Verschlossene Auster

Warum Journalisten einem AfD-Bürgermeister einen Negativpreis verleihen

Carl-Friedrich Höck02. Juli 2018
Die Verschlossene Auster
Die Verschlossene Auster geht an den „Informationsblockierer des Jahres”.
Die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche hat den AfD-Politiker Harry Ebert mit der „Verschlossenen Auster“ ausgezeichnet. Der Bürgermeister von Burladingen wird sich über den Preis wahrscheinlich nicht freuen. Denn mit ihm wird der „Informationsblockierer des Jahres“ gewürdigt.

Wie Netzwerk Recherche mitteilt, hat Harry Ebert die Auszeichnung für seinen „selbstherrlichen und respektlosen Umgang mit der örtlichen Presse“ erhalten. Der Bürgermeister der Baden-Württembergischen Kleinstadt Burladingen habe Lokaljournalisten mit einem regelrechten Strafkatalog überzogen.

Keine Auskünfte, Drohungen, Beschimpfungen

„Er verweigerte sich Interviews, ließ Anfragen unbeantwortet und wies städtische Mitarbeiter an, nicht mit der Presse zu sprechen. Er ließ im Amtsblatt der Stadt gegen die örtlichen Journalisten wettern und drohte mit dem Entzug von Abonnements, falls eine unliebsame Reporterin nicht abgezogen werde“, begründet die Journalistenvereinigung ihre Wahl für den diesjährigen Negativpreis.

Darüber hinaus habe Harry Ebert Journalisten sogar schriftlich verboten, im Rahmen ihrer Arbeit städtische Einrichtungen aufzusuchen. Das Hausverbot habe nicht nur für die Stadtverwaltung, sondern auch für Gebäude wie die Jugendmusikschule, Feuerwehrhäuser oder Hallenbäder gegolten. Mittlerweile habe der Bürgermeister das Hausverbot zurückgezogen, nachdem der Schwarzwälder Bote juristisch dagegen vorgegangen sei.

Berichterstattung als Majestätsbeleidigung

Dass Politiker einen fragwürdigen Umgang mit der Presse pflegen, kommt laut Netzwerk Recherche auch in anderen Kommunen vor. „Ebert erhält den Preis stellvertretend für alle Lokalpolitiker, die unliebsame Berichterstattung als Majestätsbeleidigung missverstehen und jeglichen Respekt vor der Arbeit der Journalisten vermissen lassen“, schreibt die Organisation in einer Pressemitteilung.

Ebert war zur Preisverleihung am 30. Juni in Hamburg nicht anwesend. Er könne nicht kommen, „da ich an diesem Tag u.a. Rasenmähen eingeplant habe”, richtete der AfD-Politiker den Organisatoren aus. Zugleich fragte er nach, ob der Preis denn „wenigstens mit einem Preisgeld verbunden“ sei.

Verschlossene Auster ging auch schon an Facebook

Netzwerk Recherche ist ein gemeinnütziger Verein, der 2001 gegründet wurde, um die Qualität der Medienberichterstattung zu verbessern. Ihm gehören viele investigativ arbeitende Journalisten an. Der Negativpreis „Verschlossene Auster“ wird seit 2002 verliehen. Preisträger in den vergangenen Jahren waren unter anderem der ADFC, Facebook, die Firma Heckler & Koch sowie „die Regenbogenpresse“.

Netzwerk Recherche vergibt auch einen jährlichen Positivpreis für besondere publizistische Leistungen, den „Leuchtturm“. Preisträger in diesem Jahr ist das MeToo-Rechercheteam der ZEIT und des ZEIT-Magazins, das die Affäre um Dieter Wedel aufdeckte.

Harry Ebert ist seit 1999 Bürgermeister von Burladingen. Er war zunächst parteilos und zwischenzeitlich CDU-Mitglied. Seit März 2018 gehört er der AfD an. Über sein Vorgehen gegen die örtlichen Reporter berichtete unter anderem das NDR-Magazin „Zapp“.

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