Fahrradkommunalkonferenz

„Keine Acht für niemand“

Carl-Friedrich Höck07. November 2017
Ein Radfahrer mit Helm fährt ueber eine Kreuzung auf dem Radstreifen in Berlin. Hier werden gerade neue Radverkehrsgesetze umgesetzt.
Seit zehn Jahren treffen sich Politiker und Experten regelmäßig, um über den Ausbau der Fahrrad-Infrastruktur in den Kommunen zu sprechen. In diesem Jahr war die Fahrradkommunalkonferenz Anlass für eine erste Bilanz. Diskutiert wurden aber auch die neuen Trends.

Sie sind leise und produzieren weder Feinstaub noch CO2: Fahrräder. Es gibt also gute Gründe, ihnen eine größere Rolle in der Verkehrsplanung einzuräumen. Genau das haben die Fachleute aus Kommunen und Landesbehörden vor, die sich seit zehn Jahren regelmäßig zu Fahrradkommunalkonferenzen treffen. Derzeit findet die elfte Ausgabe in Berlin statt, ausgerichtet vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu).

Keine Einzelkämpfer mehr

Burkhard Horn war von Anfang an dabei. Heute ist er freiberuflicher Berater für Verkehrsplanung, lange arbeitete er für die Berliner Senatsverwaltung. Am Dienstag zog er eine Bilanz. Die erste Konferenz in Göttingen 2007 sei noch „ein Treffen von Einzelkämpfern“ gewesen, erinnert sich Horn. Heute sei das Thema Radverkehr auf allen Ebenen –  Bund, Länder und Kommunen – angekommen. Noch immer seien aber nicht alle Akteure an Bord, merkte der Verkehrsplaner an und verwies etwa auf die Wohnungswirtschaft oder den Einzelhandel.

Vor zehn Jahren habe sich kaum einer vorstellen können, dass der Bund heute Radschnellwege fördert oder die Kommunen über Leihfahrrad-Systeme sprechen, lobte Horn die Fortschritte. Dennoch nehme der Radverkehr nicht in dem Maße zu wie damals erhofft, während die Erwartungen steigen. „Die Unzufriedenheit bei den Akteuren in der Radverkehrslobby wächst“, so Horn. Das sei auch eine Frage der Wahrnehmung. So sei es in Berlin mittlerweile Alltag, dass ein Radweg temporär um eine Baustelle herum verlegt wird – zulasten eines PKW-Fahrstreifens – anstatt ihn wie früher einfach zu unterbrechen. So etwas nehme die Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis. Die Politik brauche auch medienwirksame Leuchtturmprojekte – etwa Radschnellwege.

Digitalisierung und neue Gesetze

Auch die digitale Revolution müsse für den Radverkehr genutzt werden, regte Horn an. So könne man mittels „digitaler Fahrradklingeln“ Daten sammeln, wo besonders oft Verkehrshindernisse auftauchen oder wie sich in der Ampelschaltung eine „grüne Welle“ einrichten lässt.

Mehr tun müsse die Politik auf gesetzlicher Ebene, mahnte Horn an. In diese Kerbe schlug auch Hilmar von Lojewski, Beigeordneter des Deutschen Städtetages, und verwies unter anderem auf die Bedingungen für Leihfahrrad-Systeme. Es könne nicht sein, dass ein stationärer Anbieter Sondernutzungsgebühren für Straßenland zahlen muss, ein Unternehmen mit sogenanntem Free-floating-System aber nicht. „Hier muss Waffengleichheit herrschen“, forderte Lojewski.

Berliner Fahrrad-Volksentscheid

Umgesetzt werden neue Radverkehrs-Gesetze derzeit in Berlin. Verkehrs-Staatssekretär Jens-Holger Kirchner schilderte, wie aus einem Fahrrad-Volksbegehren ein Dialog mit der Politik wurde und schließlich ein Projekt der Landesregierung. Die Eckpunkte: Radwege sollen besser gesichert werden und es sollen deutlich mehr Abstellplätze entstehen. Vorrangige Verbindungen wurden definiert und sollen schnell ausgebaut werden, auch 100 Kilometer Radschnellwege sind geplant. Bis 2021 hat der Senat 200 Millionen Euro für Radinfrastrukturprojekte bereitgestellt. Eine neu gegründete städtische Gesellschaft soll sich um die bezirksübergreifenden Maßnahmen kümmern.

Konstruktiver Protest

Die Initiatoren des Volksentscheides lobte Kirchner als „Gegenentwurf zu brüllenden Bürgern auf der Straße“: Statt nur zu nölen hätten sie sich Gedanken gemacht und einen konkreten Vorschlag in die Diskussion gebracht.

Bei alledem, darauf verwies Burkhard Horn, dürfe man nicht vergessen auch die bestehenden Verkehrsverbindungen zu pflegen. Also zum Beispiel Schlaglöcher auszubessern. Horn brachte es mit einem Slogan auf den Punkt, den er einst auf einem Transparent vor einer Fahrradwerkstatt entdeckt hatte: „Keine Acht für niemand!“

 

 

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