Kommunalwahlen

13 Jahre Wahlkampf

Harald Lachmann18. September 2023
In Könnern kennt sich Martin Zbyszewski aus. Schon als 18-Jähriger engagierte er sich im Ortschaftsrat des Ortsteils Lebendorf.
Der 33-jährige Martin Zbyszewski gewann voriges Jahr scheinbar überraschend die Bürgermeisterwahl in Könnern, eine Kleinstadt in Sachsen-Anhalt.

In der Magdeburger Parteizentrale galt die 8.100-Einwohner-Stadt Könnern lange als weißer Fleck auf der politischen SPD-Karte. Hier regierte beständig die FDP, und im 20-köpfigen Stadtrat saßen lediglich zwei Sozialdemokraten. So schlug es 2022 ein wie ein Blitz aus heiterem Himmel, als der damals 32-jährige Martin Zbyszewski zur Bürgermeisterwahl am 6. März Könnern auf Anhieb für die SPD eroberte. Dabei habe er seinen Wahlkampf erst im Januar begonnen, erzählt er. Denn lange war unklar, ob sein langjähriger parteiloser Amtsvorgänger erneut antritt: „Er war beliebt, machte eine gute Arbeit. Da muss man schon Realist sein…“, gesteht Zbyszewski. Doch dass er dann, als er schließlich seinen Hut in den Ring warf, gegen seinen Mitbewerber sofort zwei Drittel der Stimmen holte, rührte freilich aus keinem kurzen Wahlkampf.

Jahrelanges Engagement zahlte sich aus

„Eigentlich dauerte er schon 13 Jahre“, schmunzelt Zbyszewski. Denn seit er 19 war, leitete er einen großen Sportverein in Könnern. Davor war er Fußballtrainer für Kinder und noch davor aktiver Torwart. Und gar schon 18-jährig wählte man ihn in den Ortschaftsrat von Lebendorf, jenem der 31 Ortsteile von Könnern, in dem er aufwuchs. Später wechselte er dann in den Stadtrat – nun bereits für die SPD, der er 2014 beitrat. Neben seinem Vater, auch Genosse, beeindruckten ihn seinerzeit der „sozial- und wirtschaftspolitische Fachverstand und die Ehrlichkeit von Leuten wie Gerhard Schröder oder Peer Steinbrück“.

„Ich engagierte mich also schon sehr lange in der Stadt, habe früh versucht, etwas für die Gesellschaft zu erreichen – und eben das zahlte sich nun aus“, ist er sich sicher. Von vielen Seiten habe er nach der Wahl gehört, dass ihm vor allem dieses beharrliche soziale Engagement half, zu gewinnen. Für den gelernten Koch und Fleischer, der nach einem Arbeitsunfall auf Verwaltungsfachangestellter umschulte – was ihm nun natürlich auch fachlich sehr hilft –, ist es „das Wichtigste für einen Politiker, ständig präsent zu sein

Im Ort ist er präsent

Man müsse stets dorthin gehen, „wo die Leute sind, in die Vereine, auf Feste, und hier alle Chancen nutzen, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen“, weiß er. Schon jung machte er diese Erfahrung, etwa alljährlich zu Pfingsten beim Räuberfest in Lebendorf, wo er häufig den Part des Dorfrichters mimte: „Da lernt man dann auch, mal einen ganzen Saal zu unterhalten…“ Wobei das Bild des Richters wohl auch so auf ihn passt: Zippe, wie er in Könnern seit Schulzeiten genannt wird, hat eine vermittelnde, ausgleichende Art. Er polarisiert nicht, kann sich schnell in verschiedene Szenerien hineindenken – von der Feuerwehr über die Schützengilde bis zum Musikverein. Das hilft ihm auch beim Vernetzen scheinbar gegenläufiger Interessen.
Die Wähler müssten spüren, dass „man da ist, um sich ihrer Sorgen anzunehmen“, so Zbyszewski. Keiner wolle nur Versprechungen hören. Gewählt würden letztlich jene, die „als Kümmerer wahrgenommen werden, als Macher, die die Probleme vor Ort kennen und die irgendwann den Ruf haben: Wenn der kommt, passiert etwas“. Das sei manchmal schon ein Stück reparierter Fußweg, damit Ältere mit dem Rollator besser zum Friedhof kommen.

„Dem Volk aufs Maul schauen”

Man sehe das ja auch bei Wahllisten, weiß Zbyszewski, der schon jung an der Seite des Vaters Wahlkämpfe erlebte: Da bekomme oft nicht der die meisten Stimmen, der auf Listenplatz 1 steht, sondern „wer am bekanntesten, populärsten ist, weil er sich engagiert. Man wählt eben zuerst Personen, nicht Parteiprogramme“. So hat er auch seine Probleme damit, wenn mancher in der SPD – so sieht er das – plötzlich elitäre Nischenthemen besetze, weil es scheinbar im Zeitgeist liege. Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen lehnt er ab. Man sollte die Menschen „nicht mehr gängeln, als unbedingt notwendig…“, findet er.

Außerdem outet sich Zbyszewski als „klarer Gegner der Genderei“. Seiner Meinung nach gewinnt man keine Wahlen, wenn man Programme und Flyer „mit Sternchen, Doppelpunkten und Wortungetümen vollpflastert, so dass viele schnell das Papier wieder weglegen, weil sie am Ende des Satzes den Anfang vergessen haben”. Wer die Texte nicht verstehe, wähle auch den Kandidaten nicht. Hier müsse die Partei einfach „authentischer sein und frei nach Martin Luther dem Volk wieder mehr aufs Maul schauen“.

Im Übrigen versuchte es Martin Zbyszewski auch schon mit neuen Medien. Er baute das Smartphone vor sich auf, sprach seine Ziele hinein und stellte alles ins Netz. „Das kam super an“, freut er sich. „Aber der Aufwand!“ Drei Stunden Vorbereitung für fünf Minuten Video: So fehlte ihm für eine Fortsetzung bisher die Zeit.