Gesundheitswesen

Große Unterschiede in der Pflegequalität

Karin Billanitsch20. September 2023
Ein älterer Mann schläft im Krankenbett (Symbolbild). Die Qualität der Pflege in Heimen ist in Deutschland regional unterschiedlich laut einer neuen Studie der AOK.
Der AOK-Pflegereport zeigt: Nicht alle Heime für Pflegebedürftige sind gleich gut. Von Landkreis zu Landkreis sind die Unterschiede groß. Die Daten sollen die Akteure vor Ort auf Probleme aufmerksam machen.

Die Qualität der pflegerischen Versorgung ist in Deutschland nicht überall gleich hoch. Es gibt regionale Unterschiede bei der Versorgung von Pflegeheimbewohnenden, die der neue „Qualitätsatlas Pflege“ der AOK zum Thema macht. So bekommen zum Beispiel Pflegebedürftige in einigen Bundesländern deutlich mehr Beruhigungs- und Schlafmittel verordnet als im Durchschnitt. Bundesweit sind es fast acht Prozent der Heimbewohnenden, die dauerhaft solche Medikamente nehmen. „In den schlechten Kreisen sind es zehn Prozent und mehr, die solche Arzneimittel dauerhaft erhalten“, sagte Antje Schwinger vom wissenschaftlichen Institut der AOK (Wido). Eigentlich sollten pflegebedürftige Menschen maximal vier Wochen mit solchen Schlaf- und Beruhigungstabletten behandelt werden, hieß es.

Fokus auf drei Schnittstellen

Die Forscher*innen des Wido haben 350.000 Verordnungsdaten von Menschen ab 60 Jahren ausgewertet. Die Studie ist ein gefördertes versorgungsbezogenes Forschungsprojekt, das thematisch über die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung hinausgeht. Die Wissenschaftler*innen haben dabei drei Schnittstellen zwischen den medizinischen Sektoren Pflege und Gesundheitsversorgung genauer in den Fokus genommen: Neben der kritischen Arzneimittelversorgung sind es fehlende Prophylaxe und Prävention sowie vermeidbare Krankenhausaufenthalte.

Dass ein Mensch in der letzten Lebensphase ins Krankenhaus kommt, muss oft nicht sein. Im Bundesdurchschnitt sind es etwas über 40 Prozent der Heimbewohner*innen, in manchen Kreisen aber bis zu knapp 66 Prozent. „Insgesamt gibt es hier zwar einen Abnahme-Trend, aber regional gesehen bleiben Auffälligkeiten bestehen“, heißt es. Die Daten aus den einzelnen Kreisen können unter qualitaetsatlas-pflege.de abgerufen werden.

Blick über Sektorengrenzen hinaus

Die Versorgungsqualität an den Schnittstellen Pflege und gesundheitliche Versorgung sei mit Routinedaten, also den Abrechnungsdaten messbar, fasst Schwinger zusammen. Das eröffne den Blick auf „sektorübergreifende Aspekte“, weist sie auf die Bedeutung der Ergebnisse hin. „Wir möchten damit die Akteure vor Ort adressieren. Uns ist wichtig, diese Versorgungsunterschiede sichtbar zu machen und wir geben den Akteuren vor Ort ein Instrument an die Hand.“

Die Kommune hat keine gesetzliche Verantwortung bei der Qualitätssicherung der Pflege, sie ist aber „ein ganz wichtiger Player bei der pflegerischen Versorgung, bei der Planung und Gestaltung vor Ort“, betont Antje Schwinger. In den Kommunen wird die Infrastruktur geplant. Die Studie liefere „wichtige Daten“ für Qualitätsplanungskonferenzen, die KVen, die medizinischen Dienste und auch die Pflegekassen.

AOK sieht gesetzlichen Handlungsbedarf

Nach Ansicht von Sabine Richard, Geschäftsführerin Versorgung im AOK-Bundesverband, gibt es für die sektorenübergreifende Versorgung keine klaren politischen Verantwortlichkeiten. Die AOK sieht hier gesetzgeberischen Bedarf und fordert ein vertragliches Instrumentarium, das eine bessere Zusammenarbeit zwischen Heim und Klinik, zwischen Heim und den versorgenden Ärzt*innen ermöglicht. Um dabei unterstützen zu können, fordert die AOK „eine gesetzliche Grundlage für diese übergreifenden Verträge, die wir mit den Beteiligten aus der Langzeitpflege (SGB XI) und den Beteiligten auch der medizinischen Versorgung (SGB V) machen können“. Ziel wäre, dies sogar in der Regelversorgung zu etablieren.

Als zweiten Punkt nennt sie die Absicherung der Datenauswertungen. Hier spielt sie auf den Entwurf des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes (GDNG) an, mit dem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den Zugang zu Gesundheitsdaten für Forschungszwecke für das Gemeinwohl jetzt erleichtern will.

Die AOK hofft, mit der Studie „die richtigen Fragen anzustoßen“ und zu mehr sektorenübergreifendem Handeln zu kommen, um Veränderungen in Gang zu setzen. Die Daten seien ohnehin vorhanden, werden heute in die gesetzliche Qualitätssicherung nicht mit einbezogen. Die AOK appelliert, „das Potenzial dieser Daten auch bei der gesetzlichen Qualitätssicherung in der Langzeitpflege zu nutzen.“

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