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Wohnungstausch als Chance

Dietrich Schwarz27. Dezember 2020
Dietrich Schwarz, Mitglied des Arbeitskreises Wohnungspolitik der SPD Hessen-Süd
Ein Wohnungstausch kann ein wirksamer Beitrag nicht nur zur Deckung des Wohnungsbedarfs älterer Menschen sein. Wie Kommunen dies unterstützen können und was dabei zu beachten ist, erklärt Dietrich Schwarz. Er ist Rechtsanwalt und Mitglied des Arbeitskreises Wohnungspolitik der SPD Hessen-Süd.

Viele Menschen im fortgeschrittenen Alter haben den Wunsch nach Veränderung in eine kleinere Wohnung. Insbesondere dann, wenn sie in ihrer alten großen Mietwohnung oder in ihrem Einfamilienhaus inzwischen allein leben und ihnen die Unterhaltung ihrer Wohnung zunehmend schwerfällt, weil z.B. das Wohnhaus nicht barrierefrei ausgestattet ist. Gleichzeitig suchen viele Familien größeren Wohnraum in der Stadt.

Warum sollten Kommunen und Wohnungsgesellschaften also nicht diesen unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden und ältere Menschen beim „Wohnungstausch“ unterstützen?

Verschiedene Studien zeigen, dass der durchschnittliche Wohnflächenkonsum pro Person im Alter stark zunimmt, während er in den Großstädten und Ballungsgebieten wegen der Wohnungsknappheit und steigenden Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum für die Gesamtbevölkerung wieder sinkt. Wertvolle Wohnfläche, die alte Menschen nicht mehr benötigen, auf die junge Familien aber angewiesen wären, gehen auf diese Weise verloren.

Beispiel Wiesbaden

Aber wie hoch ist das Potential von Flächenreserven, die durch Wohnungstausch aktiviert werden könnten, wirklich? Eine Auswertung der verfügbaren demografischen Daten für die Stadt Wiesbaden ergibt, dass dort etwa 1.200 Wohnungen oder ungefähr 100.000 qm Wohnfläche frei würden, wenn sich nur 20 Prozent der knapp 20.000 Ein-Personen-Haushalte über 65 Jahren für den Umzug in eine kleinere Wohnung entscheiden würden.

Für den Neubau von Wohnungen in dieser Größenordnung im preissubventionierten Mietwohnungsbau müsste die Stadt bei Einsatz von mindestens 20.000 Euro pro Wohneinheit insgesamt 23,4 Millionen Euro an kommunalen Fördermitteln aufwenden, verteilt auf fünf Jahre immerhin 4,7 Millionen pro Jahr. Die wenigsten Städte sind finanziell in der Lage, so anspruchsvolle Förderprogramme allein für ältere Haushalte aufzulegen. Es liegt auf der Hand, welche Variante für die Stadt günstiger ist, um das Ziel einer bedarfsgerechten Wohnraumversorgung zu erreichen.

Bedingungen für erfolgreiche kommunale Wohnungstauschprogramme

Wesentliche Bedingung für den Erfolg von ­Wohnungstausch-Strategien ist selbstverständlich, dass in der Kommune überhaupt ausreichender, geeigneter, aber auch bezahlbarer Ersatzwohnraum bereitsteht. Für ­Eigentums- und Mietwohnungen gilt gleichermaßen: Die Verringerung ihrer Wohnfläche wollen umzugsbereite ältere Ein- oder Zweipersonenhaushalte nur dann in Kauf nehmen, wenn sie in eine Wohnung innerhalb ihrer vertrauten Umgebung, möglichst im selben Stadtteil umziehen können, wenn die neue Umgebung über eine gute infrastrukturelle Versorgung verfügt und bei Bedarf hauswirtschaftliche und pflegerische Leistungen zur Verfügung stehen. Das größte Reservoir besteht vermutlich im Altbaubestand, der freilich zunächst an die Wohnbedürfnisse älterer Menschen angepasst werden müsste (Barrierefreiheit, Umwandlung von großen in kleine Wohnungen u. ä.).

Am ehesten wird das Konzept im Wohnungsbestand großer Wohnungsunternehmen aufgehen, die über eine Vielzahl unterschiedlicher Angebote an Mietwohnungen verfügen und auch im Bauträgergeschäft tätig sind, da große Bestandshalter eher in der Lage sind, im Ringtauschverfahren Ersatzwohnungen anzubieten. Das gilt in besonderem Maße für Wohnungsgenossenschaften, die ein ureigenes Interesse an der Wohnraumversorgung ihrer ­Mitglieder haben.

Welche Voraussetzungen sollten vor Ort gegeben sein?

  • Umzugsbereite Haushalte müssen sich an eine zentrale Beratungsstelle wenden können, die einen guten Überblick über das vorhandene Wohnungsangebot in der Gemeinde hat und auf die Unterstützung ihrer Tätigkeit durch große Wohnungsunternehmen und qualifizierte Maklerbüros zurückgreifen kann.
  • Solche Anlaufstellen sollten die Interessent*innen nicht nur über das Angebot an Ersatzwohnungen informieren, sondern sie auch beraten, wie sie den Umzug in eine kleinere Wohnung finanzieren und praktisch bewerkstelligen können. Bei Bedarf können sie auch das Umzugsmanagement übernehmen.
  • Bei älteren Menschen mit lastenfreiem Wohnungseigentum wird die Finanzierung einer Ersatzwohnung in der Regel keine Probleme aufwerfen. Aber ihre Ansprüche an eine Ersatzwohnung sind meistens höher.
  • Da die Angebotsmieten meistens höher als maßvolle Bestandsmieten ausfallen, ist bei älteren Wohnungsmieter*innen mit niedrigen Renteneinkommen besonders darauf zu achten, dass die Miet­belastungen für die Ersatzwohnung nicht höher ausfallen als für die Bestandswohnung, sonst macht ein Umzug für sie keinen Sinn. Auch solche Berechnungen muss die Beratungsstelle für ihre Klienten machen können.

Auf den Wohnungsneubau wird die Gemeinde auch bei einem erfolgreichen Wohnungstauschprogramm nicht verzichten können. Es ist aber den Versuch wert auszuprobieren, ob die Förderung des Umzugs im Alter durch Wohnungstausch nicht doch ein wirksames Mittel zur Bekämpfung der allgemeinen Wohnungsnot und zur Bereitstellung altersgerechten Wohnraums sein kann. Die Kommune würde damit gewissermaßen „zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“.

 

Dieser Text stammt aus dem Landes-SGK EXTRA Hessen der DEMO und erscheint hier mit freundlicher Genehmigung der SGK Hessen.