Kommunalwahlen Frankreich

Anne Hidalgo verteidigt erfolgreich ihr Amt in Paris

Kay Walter30. Juni 2020
Anne Hidalgo – hier ein Archivbild – konnte ihr Amt als Bürgermeisterin erfolgreich verteidigen.
Nicht nur in der Hauptstadt, in zahlreichen französischen Städten, wurden bei der Kommunalwahl sozialistische Bürgermeister*innen im Amt bestätigt. Ein wichtiger Erfolg für die Partei.

In knapp der Hälfte aller französischen Gemeinden fand am 28. Juni 2020 die zweite Runde der Kommunalwahlen statt, insgesamt in 4.800. Mit besonderer Spannung waren die Resultate in den Großstädten erwartet worden, allen voran in der Hauptstadt Paris. Denn anders als in den vergangenen Jahrzehnten, war die zweite Runde nicht Stichwahl zwischen je einer/einem Kandidaten der Linken und der Rechten.

Frankreichs Parteiensystem sortiert sich neu

Präsident Emmanuel Macrons Bewegung LREM (La Republique En Marche) hat das Parteiensystem in Frankreich so nachhaltig pulverisiert, dass es zur Regel geworden ist, dass nicht nur mehrere Kandidaten im ersten Wahlgang die geforderte 10-Prozent-Hürde übersprungen haben, sondern dass sich die politischen Lager danach nicht auf den oder die Aussichtsreichste verständigen wollten oder konnten.

Paris, in jeder Hinsicht das Zentrum des Landes, hat einen Dreikampf gesehen zwischen Anne Hidalgo, der sozialistischen  Amtsinhaberin, der  ultrakonservativen Ex-Justizministerin Rachida Dati und der vormaligen Gesundheitsministerin Agnès Buzyn. Wobei das Wort gesehen am Ende doch eine Übertreibung war: In Zeiten von Covid 19 hat es keinen richtigen Wahlkampf mit Großveranstaltungen und Kundgebungen gegeben. Nirgends, weder in Paris noch sonst irgendwo im Land. Lediglich das Fernsehen hat eine lebhafte Diskussion zwischen Hidalgo, Dati und Buzyn ausgestrahlt.

Anne Hidalgo ist politisches Schwergewicht

Und auch wenn die Meinungsforscher sich weder vor noch nach dieser Diskussion festlegen und den Wahlausgang prognostizieren wollten, die TV-Runde belegte eindeutig und für jedermann sichtbar, dass Anne Hidalgo ein komplett anderes politisches Kaliber ist, als Dati und vor allem Buzyn. Den Eindruck haben offenbar auch die Mehrzahl der Pariser Bürger gehabt: Sie bescherten Hidalgo mit sehr deutlicher Mehrheit ihre zweite Amtszeit. Mit knapp 50 Prozent der Stimmen hat sie die Gegenkandidatinnen dabei mehr als nur distanziert, sie erhielt mehr Stimmen als die beiden anderen zusammen. Ein persönlicher Erfolg für Hidalgo und ihre Arbeit in der vergangenen Periode ist das ganz sicher, aber auch ihre arg gebeutelte Sozialistische Partei dürfte davon profitieren. Die PS zeigt: Sie ist nicht am Boden zerstört – wie es viele bereits teils hämisch behaupteten; sie kann Wahlen gewinnen, auch wichtige; und sie hat vorzeigbare Persönlichkeiten.

Denn Hidalgo ist nicht die einzige Sozialistin, die gestern ihr Amt als Bürgermeisterin erfolgreich verteidigen konnte. Auch in Städten wie Nantes und Montpellier, Rennes und Dijon, Clermont-Ferrand und Le Mans wurden die dortigen sozialistischen Bürgermeister/innen in ihrem Amt bestätigt. Ob Martine Aubry ihr Amt in Lille behalten kann, ist dagegen weiter unklar. Ihr Vorsprung von 200 Stimmen war so hauchdünn, das neu gezählt wird.

Wichtige Erfolge für die Sozialisten

Insgesamt war die Kommunalwahl – vor allem in Paris - ein Erfolg für die Partei, keine Frage, ein wichtiges Zeichen. Aber sicher auch kein Grund zum Jubeln. Erstens fiel die Wahlbeteiligung im gesamten Land um über 20 Prozent auf den historischen Tiefststand von 41 Prozent. Was das demokratietheoretisch bedeutet muss dringend aufgearbeitet werden und es ist sicher nicht allein mit der Corona-Pandemie zu erklären.

Zweitens hat der rechtsradikale „Rassemblement National“ von Marine Le Pen nach der Kleinstadt Béziers nun mit Perpignan auch die erste Großstadt erobert. Und das im traditionell linken Midi, der Heimat von Jean Jaures, wo immer PS gewählt wurde. Auch das wird eine ausfürhliche Analyse erfordern.

Grüne sind eindeutige Wahlgewinner

Und drittens sind eindeutige Wahlgewinner die Grünen. Lyon, Bordeaux, Straßburg, Grenoble, Besancon und Annecy bekommen grüne Bürgermeisterinnen. Und Michèle Rubirola hat die Sensation geschafft, Marseille, die zweitgrößte Stadt des Landes und lange konservative Hochburg für die Grünen, zu gewinnen. Und das vor dem Hintergrund, das die französischen Grünen bislang bei weitem nicht die Kraft und Bedeutung als Großstadtpartei gehabt haben, wie die deutschen Grünen.

Und Macrons LREM? Die sind erwartungsgemäß kräftig gezauselt worden. Die Bewegung für den Präsidenten hat es nie wirklich geschafft, eine Partei mit Verankerung an der Basis zu werden, um so bei Kommunalwahlen erfolgreich sein zu können. Zudem sind viele Franzosen von der Politik ihres Präsidenten enttäuscht. So konnte lediglich Premierminister Edouard Philippe in Le Havre gewinnen und damit eine persönliche Blamage abwenden. Die Hoffnung von Macron, seine LREM als die junge, moderne Großstadtpartei etablierten zu können, die die ideologischen Schranken überwinden kann, die sind am Wochenende wie Seifenblasen zerplatzt - zumindest vorerst. 

Sozialisten verlieren an Rechtsaußen

Was bedeutet diese Wahl für die Sozialistische Partei (PS)? Selbst wenn Anne Hidalgo immer bestritten hat, über das Bürgermeisteramt in Paris herausgehende Ambitionen zu haben: Seit gestern ist sie endgültig eine ernstzunehmende politische Persönlichkeit in der französischen Politik. Sie kann Wahlen gewinnen und zwar wichtige. Und sie hat dann auch die administrative Erfahrung, die Metropole des Landes für zwei Amtsperioden geleitet zu haben.  Das ist ein Prä vor den meisten anderen in der PS. Sie hat, auch das ist ein Lehre, diese Wiederwahl mit einem dezidiert ökologischen Programm gewonnen. Nimmt man die Resultate der anderen Großstädte dazu, bedeutet dies, grüne Programmatik ist für die Linke ein Muss. 

Die PS kann sich durch die Kommunalwahlen gestärkt sehen. Sie hat das tiefe Tal von 6,5 Prozent verlassen.  Sie hat aber auch keinerlei Veranlassung, darüber in Euphorie auszubrechen. Dafür gab es gleichzeitig genügend ernüchternde Resultate. Und die PS muss zwingend Antworten darauf finden, dass ihre Wähler/innen offenbar in vielen ehemaligen Hochburgen in großer Zahl zu den Rechtsradikalen von Marine Le Pen gewechselt haben. 

Der Artikel ist zuerst auf vorwaerts.de erschienen und erscheint mit freundlicher Genehmigung des Berliner vorwaerts Verlags.