Urteil Europäischer Gerichtshofes (EuGH)

EuGH: Kindergeld auch für im EU-Ausland lebende Kinder

Karin Billanitsch08. Februar 2019
Haupteingang des Palais des Gerichtshofs der Europäischen Union in Luxemburg
Arbeitslose Eltern erhalten Kindergeld von dem EU-Staat, in dem sie leben – auch wenn die Kinder in einem anderen EU-Land leben. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg für einen Fall in Irland entschieden.

Seit dem Jahr 2003 wohnt Eugen Bogatu in Irland. Der rumänische Staatsangehörige hat zwei Kinder, die in seiner Heimat Rumänien wohnen. Für sie beantragte er Anfang 2009 Kindergeld bei den irischen Behörden. Er war in den Jahren 2003 bis 2009 Arbeitnehmer, verlor dann aber seine Stelle. Der Name des Rumänen ist nun mit einer wichtigen europarechtlichen Entscheidung verbunden.

Streit um Kindergeldanspruch in Irland

Als Arbeitsloser bezog Bogatu zunächst Arbeitslosengeld, später dann beitragsunabhängige Leistungen bei Arbeitslosigkeit (2010 – 2013), und schließlich eine Leistung bei Krankheit (2013 bis 2015). Die irischen Behörden lehnten seinen Antrag auf Familiengeld, also Kindergeld für die Jahre 2010 bis 2013, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorlägen. Der Grund: Bogatu habe in Irland weder eine Beschäftigung ausgeübt zu dieser Zeit, noch habe er eine beitragsabhängige Leistung bekommen, begründeten die Behörden die Weigerung, das Geld auszuzahlen.

Nun ist der Fall vor dem Gerichtshof der Europäischen Union(EuGH)  gelandet. Der mit dem Rechtsstreit in Irland befasste High Court wollte von dem Gerichtshof wissen, wie das einschlägige EU-Recht auszulegen sei. Dabei geht es um die so genannte „Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Verordnung EG Nr.883/2004).

Irlands High Court ruft Luxemburger Richter an

Hintergrund: Gerichte der Mitgliedsstaaten – wie hier der Hohe Gerichtshof in Irland – können bei aktuellen Rechtsstreitigkeiten den EuGH anrufen, um eine so genannte Vorabentscheidung zu erwirken. Bei solchen Fällen geht es um die Auslegung von Unionsrecht – der Gerichtshof entscheidet nicht über den Rechtsstreit, um den es im Kern geht, sondern klärt die vorgelegte Rechtsfrage.

„Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Sache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofes zu entscheiden“, stellt der Gerichtshof in einer Pressemitteilung klar. Allerdings, und darum ist das Urteil des EuGH von größerer Bedeutung, bindet es andere nationale Gerichte, die ähnliche einschlägige Fälle bearbeiten.

EuGH stellt klar: Kindergeld auch für Arbeitslose

Der Europäische Gerichtshof ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es für den Anspruch auf Kindergeld weder Voraussetzung sei, dass die Eltern in dem EU-Land, in dem sie leben, eine Beschäftigung ausüben, noch dass sie dort „aufgrund oder infolge einer Beschäftigung eine Geldleistung“ beziehen.

Die EU-Rechtsvorschrift verlange nicht, dass die Person, über die Stellung eines Arbeitnehmers verfügt, um Familienleistungen zu bekommen. Sprich: Das EU-Recht gilt auch für Arbeitslose. Nun muss der High Court endgültig über den Fall entscheiden.

Strittig: Kindergeld-Reform in Österreich

Der Fall hat sehr aktuelle Bezüge, denn Österreich hat zum Jahreswechsel eine Kindergeld-Reform beschlossen. Die Beihilfen werden die Lebensunterhaltskosten in dem Land, in dem die Kinder wohnen, angepasst. Brüssel hat deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.

Der SPD-Europaabgeordnete Michael Detjen bezeichnete die Entscheidung in einer Mitteilung als „wegweisend“. Sie stelle EU-Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit nationalen Beschäftigten gleich. Das Urteil stärke das Recht der Europäischen Union, indem es diese „Unterteilung in Bürgerinnen und Bürger 1. Klasse und 2. Klasse beendet“, so Detjen. „Gleichzeitig haben die Richterinnen und Richter der unfairen Indexierung von Kindergeld eine Absage erteilt." Er betonte auch, dass die Anstrengungen im Kampf gegen Sozialmissbrauch in Deutschland erhöht worden seien. Detjen verwies auf Finanzminister Olaf Scholz (SPD), der Kontrollbehörden aufgestockt und die Kooperation zwischen den einzelnen Behörden verbessert habe.

Aktenzeichen C-322/17