Kurt Beck (65) gratuliert der DEMO (65) zum Geburtstag

65 Jahre DEMO – Herzlichen Glückwunsch an eine Gleichaltrige!

Kurt Beck13. Oktober 2014
Kurt Beck, Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung
Kurt Beck, Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung
Die DEMO wird 65 Jahre alt. In dieser Zeit hat sie sich mehrfach gewandelt, aber stets die sozialdemokratischen Kommunalpolitikerinnen und -politiker begleitet. Das gilt auch für Kurt Beck, den ehemaligen Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz. In seinem Beitrag blickt er zurück auf sechseinhalb Jahrzehnte DEMO.

Es ist kein Zufall, dass die DEMO gemeinsam mit der Bundesrepublik (West) 1949 das Licht der Welt erblickte. Denn es war und bleibt richtig, Demokratie beginnt von unten. Nach dem Scheitern der Weimarer Demokratie und den Abgründen der Nazi-Diktatur, nach Holocaust und dem 2. Weltkrieg galt es, einen Neuanfang zu wagen. Deutschland lag in jeder Hinsicht in Schutt und Trümmern. Allenfalls der Widerstand gegen Hitler und seine Schergen bot einen gewissen moralischen Halt. Umso erschreckender, wie wenig nach innen aufgearbeitet wurde. Umso empörender, wie – auch von Demokraten – mit Menschen, die aus dem Exil zurückkehrten, in denunziatorischer Weise bis weit in die Geschichte der Bundesrepublik umgegangen worden ist.

Willy Brandt war ein besonderes Beispiel für die Herabsetzung eines der Freiheit und der Gerechtigkeit verpflichteten Menschen. Eine schwere Last. Und doch, nicht immer von den Siegermächten leicht gemacht folgt eine Organisation von kommunaler – und später – landespolitischer Verantwortung. 1949 folgte unser Grundgesetz und es sollte mehr als 40 Jahre dauern bis in West und Ost die Menschen in einer freiheitlichen Demokratie leben konnten.

Neuanfang und Mangel

Wer Papiere und Protokolle der frühen Ratssitzungen und Landtagsprotokolle nachliest, spürt den Geist zum Neuanfang. Man wird aber auch an die elementaren Aufgaben dieser Zeit erinnert. Wohnungsnot in den zerstörten Städten und Gemeinden. Mangel an Baumaterialien. Ein Dach überm Kopf für die Menschen, nicht zuletzt für die Millionen von Flüchtlingen aus dem Osten, aber auch kreuz und quer durch Deutschland. Brennmaterial für den Winter zum Kochen und Heizen.

Die Menschen mit den Grundnahrungsmitteln zu versorgen war eine ungeheure Aufgabe. Ich erinnere mich an die Berichte von Eltern und Großeltern. Mein Vater, spät von Gefangenschaft zurück, Maurer von Beruf, ging zur täglichen oft 9 – 10 stündigen Arbeit mit „einem Stück Brot und einem halben Ei“.

Diesen lebensnotwendigen Bedingungen für die Menschen Rechnung zu tragen, die Wirtschaft in Gang zu bringen und das Gemeinwesen neu aufzubauen war die Aufgabe insbesondere auch der Kommunalpolitik.

Man wollte wissen: Wie machen es die anderen?

Man kann nachvollziehen, dass es das Bedürfnis gab, voneinander zu wissen. Wie machen die das in Hamburg, in Trier oder München, aber auch in Kleinmaischeid oder in Steinfeld? Deshalb war es sicher ein Bedürfnis, sich zu informieren. Für Sozialdemokraten mit ihrem Anspruch auf einen demokratischen, freiheitlichen, sozialen und gerechten Aufbau der neuen Bundesrepublik war – nachvollziehbar – dieses Bedürfnis nach Information und Kontakt mit Genossinnen und Genossen in gleicher kommunaler Verantwortung besonders groß.

„Die Städte Deutschlands sind in
tragischer Weise zerstört und
das Opfer einer furchtbaren
kriegerischen Auseinandersetzung
geworden. Die Städte Deutschlands
werden, wie wir hoffen, ihre Fähigkeit
zum Neuaufbau unter eigener
Verantwortung in den nächsten
Generationen unter Beweis stellen.
Die lebendige Anteilnahme aller
ihrer Bürger ist dabei Voraussetzung.“

Ernst Reuter, Regierender
Bürgermeister von Berlin (1948-1953)
Zitat aus DEMO Nr. 1, 1949

Der Phase des Aufbaus folgt die Phase des Ausbaus der Gesellschaft und der kommunalen Gemeinschaften. Auf der einen Seite die Realitäten des Kalten Krieges und die undurchdringliche Teilung Deutschlands und Europas. Auf der anderen Seite die wirtschaftlichen und sozialen Erfolge in der Bundesrepublik und die Westintegration sowie erste Schritte zu einem gemeinsamen Europa im Westen.

Verkehr, Wasser – alles neu ordnen

Es galt jetzt, neue Aufgaben zu bewältigen. Verkehrsfragen in den Städten (autogerechte Stadt, breite Durchgangsstraßen waren Schlagworte aus dieser Zeit), aber auch neue Abwassersysteme in Stadt und Land, eine gesicherte Wasserversorgung. Es galt den Ausbau der stationären Gesundheitssysteme zu gewährleisten, Wirtschaftsansiedlungen zu ermöglichen und vieles mehr.

Auch hierzu war der Dialog zwischen den sozialdemokratischen Kommunalpolitikerinnen und -politikern geboten. Ende der 60er Jahre, Anfang der 70er Jahre kam die gesellschaftliche Aufbruchstimmung aus, über und in die Gesellschaft. Vieles wurde in Frage gestellt. Neue – demokratische – Wege gefordert. Diskutiert, gestritten, übers Ziel hinausgeschossen und neue Ansätze gefunden. Die DEMO hat auch diese Zeit begleitet. Sie war ein Brückenglied zwischen der Brandt‘schen Politik des Dialogs mit der 68er-Bewegung, den jungen Kräften in den Gewerkschaften, Hochschulen, in Kirchen und Gruppen. Die Politik hat nicht nur in Bund und Ländern, sondern alles in allem, gerade auch in den Kommunen, den Weg der Integration und der demokratischen Kanalisierung dieser progressiven Kräfte geschafft.

„Kernkraftwerke erzeugen zwar
eine umweltfreundliche Energie;
aber sie können sich zugleich auch
als eine Belastung, ja sogar als eine
Gefahr für unsere Umwelt erweisen.
Dass dies allgemein erkannt wurde,
zeigen Proteste in jüngster Zeit.“

Dr. Wolfgang Ludwig, Beigeordneter Köln
und Mitglied des Redaktionsbeirates der DEMO
Zitat aus DEMO Nr. 2, 1972

Mich selbst erreichte die DEMO 1972 bei meinem ersten politischen Mandat im Kreistag Landau – Bad Bergzabern (heute: Südliche Weinstraße). Der SPD-Fraktion wurde die DEMO vorgestellt und ich „griff zu“. Seitdem gehöre ich zu ihren Lesern und habe vieles erfahren und gelernt und manches hat sich in Initiativen im Gemeinderat, Kreistag und später im Landtag Rheinland-Pfalz, aber auch auf Parteitagen der SPD auf allen Ebenen wieder gefunden.

Den Zeiträumen des Auf- und Ausbaus unseres Gemeinwesens folgte die große Veränderung der Welt nach 1945. Die Mauer durch Berlin, die Stacheldrahtzäune durch Deutschland fielen und es trat ein, was viel propagiert aber oft in unerreichbarer Ferne schien: Die Wiedervereinigung in Deutschland, der Zusammenbruch des Warschauer Paktes, ein neues Europa ohne Teilung zwischen West und Ost.

Die Überwindung der Sprach- und Kontaktlosigkeit zwischen beiden Teilen Deutschlands, die Glasnost und Perestroika-Politik in der damaligen Sowjetunion, Kontakte – auch und gerade zwischen Familien und Kommunen in West und Ost, aber auch das entschlossene Zupacken vom damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl hatten Erfolg. Niemand hat es treffender formuliert als Willy Brandt: „Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört!“

Die DEMO begleitete auch den Einheitsprozess

Nun galt es, in Solidarität und im Teilen, um gerechte und gleichwertige Lebensverhältnisse zu ringen. Dazu kam die Entwicklung und Osterweiterung in Europa. Verständnis fördern, sich kennen und in den Lebenswegen respektieren zu lernen. Hoffnungen und Erwartungen mit Realitätssinn zu verbinden war geboten.

Die DEMO begleitete und begleitet diesen Prozess bis heute und wir sind noch auf dem Weg, wenngleich eine gute Wegstrecke bewältigt ist. Für viele Kommunen in Ost und West war die Entspannungspolitik, das Ende der Überrüstung mit der Aufgabe militärischer Einrichtungen und Standorte verbunden. Ein Prozess, der nach dem Wiederaufbau nach 1945, der Bewältigung der deutschen Einheit und gemeinsam mit der Montankrise der größte Umbau war, parallel zu weltweiten wirtschaftlichen und technologisch tiefgreifenden Herausforderungen.

Man darf sicher behaupten, dass die Länder Brandenburg und Rheinland-Pfalz gemeinsam mit ihren Kommunen am stärksten betroffen waren. Neue Wege der „Konversion“ waren – und sind es bis heute – gefordert. Informationsaustausch war und bleibt hilfreich, die DEMO behält auch dazu eine Aufgabe.

Heute beschäftigen uns neue Fragen

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Gewissheit der Verantwortung für Natur und Umwelt entwickelt und ist zu einer der zukunftsentscheidenden Grundorientierungen der Politik von kommunalen bis zum weltweiten Handeln geworden. In vielen Bereichen sind wir von einer ökologisch verantwortlichen Politik noch weit entfernt. Dies gelernt zu haben, ist Voraussetzung jeder verantwortlichen Politik. Informationen, Anstöße, Anregungen, Auseinandersetzungen mit diesem Thema bleiben auf der Tagesordnung. Ich bin sicher auchbei der DEMO. Heute – und mit dem Blick nach vorne – geht es um die bisherigen, aber auch um neue Fragen. Offenheit für eine sich schnell verändernde und komplexere Welt, das Thema „demographische Entwicklung“, Zuwanderung und Integration, das Gegensteuern gegen Parallelgesellschaften und ein neues Prekariat sind komplexe Aufgaben. Dabei ist eine sozialdemokratische Handschrift nötiger denn je. Denn Solidarität, Gerechtigkeit und Freiheit bleiben Kernwerte, für die es sich zu streiten und arbeiten lohnt. Die DEMO ist dazu hilfreich.

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