Schulen in der Corona-Pandemie

Erfurter OB Bausewein macht Druck auf das Land

Karin Billanitsch16. Dezember 2021
Das Erfurter Rathaus von oben. Der Erfurter Oberbürgermeister kämpft seit Tagen um schärfere Corona-Maßnahmen im Schulbereich.
Seit Tagen schlägt Oberbürgermeister Andreas Bausewein Alarm und hat sogar erwogen, den Katastrophenfall auszurufen, um die Präsenzpflicht an Schulen aussetzen zu können. Doch der thüringische Bildungsminister Holter hat Warnungen und Hinweise aus den Kommunen lange ignoriert.

Vergangene Woche bereits ging ein Hilferuf an das Land Thüringen: Die Oberbürgermeister von Erfurt, Jena, Gera, Weimar, Suhl und Eisenach vom Land Thüringen forderten in einer gemeinsamen Erklärung die sofortige Aufhebung der Präsenzpflicht an den Thüringer Schulen. Nach Zahlen des Robert Koch-Instituts lag die Inzidenz für 5- bis 14-jährigen Kinder in Thüringen bei über 2.400 – mit steigender Tendenz. In Erfurt liegt sie bei den 6- bis 16-Jährigen liegt sie über 1.800.

Andreas Bausewein, Erfurter Oberbürgermeister. Foto: Stadtverwaltung Erfurt

Katastrophenfall erwogen

Die Menschen werden Weihnachten nicht auf Familienfeiern unterm Weihnachtsbaum verzichten“, erklärt OB Andreas Bausewein (SPD) das Drängen der Städte. Die Infektionsgefahr sei sehr hoch. „Um diese für Eltern und Großeltern zu verkleinern, sollten die Kinder in den Tagen zuvor nicht auf ihre Klassenkameraden treffen. Deshalb bin ich für das Aussetzen der Präsenzpflicht. Wir haben in der Pandemie einen Punkt erreicht, an dem nicht mehr alles so weiter laufen kann wie bisher. Wir stehen vor der totalen Überlastung unseres medizinischen Systems“, richtete der OB einen dringenden Appell an die Landesregierung.

Vergeblich: Die Landesregierung hat darauf nicht reagiert. OB Bausewein und Nordhausens Landrat Matthias Jendricke haben in Erwägung gezogen, den Katastrophenfall auszurufen, um so Eingriffsmöglichkeiten auf den Schulbetrieb zu haben, etwa die Schulen schließen zu können und die Krankenhäuser vor Überlastung zu schützen. Für den 17. Dezember, also morgen, war das Handeln angedroht.

Allgemeinverfügung abgelehnt

Den Katastrophenfall ausrufen zu wollen, das zeigt die blanke Verzweiflung der Verantwortlichen vor Ort. Inzwischen ist klar, dass es hier rechtliche Differenzen zwischen dem Land und den Kommunen gibt. „Das Land hat aber deutlich gemacht, dass es selbst im Katastrophenfall die Hoheit über die Schulen behält. Die Ausrufung des Katastrophenfalls ist also in dieser Hinsicht nutzlos“, teilt die Pressestelle der Stadt mit.

Oberbürgermeister Bausewein reagierte am Mittwoch mit einer Allgemeinverfügung, die die Stadt an ans Land geschickt hat, mit der die Präsenzpflicht an den Schulen aufgehoben werden sollte. Doch das Land hat die Kommune abblitzen lassen: Auch diese Allgemeinverfügung wurde abgelehnt. Am Abend kam die Absage des Ministeriums. Bildungsminister Helmut Holter (Linke) lehnte weiter vehement ab, die Ferien vorzuziehen.

Inzwischen war die Stadt überzeugt, dass die Aufhebung der Präsenzpflicht der bessere Weg im Vergleich zu Schulschließungen sei. Der Grund: Schüler*innen, die dennoch zur Schule kommen, blieben in ihren Klassenverbänden, bei einer Schulschließung mit Notbetreuung hätten Klassen und Gruppen gemischt werden müssen. Allerdings fragte Bausewein gestern Nachmittag voller Unverständnis: „Warum unsere Sorgen vom Land nicht erhört werden, bleibt das Geheimnis der Verantwortlichen dort.“

Land lenkt in letzter Sekunde ein

Gestern Nachmittag hat das Land Thüringen nun in letzter Sekunde etwas eingelenkt: Statt Schulschließungen bleibt es nun den Eltern freigestellt, ob sie kommende Woche in den Tagen vor Weihnachten ihre Kinder zu Schule schicken. Die Weihnachtsferien beginnen wie geplant am 23. Dezember; am 3. Januar soll die Schule wieder beginnen. Holter teilte dazu mit: „Wir befinden uns also unzweifelhaft in einer Ausnahmesituation. Ich habe heute den Thüringer Landkreistag besucht und dort intensive Beratungen mit den Thüringer Landrätinnen und Landräten geführt. Dabei haben wir dieses Vorgehen abgestimmt.“

Erfurts Pandemiestab handelt

Der Pandemiestab der Stadt hat unterdessen weitere Maßnahmen auf den Weg gebracht, um Kontakte zu minimieren. „Es geht uns nicht darum, planlos alles zuzumachen. Aber wir müssen dort, wo die Infektionen nachweisbar stattfinden, angemessene Maßnahmen treffen“, sagte Bausewein. Daher wird es ab Freitag dieser Woche in den Bereichen Soziale, Kultur, Bildung und Sport zu eingeschränkten Angeboten bzw. Schließungen kommen. Die Stadt listet die konkreten Maßnahmen auf. https://www.erfurt.de/ef/de/service/aktuelles/pm/2021/140068.html

So schließen etwa die städtischen Bibliotheken, wobei online-Ausleihe und kontaktlose Rückgabe weiterhin möglich sind. Die kommunalen Seniorenbegegnungsstätten bleiben geschlossen. In der Musikschule findet nur noch Einzelunterricht unter Einhaltung des Hygienekonzeptes statt. Der Kammermusikunterricht wird ohne Beteiligung von Blasinstrumenten oder Gesang durchgeführt.  Die Volkshochschule stellt ihr Kursangebot auf digitale Kurse um.

Eltern soll die Möglichkeit angeboten, ihre Kinder in den kommunalen Kindergärten von der Betreuung freistellen zu lassen. Freizeitsport in den städtischen Sporteinrichtungen darf nur noch im Freien stattfinden.

„Das ist das, was wir tun können, um die Infektionsketten zu unterbrechen. Wir müssen es schaffen, über die Feiertage zu kommen. Das entscheidende Nadelöhr sind uns unsere Krankenhäuser.

weiterführender Artikel