Geschäfte-Sterben

Handelsverband fordert Innenstadt-Gipfel

Carl-Friedrich Höck23. April 2024
Leerstand in Tessin: Nach Angaben des HDE schließen jedes Jahr tausende Geschäfte.
Weil tausende Läden schließen, warnt der Handelsverband Deutschland vor Geisterstädten. Die Politik solle mit einem Innenstadt-Gipfel, Förderung und einer neuen Akademie gegensteuern. Kommunalverbände unterstützen das teilweise.

Der Handelsverband Deutschland (HDE) warnt vor eine Abwärtsspirale in vielen Stadtzentren als Folge von Leerständen. „In diesem Jahr werden wahrscheinlich 5.000 Geschäfte für immer ihre Türen schließen“, erklärte HDE-Präsident Alexander von Preen anlässlich eines Handelsimmobilienkongresses in Berlin. Im vergangenen Jahr hätten sogar 9.000 Geschäfte zugemacht.

„Wenn der Einzelhandel geht, stürzen ganze Innenstädte“, meint von Preen. Der Hauptgrund für den Besuch der Stadtzentren sei nach wie vor der Einkauf. Wenn die Menschen keinen Anlass für einen Innenstadtbesuch mehr hätten, drohten Geisterstädte.

Handel schlägt Akademie, Gipfel und Gründungsoffensive vor

Der HDE fordert die Politik deshalb zu Gegenmaßnahmen auf. Der Verband sieht einen besseren Abstimmungsbedarf unter den Innenstadtakteur*innen. Deshalb regt er eine Innenstadt-Akademie an. Vorbild soll die jüngst gegründete Kleinstadt-Akademie sein. „Dabei geht es vor allem um die Vernetzung der Städte, einen effizienteren Wissenstransfer und das Aufzeigen von erfolgreichen Initiativen im Bundesgebiet“, heißt es in einer Mitteilung des Handelsverbandes.

Zweitens plädiert von Preen für einen jährlich stattfindenden Innenstadtgipfel. „Die Kernzuständigkeiten für das Thema Innenstadt liegen klar im Bundesbauministerium. Es gibt aber zudem Bereiche, in denen das Bundeswirtschaftsministerium oder das Bundesverkehrsministerium tätig sind. Damit man hier nicht aneinander vorbei arbeitet, muss dringend eine bessere Abstimmung her“, sagte der HDE-Präsident.

Außerdem schlägt der Verband eine Gründungsoffensive vor: Wer ein Geschäft in der Innenstadt eröffnet, soll für maximal 60 Monate Zuschüsse bekommen. „Gefördert werden sollten beispielsweise die Geschäftseinrichtung, die Datenverarbeitung inklusive des Kassensystems und eines digitalen Warenwirtschaftssystems sowie Marketingmaßnahmen“, führt der HDE dazu aus. Ein weiterer HDE-Vorschlag sind Ansiedlungsmanager*innen. Diese könnten Leerstände erfassen, Nachmieter*innen vermitteln oder Austauschformate mit potenziellen Mieter*innen organisieren, heißt es vonseiten des Verbandes.

Kommunen unterstützen Akademie-Idee

Bei den kommunalen Spitzenverbänden stoßen die Forderungen teilweise auf Zuspruch. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages Helmut Dedy sagte der DEMO: „Für neue und gemeinsame Ideen müssen viele Akteure zusammenarbeiten: Eigentümer, Unternehmen, Gastronomie, Kunst- und Kulturszene und Vereine. Es ist wichtig, dauerhaft miteinander im Gespräch zu bleiben. Ein Innenstadtgipfel kann ein gutes Format dafür sein.“

In den Städten gebe es vielfältige Kompetenzen zur Innenstadtentwicklung, merkte Dedy an. Das gelte etwa für das Citymanagement. Voneinander lernen und abgucken sei erwünscht. Einen Innenstadt-Akademie könne zum Austausch beitragen. Die Leerstände müssten strategisch angegangen werden. „Eine Gründungsoffensive ist hilfreich“, kommentierte Dedy. Dabei sollten aber die kommunalen Wirtschaftsförderungen vor Ort direkt miteinbezogen werden.

Bernd Düsterdiek, Beigeordneter beim Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB), unterstützt ebenfalls die Forderung nach einer Innenstadt-Akademie oder einer vergleichbaren Einrichtung. Dort könnten Kompetenzen und Know-how gebündelt werden, sagte der der DEMO. Ein neues Gipfel-Format hält er dagegen nicht für notwendig. Es gebe bereits einen Innenstadt-Beirat beim Bundesbauministerium. Dort seien auch weitere Ministerien, die Länder und innenstadtrelevante Akteur*innen vertreten. Wichtig sei, dass die Arbeit des Beirates verstetigt werden, erklärte Düsterdiek. Er warb zudem für einen Innenstadt-Fonds, mit dem die Kommunen unterstützt werden – etwa beim Zwischenerwerb und der Zwischennutzung von Leerstandsimmobilien.

SPD-Politiker*innen sprechen sich für Nutzungsmix aus

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) warb auf dem Handelsimmobilien-Kongress in Berlin für einer erweiterte Betrachtung des Themas. „Monokulturen sind anfällig für Krisen.“ Das gelte nicht nur für Fichten im Harz, sondern auch für Innenstädte. Vielfältige Angebote und Nutzungsmöglichkeiten brächten Stabilität. Die Menschen wollten auch Wohnungen, Kindergärten, Schulen und andere Bildungsangebote in den Stadtzentren haben. „Natürlich bleiben die Städte Zentren des Einzelhandels“. Dieser profitiere von einem vielfältigen Umfeld.

Der kommunalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Bernhard Daldrup erklärte gegenüber der DEMO: „Wer Angst vor Geisterstädten hat, muss die Geister der Vergangenheit hinter sich lassen und innovative Lösungen für unsere Stadtzentren umsetzen.“ Die Insolvenz der Signa Holding sei ein Weckruf gewesen und zeige die Verwundbarkeit des stationären Einzelhandels. „Die SPD setzt sich daher für eine umfassende Strategie ein, die sowohl die Revitalisierung des Einzelhandels als auch die multifunktionelle Nutzung der Innenstädte fördert.“ Man müsse innovative Konzepte unterstützen, die nicht nur den Handel, sondern auch Wohnen, Kultur und soziale Projekte in den Innenstädten integrieren.

Die SPD wolle aber auch den Gründergeist und Innovation im Einzelhandel fördern, ergänzte Daldrup. „Mit spezifischen Zuschüssen und lokaler Ansiedlungsberatung wollen wir Unternehmer ermutigen, die Leerstände als Chancen für neue Geschäftsmodelle zu nutzen. Zugleich fordern wir, dass kommunale Vorkaufsrechte gestärkt werden, um spekulativen Leerstand zu verhindern und die Stadtentwicklung aktiv zu gestalten.“

Weitere Informationen:

Auf dem Portal unsere-stadtimpulse.de werden Best-Practise-Beispiele für die Innenstadtentwicklung gesammelt und vorgestellt. Die Internetseite wurde im Jahr 2021 gemeinsam vom HDE, dem Deutschen Städtetag, dem Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) sowie der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland (bcsd) und der CIMA Beratung + Management GmbH initiiert.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat im November 2023 ein Positionspapier „Zukunft der Innenstadt: von Krisenzone zum Identifikationsort“ beschlossen. Es steht hier als PDF zum Download zur Verfügung.

 

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