Corona-Pandemie

Hospitalisierungswert und 2G: Worauf sich Bund und Länder geeinigt haben

Kai Doering19. November 2021
Je nach Hospitalisierungsrate sollen nur noch Geimpfte und Genese (2G) Zugang zu den meisten öffentlichen Bereichen haben.
Bund und Länder haben sich auf weitere Corona-Maßnahmen geeinigt. Die Impfpflicht für Beschäftigte in Pflegeberufen kommt. Je nach Hospitalisierungsrate sollen nur noch Geimpfte und Genese (2G) Zugang zu den meisten öffentlichen Bereichen haben.

Wir haben uns untergehakt“, sagte der geschäftsführende Bundesfinanzminister und designierte Bundeskanzler Olaf Scholz nach den Beratungen. Bei einer rund dreistündigen Videoschaltkonferenz am Donnerstagnachmittag hatten sich die geschäftsführende Bundesregierung und die Ministerpräsident*innen der Länder zuvor auf umfangreiche Maßnahmen im Kampf gegen die Ausbreitung des Corona-Virus verständigt. So sprechen sie sich für eine Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheits- und Pflegebereich aus. Der Bund soll eine entsprechende Regelung auf den Weg bringen.

2G und 2G+ je nach Hospitalisierungrate

Um die Ausbreitung des Virus kurzfristig einzuschränken, verständigten sich Länder und Bund darauf, ab einem Hospitalisierungsindex von drei Krankenhauseinweisungen von Corona-Infizierten pro 100.000 Einwohner*inne binnen sieben Tagen bezogen auf das jeweilige Bundesland die 2G-Regel anzuwenden. Danach erhalten nur noch Geimpfte und Genesene Zugang zu vielen Bereichen des öffentlichen Lebens wie Gaststätten, Theatern sowie Freizeit- und Sportveranstaltungen. Zurzeit überschreiten 12 der 16 Bundesländer die Hospitalisierungsschwelle.

Drei Länder überschreiten zudem – zum Teil deutlich – den Hospitalisierungswert von sechs Klininkweinweisungen. Hier soll künftig die 2G+-Regel gelten: Geimpfte und Genesen müssen zusätzlich einen tagesaktuellen negativen Corona-Test vorweisen. Wird ein Hospitalisierungsindex von neun überschritten (was zurzeit in Sachsen und Thüringen der Fall ist), soll der jeweilige Landtag über Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen entscheiden. „Wir brauchen einen schnellen Stopp des exponentiellen Anstiegs“, sagte die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Begründung.

Mehr Tempo beim Impfen

Die Ministerpräsident*innen und die geschäftsführende Bundeskanzlerin beschlossen zudem eine Beschleunigung der Booster-Impfungen. So sollen möglichst zügig zusätzlich 27 Millionen Auffrischungsimpfungen verabreicht werden. Dazu sollen u.a. die Vergütung für Ärzt*innen pro Impfung erhöht und alle Bürger*innen angeschrieben und zur Booster-Impfung eingeladen werden. „Wir brauchen einen nationalen Kraftakt beim Impfen“, forderte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), Nordrhein-Westfalens Regierungschef Hendrik Wüst.

Ausdrücklich dankten die Ministerpräsident*innen den Beschäftigten in der Krankenpflege für ihren Einsatz. Um diesen zu honorieren, soll es eine erneute Pflegeprämie geben. Die Höhe ist bisher nicht bekannt. Auch die Überbrückungshilfe III Plus soll, einschließlich der sogenannten Neustarthilfe, über das Jahresende hinaus verlängert und bis zum 31. März 2022 verlängert werden. So soll Unternehmen, die durch die Pandemie in wirtschaftliche Schieflage geraten sind, geholfen werden.

Ob er seine angekündigte Blockade am Freitag im Bundesrat nun aufgeben wird, ließ der MPK-Vorsitzende Wüst bei der Pressekonferenz offen. Er dankte Olaf Scholz aber für eine „Öffnungsklausel“, die es den Ländern erlaubt, die Änderungen des Infektionsschutzgesetzes in einer erneuten Sitzung am 9. Dezember zu bewerten. Eine Zustimmung der CDU-geführten Länder könnte damit wahrscheinlicher geworden sein.

Bundestag beschließt Änderung des Infektionsschutzgesetzes

Am Vormittag hatte der Bundestag mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes beschlossen. Zuvor gab es einen heftigen verbalen Schlagabtausch zwischen den Parteien im Bundestag. Die Auseinandersetzung zum Gesetzesentwurf führte bis hin zu juristischen Feinheiten, ob weiterhin Restaurants, Clubs oder andere Einrichtungen geschlossen werden könnten. Nach Erläuterungen von SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese ist dies weiterhin möglich, CDU-Politiker Jan-Marco Luczak widersprach dem vehement mehrmals. Wiese kommentierte schließlich: „Sie liegen falsch! Sie kennen die Vorlage nicht!“

Entsprechend des Entwurfes sollen darüber nämlich nun die Gesundheitsämter vor Ort entscheiden dürfen – pauschale, flächendeckende Schließungen sollen nach der Änderung des Infektionsschutzgesetzes allerdings nicht mehr möglich sein. „Wenn sie einen Lockdown wollen, dann müssen sie das hier sagen“, kritisierte Wiese deswegen die Redner*innen der Unionsfraktion.

Dittmar; „Wir schaffen Rechtssicherheit“

Auch andere SPD-Redner*innen betonten, dass der Instrumentenkasten im Kampf gegen Corona-Infektionen nicht beschränkt, sondern erweitert würde – vor allem über 2G- und 3G-Regelungen an Arbeitsplätzen und in öffentlichen Verkehrsmitteln. „Wir schaffen Rechtssicherheit“, verteidigte beispielsweise Sabine Dittmar (SPD) den Entwurf und verwies dabei auch darauf, dass selbst Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) das in der Vergangenheit gefordert hatte.

Die „epidemische Lage nationaler Tragweite“, die bisher Teil des Gesetzes war, wird als rechtlicher Rahmen inzwischen als bedenklich angesehen und würde nach aktuellem Stand am 25. November auslaufen. Seitdem ein großer Teil der Bevölkerung geimpft und damit weniger ansteckend ist, könnten Maßnahmen wie ein flächendeckender Lockdown oder Ausgangssperren als unverhältnismäßig von Gerichten gekippt werden, befürchten Politiker. 

Dieser Text ist zuerst auf vorwaerts.de erschienen. 

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