Serie: „Unser Rathaus“

In Ismaning residiert der Bürgermeister im Schloss

Carl-Friedrich Höck13. September 2023
Der Rote Saal gehört zu den schönsten Orten des Ismaninger Schlosses und ist ­besonders bei Hochzeitspaaren sehr beliebt.
Wo früher die Freisinger Fürstbischöfe residierten, waltet heute das Stadtoberhaupt von Ismaning seines Amtes. Die Ismaninger sind emotional eng mit ihrem Schloss verbunden. Seit 2014 ist Alexander Greulich (SPD) Ismanings Bürgermeister.

In der Geschichte Ismanings war der 15. November 1919 eine Zäsur. In ­einem Münchener Notariat wurde an diesem Tag ein Vertrag unterschrieben, mit dem die Gemeinde ihr Herz zurückbekam. Genauer gesagt: ihr Schloss. Als solches genutzt wurde der Barockbau schon längst nicht mehr. Wo früher die Freisinger Fürstbischöfe residiert hatten, später auch Prinzessin Auguste von Bayern, war zuletzt ein Ferienheim für Münchener Mädchen angesiedelt. Nun stand das Gebäude schon länger leer und verfiel zunehmend. Die Stadt München wollte es loswerden, Ismaning wollte es kaufen. Doch dafür fehlte der Gemeinde das Geld.

440.000 Mark sollte das Schloss kosten. Mit einem Grundstückstausch ­konnte Ismaning 100.000 Mark begleichen. Den Rest brachten die Bürger auf: 22 wohlhabende Bauernfamilien legten zusammen und liehen der Gemeinde das Geld. So konnte sie dringend benötigte Wohnungen einrichten und später auch die Verwaltung hier unterbringen. Noch heute dient das Schloss der Gemeinde als Rathaus.

Die Ortsmitte wurde geöffnet

Wie wichtig der Kaufvertrag für Ismaning war, kann der Erste Bürgermeister ­Alexander Greulich (SPD) anschaulich erklären. Zum Schloss gehörte auch ein Englischer Garten, umgeben von Schlossmauern. „Somit war der Ort geteilt in ein Oberdorf und ein Unterdorf“, sagt ­Greulich. Die Bürgerinnen und Bürger mussten stets einen großen Bogen um die Anlage in der Ortsmitte machen. Nach dem Ankauf baute die Kommune eine Straße durch den Schlosspark und öffnete ihn schrittweise für die Allgemeinheit.

Auch emotional sind die Ismaninger mit ihrem Schloss verbunden. „Wir sind eigenständig“, betont der Bürgermeister mit Blick auf das benachbarte München. Keinesfalls wolle man sich eingemeinden lassen, so wie es manch andere Orte getan haben. Ismaning ist älter als die Landeshauptstadt. Greulich sagt: „Wir waren viel länger freisingerisch als bayrisch.“ Das heutige Rathausgebäude symbolisiert diese Geschichte. In der ­Anlage befindet sich auch ein Schlossmuseum. Das Geschichtsbewusstsein der Ismaninger prägt sogar die kommunalpolitische Gegenwart. Noch heute achtet die Gemeinde darauf, sich nicht zu sehr von anderen abhängig zu machen. Ihre Strom- und Gasnetze betreibt sie lieber selbst und treibt die Wärmeversorgung mit Geothermie voran.

Greulich weiß, wie Ismaninger ticken, denn er ist hier aufgewachsen. Sein Schulweg führte ihn täglich durch den Schlosspark. Später wurde er Anwalt. Eines Tages fragte die SPD an, ob er sich vorstellen könne, für das Bürgermeisteramt zu kandidieren. Sein Vater war da schon lange in der Partei. Trotzdem riet er seinem Sohn zunächst zur Vorsicht: Als Anwalt könne man Mandanten verlieren, wenn man sich politisch oute. Schließlich sagte der Junior trotzdem zu. Sein erster Versuch, gegen den langjährigen Amtsinhaber das Rathaus zu erobern, scheiterte erwartungsgemäß. Doch im Jahr 2014 wurde Alexander Greulich tatsächlich zum Ersten Bürgermeister gewählt.

Zeitler prägte die Gemeinde

In Ismaning sind Bürgermeister traditionell lange im Amt. Der Sozialdemokrat Erich Zeitler übte es ganze 38 Jahre lang aus, von 1952 bis 1990. Und dies in einer Gemeinde, die wohlhabend und landwirtschaftlich geprägt ist – beides keine typischen Zutaten für sozialdemokratische Wahlsiege. Dazu war Zeitler auch noch ein Zugezogener. Erst 1951 hatte er sich in Ismaning niedergelassen. Doch als Rechtsanwalt genoss er parteiübergreifendes Ansehen. Im Amt gelang es ihm laut Greulich, die zahlreich nach ­Ismaning kommenden Vertriebenen gut zu integrieren und mit der alteingesessenen Bevölkerung „zu einem Miteinander zu führen“. Ein weiterer Erfolgsfaktor: Zeitler sei sehr bürgernah und immer ansprechbar gewesen.

Bürgernähe ist auch dem aktuellen Rathauschef wichtig. Besonders viel Freude machen ihm die Hochzeiten. „Ich habe gleich zu Amtsantritt einen ­Standesbeamten-Kurs gemacht und darf trauen“, erzählt Greulich. Als Trauzimmer dient heute der Rote Saal, er war früher der Empfangssaal des Schlosses. Die Wände und Decke sind prunkvoll verziert im Stil der Neurenaissance. Wie schön diese Hochzeits-Location ist, hat sich auch bei Eventagenturen herumgesprochen. Irgendwann wurde die Nachfrage so groß, dass die Gemeinde dem Andrang einen Riegel vorschieben musste. Heute dürfen sich nur Einheimische im Ismaninger Schloss das Ja-Wort geben.

Der Bürgermeister selbst hat noch in dem anderen Vorzeige-Raum des Schlosses heiraten dürfen, dem Blauen Saal. Das ist heute nicht mehr erlaubt, aus Rücksicht auf den 200 Jahre alten Boden. Die hohen Absätze der Damen hätten ihn zu sehr strapaziert, erklärt Greulich.

Auf Facebook postet er regelmäßig Fotos aus seinem Büro. Es befindet sich im ersten Stock, der Bürgermeister kann von dort aus auf den Schlosspark ­schauen und hört den Brunnen plätschern. „Ich habe hier den schönsten Arbeitsplatz weit und breit“, ist sich der Sozialdemokrat sicher.