Stadtwerke-Kongress

Kommunale Wärmewende: Hinter Wasserstoff bleibt ein Fragezeichen

Carl-Friedrich Höck10. April 2024
Diskussion auf der Stadtwerke-Jahrestagung mit Helmut Kleebank (SPD), Karin Thelen (Geschäftsführerin Regionale Energiewende) und Martina Butz (Geschäftsführerin Stadtwerke Hanau)
Die Politik hat vorgelegt, nun müssen die Stadtwerke die Wärmewende umsetzen. Auf einem Stadtwerke-Kongress in Berlin wurde deutlich, warum ihnen das Planen teilweise schwerfällt.

Die Aufgabe ist gewaltig: Vor knapp fünf Monaten hat der Bundestag das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung beschlossen. Es verpflichtet die Kommunen festzulegen, wie sie die Wärmeversorgung in Zukunft klimaneutral organisieren werden. Große Städte sollen bis zum Jahr 2026 Klarheit schaffen, kleinere Kommunen bis 2028. Nun sind die kommunalen Unternehmen am Zug. Auf einer Stadtwerke-Jahrestagung der Zeitung Handelsblatt war am Dienstag zu erfahren, wie die Umsetzung der Wärmewende bisher läuft und wo es noch hakt.

Nötige Investitionen treiben Kosten nach oben

Zwei große Herausforderungen wurden in den zahlreichen Debatten deutlich. Erstens: Die Wärmewende wird teuer, sehr teuer. „Wir müssen einen Haufen investieren“, stellte Heike Heim klar, Vorstandsvorsitzende der Dortmunder Stadtwerke. Damit würden auch für die Kund*innen die Preise steigen. Carsten Liedtke, Vizepräsident des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), sprach von zehn Milliarden Euro, welche die Stadtwerke künftig pro Jahr zusätzlich durch die Kund*innen refinanzieren müssten. Das sei ein gewaltiges Problem.

Der VKU sieht deshalb die Politik in der Verantwortung, für einen effizienten Rahmen für Investitionen zu sorgen, unter anderem mit Fördermitteln und Abschreibungsmöglichkeiten. Die Stadtwerke treibt aber auch die Frage um, wie das vorhandene Geld für Klimaschutz bestmöglich eingesetzt werden kann. Schließlich ist nicht nur der Ausbau klimafreundlicher Fernwärme teuer, auch andere Maßnahmen wie Gebäudedämmung kosten viel Geld. Rein technisch ließen sich alle Probleme lösen, sagte Michael Maxelon, Vorstandsvorsitzender der Mainova AG. „Dass wir nicht alles gleichzeitig finanzieren können, ist auch jedem klar.“ Er forderte ein Energiespar-Contracting, um zu ermitteln, welche Investitionen beispielsweise in effiziente Gebäudehüllen wirklich Sinn ergeben.

„Gefährlich sind Doppelförderungen“, warnte Maxelon. So sah es auch Heim: Wenn in einem Gebiet der Ausbau von Fernwärmenetzen gefördert werde, mache es wenig Sinn, hier auch den Bau von Wärmepumpen zu bezuschussen. Genau das passiert aber in der Praxis. Anders macht es die Stadt München, wie Karin Thelen berichtete, Geschäftsführerin für Regionale Energiewende bei den Stadtwerken der Landeshauptstadt. Die Kommune habe ein eigenes Förderprogramm für Wärmepumpen aufgelegt, das aber nur dort genutzt werden könne, wo keine Fernwärmeversorgung geplant sei.

Schwierige Prognosen

Die zweite große Herausforderung: Die Stadtwerke wissen noch nicht, welche Technologiesprünge es in den kommenden zwei Jahrzehnten geben wird. „Wir brauchen jetzt einen Plan mit den Technologien von heute“, betonte Mainova-Chef Maxelon. Gleichzeitig müsse man für neue Perspektiven offen bleiben.

Konkret diskutiert wurde das am Beispiel Wasserstoff. Dieser lässt sich klimafreundlich, also „grün“ herstellen – bisher jedoch nur in vergleichsweise kleinen Mengen und zu hohen Preisen. Trotzdem unterstrich VKU-Vize Carsten Liedke: „Wasserstoff gehört für uns mit dazu“. Die Nachfrage sei im kommunalen Fernwärmemarkt jetzt schon vorhanden, und in Teilen auch die Infrastruktur.

Hintergrund ist, dass ein Teil der Gasnetze künftig mit grünem Wasserstoff betrieben werden könnte – darauf setzen zumindest die Befürworter*innen der Technologie. Wie teuer Wasserstoff oder Strom im Jahr 2035 sein werden, lasse sich noch gar nicht beantworten, argumentierte Liedke. Dass die künftigen Wasserstoff-Preise den Einsatz im Wärmemarkt rechtfertigen könnten, hofft auch Alexander Lück vom Erdgas-Großhändler VNG. Wasserstoff werde aber Erdgas nicht eins zu eins ersetzen können, zeigte er sich sicher. Expert*innen gehen davon aus, dass Wasserstoff vor allem für die Industrie, kommunale Kraftwerke oder den Flugverkehr eine wichtige Rolle spielen könnte.

Ampel plant Wasserstoff-Gesetz

Am vergangenen Freitag haben sich die Ampel-Fraktionen verständigt, wie das künftige Wasserstoff-Kernnetz finanziert werden soll. Bis zum Jahr 2037 soll ein 10.000-Kilometer-Netz entstehen, teils durch Neubau, teils durch Umwidmung bestehender Erdgas-Netze. Knapp 20 Milliarden Euro wird das nach Schätzung der Fernleitungs-Netzbetreiber kosten. Bezahlen sollen das die Nutzer*innen über Entgelte, der Staat wird aber in den kommenden Jahren in Vorleistung gehen.

Der VKU bewertete die Einigung in einem Statement als wichtigen Schritt für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft, weil alle Akteure Planungs- und Investitionssicherheit bräuchten. Entscheidend seien aber die Details – und die seien noch offen. VKU-Vize Liedke warnte die Ampel-Koalition davor, zu hohe Hürden für Wasserstoff zu schaffen, etwa durch strenge Effizienz-Vorgaben, die es so für andere Technologien wie Wärmepumpen nicht gebe.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Helmut Kleebank plädierte dafür, bei der Wärmewende jetzt auf verlässliche Quellen wie Geothermie oder Abwärme zu setzen. Der Energiebedarf in der Bundesrepublik steige. In nächster Zeit werde Wasserstoff noch nicht in großem Umfang vorhanden sein.

„Der Investitionsbedarf ist riesig, damit die Transformation insgesamt gelingt“, bestätigte Kleebank entsprechende Aussagen aus der Stadtwerke-Branche. Mindestens bis zur nächsten Bundestagswahl werde es deshalb heftige Diskussionen um eine Anpassung der Schuldenbremse geben, prognostizierte er.

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