Corona-Krise

Frauenhäuser am Limit

Laura Strübbe27. März 2020
Im trauten Heim nicht nur Glück: durch die vermehrte häusliche Isolation steigt die Gewalt gegenüber Frauen. Frauenhäuser schlagen deshalb Alarm.
Lärmende Kinder daheim, einen leicht reizbaren Mann an der Seite – und das alles auf engstem Raum: Die Gefahr, dass Frauen in der Corona-Krise Opfer häuslicher Gewalt werden, nimmt zu. Hinzu kommt, dass es Frauenhäusern landesweit an Betten fehlt. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey schlägt Alarm.

Das Kontaktverbot sorgt dafür, dass viele Menschen mehr Zeit miteinander in den eigenen vier Wänden verbringen. Das birgt großes Konfliktpotential, wie jetzt Bundesfamilienministerin Franziska Giffey warnt: „Auf engem Raum viel Zeit miteinander zu verbringen kann zu einer Verschärfung häuslicher Gewalt führen“. Rückmeldungen aus Frauenhäusern geben der Giffey Anlass zur Sorge, dass in diesen Zeiten mehr Frauen aufgefangen werden müssten. Wie Maria Noichl, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) es zugespitzt auf den Punkt bringt: „Kontaktsperren dürfen nicht dazu führen, dass Frauen keine Auswege mehr aus häuslicher Gewalt finden.“ Doch genau diese Gefahr besteht aktuell, wie die Geschäftsführerin des Vereins Frauenhauskoordinierung (FHK) Heike Herold im Gespräch auf rbb Kultur erklärt. In Belastungssituationen mit den Kindern daheim fielen nun auch soziale Kontakte weg. Jene hätten Frauen unterstützen können, um mit schwierigen Situationen fertig zu werden.

Über 14.000 Frauenhausplätze würden in Deutschland fehlen. Zu diesen Lücken im Hilfesystem kämen durch räumliche Auflagen, Infektionen sowie Verdachtsfälle Engpässe hinzu, worauf die FHK wiederholt hinwies. Frauenhäuser würden als zentrale Schutzeinrichtungen vor geschlechtsspezifischer Gewalt zur Daseinsvorsorge und zur Grundversorgung der Gesellschaft gehören. Aufgaben gleich dem Gesundheitsbereich übernähmen Frauenhäuser in der Gewaltprävention, für jene Anerkennung macht sich die FHK stark. So plädiert sie für Kita- und Schul-Notbetreuung für Mitarbeiter*innen von Frauenhäusern.

Fehlende Betten für die Isolation

Doch die ohnehin knappen Kapazitäten stehen in der Corona-Krise offenbar gar nicht zur Verfügung, wie Giffey zusammenfasst. Mitarbeiter*innen erkranken und verschärfte Infektionsvorschriften für Gewaltschutzeinrichtungen müssen eingehalten werden. Aufnahmestopps seien nur eine Folge dessen. Dazu kämen erhöhte Wartezeiten am Hilfetelefon, „doch wir setzten alles daran, dass die erste Anlaufstelle für Gewalt an Frauen aufrecht erhalten bleibt“, so Giffey. Im Einklang mit der Ministerin fordert auch Noichl durch unbürokratische Maßnahmen, wie das Anmieten von derzeit stillgelegten Hotels, eine Aufstockung von Frauenhäusern mit Ausweichschlafplätzen.

Für Frauenhäuser ist die Situation eine zusätzliche Belastung. Wie Institutionen darauf zu reagieren versuchen, zeigt Giffey am Beispiel Kassel: damit eine Infektion mit dem Corona-Virus erst gar nicht eintritt, hat sich das Frauenhaus der Stadt Kassel an das Sozialamt gewandt. Sie erkannten schon frühzeitig, dass das bisherige Aufnahmekonzept nicht weiterzuführen sei. „Neu ankommende Frauen sollten möglichst zwei Wochen extern untergebracht und dort durch Mitarbeiter*innen des Frauenhauses betreut werden.“, so fordern sie es.

Bürgermeisterin Friedrich: „Schnelle Entscheidungen treffen“

Wie die Bürgermeisterin Ilona Friedrich betont, seien schnelle Entscheidungen zu treffen. In Hinblick auf die Ansteckungsgefahr mit dem Corona-Virus sei man anders gefordert und müsse sich neu aufstellen. „Wir sind dabei, in der nächsten Woche drei Appartements für Frauen mit Kindern zur Verfügung zu stellen.“ so Friedrich über Kassels Hilfestellung für Frauen, die in diesen Krisenzeiten häuslicher Gewalt ausgesetzt sind.

Schutz auch in Krisenzeiten

Sei eine Infektion erst einmal nachgewiesen, würden Name, Adresse und Kontaktdaten der Bewohner*in dem Gesundheitsamt unverzüglich gemeldet, wie es die Sonderinformationen der FHK für Frauenhäuser erklären. Dennoch müsse Anonymität gewahrt werden, bei der Zusammenarbeit im Meldeprozess dürften keine Schutzlücken für die Anonymität des Frauenhauses und somit für den Schutz der Frauen und deren Kinder entstehen, so die FHK. Denn in jedem Falle und so Herold im Interview mit der Tagesschau, „darf der Schutz von Frauen und ihren Kindern vor Gewalt auch in Zeiten der Corona-Krise nicht hinten runterfallen.“

Der Text ist zuerst auf vorwaerts.de erschienen.