18. Demo-Kommunalkongress

Fachgespräch über Kommunale Wärmeplanung

Ulf Buschmann16. November 2023
Diskutierten über kommunale Wärmeplanung (v.l.): Markus Herrera Torrez (Oberbürgermeister der Stadt Wertheim), DEMO-Redakteur Carl-Friedrich Höck, Christine Wilcken vom Deutschen Städtetag und Robert Riechel vom Deutschen Institut für Urbanistik
Kommunale Wärmeplanung ist komplex: Es sind detaillierte Planungen notwendig und alle Akteur*innen müssen mitgenommen werden – nicht zu vergessen die Kosten und die Zukunft der Stadtwerke. Dies wurde bei einem Fachgespräch auf dem DEMO-Kommunalkongress deutlich.

Kommunale Wärmeplanung: Bei diesem so wichtigen Thema hat in manchen Kommunen die Zukunft noch nicht einmal begonnen; andere hingegen haben sich bereits „auf den Weg gemacht“. So drückte es Markus Herrera Torrez aus. Er ist Oberbürgermeister von Wertheim. Die nördlichste fränkische Stadt in Baden-Württemberg an der Grenze zu Bayern mit ihren rund 23.000 Einwohnern befasst sich bereits seit dem Jahr 2021 damit. Das Ziel: Die Kommune mit ihrer Kernstadt und den in den 1970er-Jahren eingemeindeten 15 Ortschaften möchte die klimaneutrale Wärmeversorgung bis 2040 schaffen. Dazu gehören laut Herrera Torrez die Effizienzsteigerung der heimischen Industrie und die umfassende Sanierung öffentlicher sowie privater Gebäude.

Diesen Ausblick gab der Baden-Württemberger beim Fachgespräch „Kommunale Wärmeplanung und Wärmewende”. Es gehörte zum Programm des 18. DEMO-Kommunalkongresses am 9. und 10. November 2023 in Berlin.

Wie die kommunale Familie dieses Thema bewegt, zeigte das Interesse am Thema. Manche Zuhörer*innen fanden keinen Platz mehr. Mit ihnen diskutieren außer Herrera Torrez Dr. Christine Wilcken vom Deutscher Städtetag – dort leitet sie das Dezernat Klima, Umwelt, Wirtschaft, Brand- und Katastrophenschutz – und Robert Riechel vom Deutschen Institut für Urbanistik.

Beispiel für kommunale Wärmeplanung

Die Interessierten konnten sich anhand der Stadt Wertheim ein konkretes Bild davon machen, wie kommunale Wärmplanung abläuft. Die Franken hätten sich an den strengen Vorgaben des Landes Baden-Württemberg orientiert, so der Oberbürgermeister. Diese sehen fünf Punkte vor: Netzbetrachtung, Erstellung einer Roadmap, eine Clusterstudie, Planung für ein zweites Wärmenetz sowie die Untersuchung über den Einsatz von Wasserstoff. So habe die Stadt 43 Cluster gebildet, die unterschiedliche Maßnahmen für die Zukunft vorsehen. Das sei notwendig, denn für die Gegenwart habe sich ebenso gezeigt, dass 92 Prozent des Energiebedarfs aus fossilen Trägern gedeckt würden – das macht rund 96.000 Tonnen Emissionen jährlich. Mit den Untersuchungen hatte die Stadt ein externes Büro beauftragt.

Wertheim sei in der glücklichen Lage, den Umschwung schaffen zu können, weil es viel Fläche für die Energieproduktion aus Windkraft habe, machte der Oberbürgermeister deutlich. Daraus lasse sich grüner Wasserstoff für die Industrie produzieren. Entstehende Abwärme wiederum würde an die Haushalte und andere Industriebetriebe abgegeben werden können. Selbst der Sauerstoff, der entstehe, könne genutzt werden: für das Klärwerk.

Wärmeplanung: Alle Akteure abholen

Die größte Hürde dabei sei es, den Gemeinderat „so abzuholen, dass er mitzieht“, skizzierte Herrera Torrez seine Erfahrungen. Solches weiß auch Städtetag-Fachfrau Wilcken. „Man muss Lust darauf haben“, sagte sie. Doch die könne den Akteur*innen in den Kommunen schnell vergehen, wenn sie, wie leider so oft in der Vergangenheit, alleine gelassen würden. Vor diesem Hintergrund betonte Wilcken: Die Wärmewende sei eine gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden. Doch bei diesem wichtigen Thema habe die Diskussion über das Gebäudeenergiegesetz die Gemengelage schwierig gemacht.

Bei dem von der Berliner Ampel-Regierung eingebrachten Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze sieht sie einige „gute Leitplanken“. Aber es gebe zwei wichtige Knackpunkte, die ihr Sorgen bereiteten: Wie soll es gelingen, möglichst viele Akteure mit auf den Weg zu nehmen? Wie soll der Umbau der Netze gelingen? In diesem Zusammenhang stellte Wilcken die Frage nach der Zukunft der kommunalen Stadtwerke. Bislang habe das Gasgeschäft Geld in die Kassen gebracht. Technisch könnten jedoch die Gasnetze nicht für Wasserstoff genutzt werden. Die Stadtwerke müssten sich entsprechend geschäftlich neu aufstellen, um in Zukunft noch Geld zu verdienen.

Sorge über Geld für Wärmeplanung

Das zur Verfügung stehende Geld ist ein weiterer Knackpunkt: So kostete alleine die Planung für die Wärmewende die Stadt Wertheim 200.000 Euro. Dies allerdings sei der Preis von vor zwei Jahren gewesen. Inzwischen, so schätzte Herrera Torrez, dürften die Preise spürbar in die Höhe gegangen sein. Einer der Gründe ist die gestiegene Nachfrage, während die Anzahl seriöser Berater*innen begrenzt ist. Den rund 11.000 Kommunen im Land stehen „gefühlt“ (Wilcken) 50 Beratungs- und Planungsbüros gegenüber, die Ahnung vom Thema haben.

Wilcken befürchtete, dass die von der Bundesregierung im aktuellen Haushalt eingeplanten 500 Millionen Euro sowie die drei Milliarden Euro bis 2026 hinten und vorne nicht ausreichen – und die Akteure unter anderem in Sachen Geld im Regen stehengelassen werden. Sie appellierte in Richtung Berlin: „Wir brauchen ein gewisses Maß an Absicherung von Investitionen.“ Wilcken plädierte für Bundesbürgschaften.

Gutachten zur Kommunalen Wärmeplanung

Dass die Wärmeplanung für die Kommunen immer wichtiger wird, belegt auch ein Kurzgutachten des Deutschen Instituts für Urbanistik im Auftrag des Umweltbundesamtes von 2022. Robert Riechel, einer der beiden Autoren, betonte diesen Umstand noch einmal in der Diskussion. Allerdings sei es ihm und seinem Co-Autor Jan Walter darum gegangen, eine „gemeinsame Basis“ zu schaffen. Mit anderen Worten: Die beiden Wissenschaftler hatten sich bestehende Projekte wie das der Stadt Wertheim und Modellversuche angeschaut. Damit wollten sie „Verknüpfungen“ schaffen.

Die öffentliche Diskussion zur Wärmewende habe sich bisher stark auf die Wärmepumpe fokussiert, stellte der Moderator der Diskussion fest. Auf die Frage, welche Wärmequellen bisher „unter dem Radar” geblieben seien und mehr Aufmerksamkeit verdient hätten, nannte Riechel die Geo- und Solarthermie sowie die Nahwärmenetze. Es gebe zudem diverse „Systeme dazwischen“. Den Vertreter*innen der kommunalen Familie gab Riechel mit auf den Weg, dass es in Sachen Wärmeplanung wichtig sei, die zentrale und dezentrale Wärmeversorgung im Blick zu haben. Auch beim Aus- und Umbau der Netze beziehungsweise ihrer Finanzierung dürfe niemand „in die Projektlogik zurückfallen“.