebote erreicht werden. Auch für die Anbindung von künftigen Anlagen über mehrere Gemarkungen hinweg an das Stromnetz war das Zusammenwirken in einem gemeinsamen Planungsprozess hilfreich. Dies haben auch die Projektierer so gesehen und die Vorgehensweise unterstützt.

Wie funktioniert der Solidar­pakt, wie profitieren die ­Gemeinden von diesem ­gemeinsamen Vorhaben und wie hat sich dies auf die ­künftige Zusammenarbeit der Ortsgemeinden ausgewirkt?

Von den Pachterlösen, welche die Vertragspartner an die Ortsgemeinde für die vertraglich zugesicherten Flächen zahlen, führen die Ortsgemeinden 30 Prozent an die Verbandsgemeinde ab. Wir reden hier allerdings nur über künftige Anlagen, nicht über Bestandsanlagen. Zu den Pachterlösen zählen ab diesem Jahr schon vor der Realisierung von Anlagen sogenannte Reservierungsentgelte.

Dies hat für die Verbandsgemeinde Zell aus dem Solidarvertrag in 2021 Erlöse von rund 232.000 Euro gebracht. Aufgrund dieser jetzt erstmalig angefallenen Erträge wurde im Haushalt 2021 die Verbandsgemeinde-Umlage von im Vorjahr 32,0 auf jetzt 30,5 Punkte abgesenkt. Dies bedeutet eine Reduzierung des ­Umlageaufkommens von etwa 250.000 Euro. Hiervon profitieren alle 24 Ortsgemeinden.

Neben den Pachteinnahmen für die künftigen Photovoltaik-Freiflächenanlagen werden im Zuge des in ­einigen Jahren anstehenden Repowerings der in der Verbandsgemeinde Zell vorhandenen Windenergieanlagen auch die dort anfallenden Pachterlöse zum gleichen Prozentsatz in den Solidarfonds fließen. Das Ergebnis, dass alle 24 Gemeinden mit­gezogen haben, hat das ­Vertrauen untereinander gestärkt und das Gefühl, dass man gemeinsam bei der Erzeugung von Erneuerbaren ­Energien an einem Strang zieht.
 
Nach der schlimmen Flut­katastrophe, von der ja auch ihre VG betroffen war, rückt der Klimaschutz immer mehr in den Brennpunkt der ­politischen Arbeit. Können Sie sich in ­Anlehnung an den Solidarpakt ähnliche Vorgehensweisen bei anderen notwendigen Projekten für die Zukunft vorstellen?

Diese und andere Formen interkommunaler Zusammenarbeit sind für mich der gewiesene Weg und zwar auf allen Ebenen und in allen Bereichen. Vieles kann man nur gemeinsam stemmen! Dies gilt auch mit Blick auf weitere Klimaschutzprojekte, die vor uns liegen. Aktuell sind wir auch gemeinsam unterwegs, Starkregenschutzkonzepte für unsere Ortsgemeinden auf den Weg zu bringen. Wir sind zwar in den Moselgemeinden sehr erfahren im Umgang mit „üblichen“ Hochwasser-Ereignissen, aber Starkregen ist eine andere Herausforderung. Und auch da müssen wir über die einzelne Ortsgemeinde hinaus denken. Während das Juli-Hochwasser für die Moselgemeinden unserer Verbandsgemeinde ja glimpflich ausgegangen ist, blicken wir bestürzt auf die Bilder in den Katastrophengebieten in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Auch hier wird deutlich, dass solche Herausforderungen nur gemeinsam gestemmt werden können. Es bedarf der Solidarität nicht nur unter den Menschen, sondern auch bei den Kommunen untereinander.

Vor diesem Hintergrund ein klares Ja!

 

Dieses Interview ist zuerst im Landes-SGK EXTRA Rheinland-Pfalz der DEMO erschienen. Es wird hier mit freundlicher Genehmigung der SGK Rheinland-Pfalz veröffentlicht.