Soziales

Was Tafeln in Deutschland leisten – und ihre Grenzen

Karin Billanitsch28. September 2016
Sortieren von Tafel-Spenden in Berlin.
Immer mehr Menschen essen bei einer der rund 900 Tafeln in Deutschland – darunter auch viele Flüchtlinge. Zugleich sind die Spenden an Lebensmitteln weniger stark gestiegen – jeder Einzelne bekommt etwas weniger. Wie die Tafeln mit der Situation umgehen, damit Neiddebatten gar nicht erst entstehen.

Immer mehr Menschen essen bei einer der rund 900 Tafeln in Deutschland – darunter sind auch viele Flüchtlinge. Insgesamt versorgen die Anbieter 280.000 Flüchtlinge zusätzlich, wie eine Umfrage des Bundesverbands  Deutscher Tafeln ergab. Die Warenspenden sind im vergangenen Jahr um etwa 10 Prozent gestiegen. Weil der Anstieg nicht mit den Steigerungsraten der Zahl der Tafel-Kunden mithalten kann, bekommt der Einzelne mittlerweile weniger Lebensmittel.

Tafeln als „zentraler Motor der Integration“

„Trotz angestiegener Spendenmenge bekommt jeder Einzelne im Durchschnitt etwas weniger Lebensmittel“, bestätigt der Bundesvorsitzende der Tafeln, Jochen Brühl. „Dennoch hat sich die vormals zum Teil angespannte Situation bei den Tafeln weiter entspannt. Die Menschen kommen zu uns, um Lebensmittel zu erhalten und Kontakte zu knüpfen. Tafeln sind zu einem zentralen Motor der Integration geworden.“ Viele Flüchtlinge kämen, weil die Versorgung in den Gemeinschaftsunterkünften nicht gut sei.

Viele Anfangsschwierigkeiten konnten mittlerweile behoben werden, erzählt Brühl. Vor allem Sprach- und Verständigungsprobleme machten den Tafeln vor Ort zu schaffen. So hätten viele Flüchtlinge am Anfang nicht verstanden, dass die Leistungen der Tafeln freiwillig seien, und kein Anspruch darauf bestehe. Durch den Einsatz von Dolmetschern oder mehrsprachigem Informationsmaterial konnte Abhilfe geschaffen werden, heißt es. Besonders die Einbindung von Flüchtlingen und Menschen mit Migrationshintergrund in die Tafel-Arbeit ist für beide Seiten ein Gewinn. Mittlerweile helfen in 40 Prozent der Tafeln Flüchtlinge als Ehrenamtliche oder als Bundesfreiwillige mit. Tendenz steigend. Manche Tafeln, wie etwa die Tafel Bochum-Wattenscheid, zu der 13.000 Kunden pro Woche kommen, beschränken sich längst nicht mehr auf die Lebensmittelausgabe, sondern beraten bei Behördengängen und bieten Sprachkurse an.

„Angebote der Tafeln nicht überstrapazieren“

Mit Sorge beobachtet der Bundesverband jedoch die Versuche von außen, „einen Keil zwischen die Ärmsten in diesem Land zu treiben“. Brühl warnt: „Verliert die Regierung die Ärmsten weiter aus ihrem Blickfeld, droht der gesellschaftliche Unfriede.“ Tafeln leisten niederschwellige Soforthilfe und fördern die Integration. Jedoch zeigt Brühl auch die Grenzen der Arbeit der Ehrenamtlichen auf: „Unsere Angebote dürfen seitens der Politik jedoch nicht länger überstrapaziert werden.“

Fakten zu Tafeln in Deutschland

Mehr als 900 Tafeln in Form gemeinnütziger Vereine gibt in ganz Deutschland. Dort sind rund 60.000 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer beschäftigt.

Die Hälfte der Tafeln in Deutschland agiert nach Angaben des Bundesverbands als eingetragener Verein, die andere Hälfte befindet sich in Trägerschaft von Wohlfahrtsverbänden, kirchlichen Einrichtungen und Stiftungen.

Finanzen: Die Tafeln finanzieren sich grundsätzlich über Spenden.

Die Idee: Überschüssige, aber qualitativ einwandfreie Lebensmittel im Handel und bei Herstellern werden eingesammelt und umsonst oder für einen symbolischen Beitrag an sozial und wirtschaftlich benachteiligte Menschen ausgegeben.

Tafel-Nutzer: Woche pro Woche nutzen 1,8 Millionen Menschen, Bedürftige wie Arbeitslose und Alleinerziehende, Geringverdiener, kinderreiche Familien, Rentner oder Zugewanderte, das Angebot der Tafeln. Ein Drittel davon sind Kinder und Jugendliche.

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