Flüchtlings- und Asylpolitik

Wie die Integration besser gemeistert werden kann

Karin Billanitsch15. September 2017
„Jeder macht das Richtige nach seiner Zuständigkeit, aber niemand ist für den Gesamtprozess zuständig“: Professor Jörg Bogumil sieht Defizite beim Verwaltungsvollzug im Umgang mit Flüchtlingen
Die Flüchtlingskrise bringt für die Verwaltungen auf allen Ebenen erhebliche neue Anforderungen mit sich. Trotz vieler Erfolge im alltäglichen Verwaltungshandeln gibt es laut einer Studie, die die Ruhr-Universität Bochum im Auftrag der Stiftung Mercator erarbeitet hat, noch viele Defizite. Diese Probleme und Lösungsansätze wurden gestern auf dem „3. Zukunftskongress Migration und Integration“ in Berlin diskutiert.

Im Umgang mit Flüchtlingen gibt es immer noch vielfältige Vollzugs- und Koordinationsdefizite. Das kritisiert Professor Jörg Bogumil von der Ruhr Universität Bochum in der Studie „Städte und Gemeinden in der Flüchtlingspolitik: Welche Probleme gibt es – und wie kann man sie lösen?“ Er machte insbesondere zersplitterte Zuständigkeiten im Bereich Asyl und Integration als Integrationshemmnis aus: „Jeder macht das Richtige nach seiner Zuständigkeit, aber niemand ist für den Gesamtprozess zuständig“, sagte er bei der Vorstellung der Studie auf dem „3. Zukunftskongress Migration und Integration“. Sie wurde im Auftrag der Stiftung Mercator erstellt.

„Unkoordiniertes Nebeneinander von Kursen“

Der Wissenschaftler kritisierte zum Beispiel die Qualität der Bescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die Dauer der Verfahren, die mangelnde Kommunikation mit Ausländerbehörden oder die das „weitgehend unkoordinierte Nebeneinander von Sprach- und Integrationskursen privater und öffentlicher Anbieter“. Es gebe zu wenig passgenaue Integrationskurse und Anschlusskurse. Er bezweifelte auch, ob das BAMF „unbedingt operativ für Integrationskurse zuständig“ sein müsse. Ein weiterer Punkt: In den Kommunen gebe es eine unübersichtliche Vielzahl von Beratungsangeboten von unterschiedlichen Anbietern, was oft doppelten Aufwand erfordert.

Bogumil forderte als Fazit, die komplexen Zuständigkeiten im Bereich Asyl zu reduzieren und Verwaltungstätigkeit zu bündeln. Er fände es zum Beispiel hilfreich, das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) abzuschaffen und für „Asylbewerber generell das SGB II zu öffnen“. Das würde, ist Bogumil überzeugt, zu erheblicher Verwaltungsvereinfachung führen. Er wies darauf hin, dass der Unterschied der jeweiligen Regelsätze heute nicht mehr so hoch sei, der Aufwand durch den Rechtskreiswechsel aber beträchtlich. Auf kommunaler Ebene wäre hilfreich, die Koordination der Flüchtlingsfragen  zu bündeln.

Sieben große Gesetzesänderungen in drei Jahren

Er machte auch auf eine weitere Problemlage aufmerksam: die zahlreichen Gesetzesänderungen in diesem Bereich. Es gab sieben große Gesetzesänderungen in den vergangenen drei Jahren: „Das muss ja auch in den Kommunen umgesetzt werden, aber niemand sagt ihnen, wie“ merkte Bogumil an. Auch dadurch entstehe erheblicher Mehraufwand.

Jutta Cordt, die Präsidentin des Bundesamts für Flüchtlinge und Migration, sagte auf dem Kongress mit Blick auf die langen Dauer der Verfahren, die immer wieder in der Kritik stehen: „Wir bauen die Rückstände der Asylverfahren kontinuierlich und konsequent ab.“ Im August gab es noch 114.000 anhängige Alt- und Neufälle. In diesem Jahr sei es das Anliegen des BAMF gewesen, keine Rückstände aufzubauen. Derzeit liegt die Bearbeitungsdauer eines Falls bei im Schnitt zwei Monaten. Mit Blick auf die Integrationskurse betonte Cordt, dass die Zuwanderer mit einem positiven Bescheid direkt zum Integrationskurs und zum Träger gesteuert werden. „So wird die Wartezeit auf Integrationskurse verkürzt.“

„Viele Flüchtlinge werden bleiben“

Bogumil geht davon aus, dass eine große Zahl von Asylbewerbern – er nannte einen Schätzwert von 700.000 – 800.000 längerfristig in Deutschland bleiben werden. „Machen wir uns nichts vor: die kommunale Integration wird noch mehrere Jahre dauern.“ Die Flüchtlinge seien zu 60 Prozent unter 25 Jahren und haben eine sehr unterschiedliche Bildung vorzuweisen.

Zur Sprache kam bei einer Diskussion auch der Umgang mit den Menschen, die nur einen Duldungsstatus haben. In der Regel gibt es für Geflüchtete ohne Bleibeperspektive keine integrationspolitischen Maßnahmen – aber sie leben in den Kommunen­. Aus dem kommunalen Fachpublikum kam die Frage auf, was denn mit diesen Menschen passieren soll, damit sich die soziale Lage nicht verschärft: „Auch diese Menschen brauchen Beratung“ forderte ein Mitarbeiter eines Jobcenters.

Jörg Bogumil betonte indes auch: „Vieles läuft gut“. Ohne die Kommunen sei die Krise nicht zu bewältigen gewesen, nicht zuletzt dank ihnen habe es kein Staatsversagen gegeben. Die Langfassung der Studie kann aus dem Internet heruntergeladen werden.

 

 

weiterführender Artikel