
In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli hat sich das Leben der Menschen in der Eifel und im Ahrtal dramatisch verändert. Die gewaltigen Sturzfluten haben sowohl die komplette Infrastruktur einer modernen Gesellschaft als auch gewachsene Traditionen von Jahrhunderten zerstört. Mehr als 130 Menschen sind gestorben, mehr als 760 Menschen wurden verletzt. Die materiellen Schäden in den Fluss- und Seitentälern von Sauer, Prüm, Nims, Kyll, Lieser und Ahr werden auf rund 20 Milliarden Euro geschätzt, von denen nur rund 5 Milliarden versichert waren. Rund 65.000 Menschen in unserem Land Rheinland-Pfalz sind betroffen, tausende sind noch immer traumatisiert von den nicht mit Worten zu greifenden Erlebnissen, die sie in der Flutnacht und bei der Bewältigung dieser Katastrophe bisher erleben und erleiden mussten. Die Landesregierung versichert, dass sie alle Betroffenen beim Wiederaufbau eng begleiten wird.
Soforthilfen bereitgestellt
Land und Bund haben umgehend nach der Katastrophe Gelder bereitgestellt, um den Betroffenen direkt und unbürokratisch zu helfen, die infolge der furchtbaren Flutnacht in eine akute, außergewöhnliche und existentielle Notlage geraten waren und einen materiellen Schaden von mehr als 5.000 Euro zu beklagen hatten, nachdem kurzfristig zur Verfügung stehende Versicherungsleistungen abgezogen waren. Zweck der Soforthilfe war ausschließlich, diese Notlage kurzfristig lindern zu helfen, sei es durch die Beschaffung von Lebensmitteln, Bekleidung oder andere, dringend benötigte Dinge des täglichen Bedarfs. Wenngleich im Ergebnis nicht alle zur Verfügung stehenden Mittel der Soforthilfe abgerufen wurden, konnten in Rheinland-Pfalz mehr als 133 Millionen Euro Soforthilfe an Kommunen, Unternehmen und private Haushalte gewährt werden. Davon wurden allein 85 Millionen an die betroffenen sieben Landkreise und die Stadt Trier ausgezahlt, 35 Millionen Euro wurden für Privathaushalte bereitgestellt.
Retten, bergen und aufräumen bestimmten die ersten Wochen bis in den September hinein. Vier Monate nach der Katastrophe ist Vieles aufgeräumt und die Schäden werden dabei immer deutlicher. Alleine im Landkreis Ahrweiler wurden bislang über 300.000 Tonnen Sperrmüll entsorgt. Dies entspricht einer Müllmenge wie sonst in 40 Jahren. Straßen wurden – mindestens provisorisch – wieder hergestellt und inzwischen 17 Behelfsbrücken durch das THW freigegeben, die zum Teil für mehrere Jahre genutzt werden können.
Die Telefon-, Strom- und Gasversorgungen sind in weiten Teilen wieder sichergestellt. Bereits nach wenigen Tagen konnten wenigstens die Mobilfunknetze wieder in Betrieb gehen, auch wenn die Festnetze noch weitere Wochen unterbrochen blieben. Der Wiederaufbau der Breitbandverbindungen wird ausschließlich mit Glasfaserleitungen erfolgen.
Rund 3.500 Hausanschlüsse im städtischen Gasnetz in Bad Neuenahr-Ahrweiler waren außer Betrieb, und wesentliche Gasleitungen waren nicht mehr zu retten: Mit Unterstützung der Hochschule Trier, des ADD-Verwaltungsstabes und vieler Versorgungsunternehmen aus ganz Deutschland werden die Häuser in Bad Neuenahr-Ahrweiler bis Ende November wieder versorgt sein.
In den kleineren Ortsgemeinden im Ahrtal – alle ohne Gasnetz – laufen die Vorbereitungen für die Sicherstellung der Winterversorgung auf Hochtouren. Beratung, Aufklärung und viele Hilfestellungen der Energieagentur Rheinland-Pfalz, der Handwerksunternehmen, von Schornsteinfegern und der Verbraucherberatung kümmern sich darum, damit im Ahrtal nach dem Winter die dauerhafte Energieversorgung hochwasserfest und klimaneutral werden kann und damit resiliente Strukturen geschaffen werden, die auch in anderen Regionen als Vorbild dienen können.
Bei der Elbe-Flut oder bei der Flüchtlingsankunft 21015/2016 zeigten tausende Helferinnen und Helfer die enorme Kraft des bürgerschaftlichen Engagements und des umfangreichen Helfernetzes. Im Sommer 2021 war „ganz Deutschland“ an der Ahr und in der Eifel: Die Hilfs- und Rettungsorganisationen, das THW und die Feuerwehren waren mit zehntausenden Helferinnen und Helfern rund um die Uhr im Einsatz. Die Bundeswehr unterstützte mit Soldatinnen und Soldaten und an manchen Orten mit schwerem Räumgerät.
Ergänzt wurden diese professionellen Strukturen von zehntausenden Spontanhelferinnen und -helfern. Die „Sozialen Medien“ ermöglichen heute spontane und in kurzer Zeit mobilisierbare Hilfen, die mit „helfenden Händen“ Aufgaben auch für private Haushalte übernahmen. Wir werden künftig dafür Sorge tragen, diese „ungebundenen Helferinnen und Helfer“ in unseren Bevölkerungs- und Katastrophenschutzplanungen zu berücksichtigen und beteiligen zu können.
Nach vier Monaten lässt sich folgendes Fazit ziehen: Vor allem die Betroffenen haben Unglaubliches geleistet. Auch dank vieler helfender Hände kamen die provisorischen Arbeiten und die Aufräumarbeiten gut voran.
Aufbaufonds und Spenden
Als Beauftragte der Landesregierung Rheinland-Pfalz für den Wiederaufbau befinde ich mich seit dieser verheerenden Flutkatastrophe regelmäßig in den von der Flut betroffenen Gebieten. Dabei habe ich mit vielen Betroffenen sehr persönliche Begegnungen erlebt. Als Landesregierung setzen wir uns gemeinsam mit dem Bund mit aller Kraft dafür ein, dass zumindest die materiellen Verluste der betroffenen Menschen verringert werden können, wohlwissend, dass in vielen Fällen der seelische und immaterielle Schaden ungleich höher ist.
Nach der Phase der Flut, des Aufräumens und der Notmaßnahmen hat nun eine neue Phase begonnen: Der Wiederaufbau. Die rechtlichen Rahmenbedingungen hierfür wurden im Eiltempo geschaffen: Ende September 2021 hat der Landtag Rheinland-Pfalz das Landes-Wiederaufbauerleichterungsgesetz verabschiedet. Mit Hilfe von Rechtsänderungen können beispielsweise Planungsverfahren in bestimmten Fällen ganz entfallen oder beschleunigt werden, um damit den Wiederaufbau zu erleichtern und nachhaltig zu gestalten.
Bund und Länder haben gemeinsam den Aufbauhilfefonds beschlossen und damit ein solidarisches Aufbaupaket in einer noch nie dagewesenen finanziellen Dimension geschnürt: 30 Milliarden Euro stehen für den Wiederaufbau zur Verfügung. Der Aufbauhilfefonds regelt die Finanzierung der Hilfen für Privathaushalte, Unternehmen und andere Einrichtungen sowie die Maßnahmen zum Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur in den geschädigten Regionen. Aus diesem Fonds wird Rheinland-Pfalz rund 15 Milliarden Euro erhalten.
In kürzester Zeit konnten die bundes- und landesrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden, um die zeitnahe Beantragung der Aufbauhilfen zu ermöglichen. Mit anderen Worten: Die finanziellen Mittel stehen bereit. Seit dem 27. September 2021 können die Anträge für alle Bereiche gestellt werden. Die ersten Gelder – vor allem zur Finanzierung von Hausratschäden – sind bei den Betroffenen bereits angekommen.
Als Landesregierung arbeiten wir mit aller Kraft am Wiederaufbau, um den Menschen vor Ort wieder eine lebenswerte Perspektive zu geben. Dazu bietet das Land Rheinland-Pfalz in Zusammenarbeit mit der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz und der Architektenkammer Rheinland-Pfalz in der inzwischen bewährten Struktur der Infopoints im Ahrtal persönliche Beratungsmöglichkeiten an, um die Betroffenen bei allen Fragestellungen rund um den Wiederaufbau bestmöglich zu beraten; sei es bei ihrer individuellen Antragstellung oder bei ganz spezifischen technischen Fragen. Begleitende Angebote wie die umfassenden Informationsangebote auf der Website www.wiederaufbau.rlp.de und die kostenfreie Telefon-Hotline des Landes (Telefonnummer 0800 – 222 0 22 0) komplementieren das Angebot seitens des Landes. Ziel ist es, möglichst zielgerichtet, pragmatisch und transparent Hilfestellung bei der Beantragung von Fördermitteln für den Wiederaufbau zu geben.
Die Wiederaufbauhilfe für private Haushalte soll bei Schäden an Wohngebäuden, die durch das Hochwasser verursacht worden sind, die Eigentümer finanziell dabei unterstützen, diese zu beseitigen und zerstörte oder beschädigte Bauteile zu erneuern. Auch Maßnahmen zur Neuerrichtung oder zum Erwerb von gleichartigen Wohngebäuden als Ersatz von zerstörten Wohngebäuden können unter bestimmten Voraussetzungen gefördert werden. Ersetzt werden im Regelfall bis zu 80 Prozent des festgestellten Schadens. Gefördert werden auch temporäre Maßnahmen, wie beispielsweise mobile Heizgeräte, oder die erforderlichen Gutachten, die Voraussetzung für die Antragstellung beim Wiederaufbau von Wohngebäuden sind.
Zeichen der Solidarität
Ebenso kann die Wiederaufbauhilfe der Reparatur oder Wiederbeschaffung von Hausrat dienen. Für den Ersatz des beschädigten Hausrats gelten grundsätzlich, sowohl für Ein-Personen- als auch für Mehr-Personen-Haushalte, gestaffelte Pauschalen, für die weder eine Bestätigung der Gemeinde noch ein Gutachten über die Schadenshöhe erforderlich ist. So können große Teile des Hausstandes ersetzt werden.
Ergänzt werden diese öffentlichen Gelder mit Spenden von bisher mehr als 250 Millionen Euro. Die schon längst nicht mehr zu beziffernde Zahl der Spenderinnen und Spender und die Wege der Spenden sind ein zutiefst beeindruckendes Zeichen dafür, dass Solidarität und Hilfsbereitschaft nach wie vor zu den Grundpfeilern unserer demokratischen Gesellschaft gehören: Unternehmen spenden an Unternehmen in der Katastrophenregion, Wohlfahrtsorganisationen verteilen Spenden und nutzen Spendengelder, um Beratung und Betreuung zu organisieren. Vereine, Privatpersonen, Schulklassen sammeln und überweisen Gelder.
Die materiellen Hilfen, Beratungen und Spenden werden helfen, um wieder Heimat zu ermöglichen. Diese Heimat muss sicher werden: nachhaltig und resilient gegen den Klimawandel und daraus erwachsende Naturkatastrophen, sei es im Hochwasserschutz, der Gewässerpflege, bei der Siedlungsplanung oder beim hochwasserangepassten Bauen.
Der Wiederaufbau muss sich den heutigen Gegebenheiten stellen. Das bedeutet bei aller Notwendigkeit eines zügigen Wiederaufbaus, dass wir uns zugleich in dem Spannungsfeld bewegen, für Veränderungsnotwendigkeiten zu werben und die Menschen hiervon zu überzeugen. Die Landesregierung wird die Kommunen auf diesem Weg begleiten. Alles mit dem Ziel, dass diejenigen, die dies möchten, wo es möglich und sicher ist, wieder in ihrer Heimat leben können und ihre Lebensqualität zurückerlangen.
Die Landesregierung steht den betroffenen Kommunen und den Menschen zur Seite, damit der Wiederaufbau dauerhaft und sicher Heimat geben kann.
Dieser Test ist zuerst im Landes-SGK EXTRA Rheinland-Pfalz der DEMO erschienen und wird hier mit freundlicher Genehmigung der SGK Rheinland-Pfalz veröffentlicht.
Kommentar hinzufügen