Regionalkonferenz in Berlin

Geywitz wirbt für Barrierefreiheit: „Das kostet nichts”

Carl-Friedrich Höck13. September 2022
Beispiel für barrierefreie und trotzdem kostengünstige Wohnungen: Jürgen Dusel und Klara Geywitz, beide mittig im Bild, informieren sich über das Bauprojekt am Nettelbeckplatz in Berlin-Wedding.
Ist barrierefreies Bauen zu teuer? Dem widersprechen Bundesbauministerin Klara Geywitz und der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung Jürgen Dusel entschieden. Wer heute noch Schwellen einbaue, plane falsch, erklärten sie bei einem Vor-Ort-Termin in Berlin.

„Es wird Zeit, dass wir anfangen, für den tatsächlichen Bedarf zu bauen“, sagt Jürgen Dusel. Er ist Beauftragter der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung. Diese finden oft nicht den Wohnraum, den sie benötigen. „Bereits jetzt fehlen über zwei Millionen barrierefreie und altersgerechte Wohnungen“, berichtet Dusel. Er erwartet einen weiterhin steigenden Bedarf, weil die Gesellschaft älter wird. In Deutschland gebe es 13,5 Millionen Menschen mit einer Beeinträchtigung. Jede vierte Person über 65 Jahren habe eine schwere Behinderung.

„Ein Gerücht, dass Barrierefreiheit teuer ist”

Wie mehr barrierefreier Wohnraum geschaffen werden kann, haben sich Dusel und Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) am Montag in Berlin angesehen. Im Ortsteil Wedding besuchten sie den Nettelbeckplatz. Die „Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG“ hat hier eine 70er-Jahre-Siedlung saniert und nebenan – wo bisher ein Parkhaus stand – 58 neue Wohnungen geschaffen. Viele von ihnen sind barrierefrei. Und auch im Bestand wurden Barrieren reduziert: unter anderem mit neuen Fahrstuhlzugängen im Erdgeschoss, automatischen Türöffnern und Lichtschaltern, Rampen und niedrigeren Schwellen an den Balkonen.

Im Neubau sind alle Wohnungen mit Balkonen ausgestattet. Auf hohe Schwellen wurde dabei verzichtet.

Vor allem im Neubau war es keine Kostenfrage, barrierefreie Balkonaustritte einzubauen. Das bestätigten Vertreter der Baugenossenschaft beim Vor-Ort-Termin. Der Behindertenbeauftragte Dusel kommentierte: „Ich halte es für ein Gerücht, dass Barrierefreiheit teuer ist.“ Wer heute noch baue und Barrieren schaffe, mache einfach einen schlechten Job. So sieht es auch Klara Geywitz: „Eine Schwelle wegzulassen, kostet nichts“, sagte sie. Breite Haustüren oder bodengleiche Duschen könnten von Anfang an mitgeplant werden. Klagen über entsprechende Bauvorschriften könne sie nicht nachvollziehen, machte die SPD-Politikerin deutlich.

Sozialer Wohnungsbau ohne Hindernisse

Die Ministerin treibt das Thema auch auf Bundesebene voran. „Mit den 14,5 Milliarden Euro, die wir bis 2026 für den sozialen Wohnungsbau bereitstellen, wollen wir mehr verbindlichen barrierefreien Wohnraum schaffen“, erklärt Geywitz.

Wie Architekt*innen und Stadtplaner*innen gemeinsam zu mehr Barrierefreiheit beitragen können, war am Montag auch Thema der Regionalkonferenz „Inklusiv gestalten“ in Berlin. Dort wurden gelungene Beispiele präsentiert und Ideen ausgetauscht. Veranstaltet wurde die Konferenz vom Behindertenbeauftragten gemeinsam mit den Architektenkammern Berlin und Brandenburg.

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