Uwe Zimmermann, Deutscher Städte- und Gemeindebund

Kommunen in Geldnot: „Das Defizit ist ein deutliches Warnsignal”

Carl-Friedrich Höck09. April 2024
Uwe Zimmermann Porträtfoto
Uwe Zimmermann
Die deutschen Kommunen schreiben nach langer Zeit wieder rote Zahlen: Fast sieben Milliarden Euro betrug das Minus im Jahr 2023. Uwe Zimmermann vom Deutschen Städte- und Gemeindebund erklärt, welche Folgen das hat.

DEMO: Die deutschen Kommunen weisen für das Jahr 2023 ein Defizit von 6,8 Milliarden Euro auf. Damit schreiben sie erstmals seit 2011 wieder rote Zahlen. Was bedeutet das für den Alltag in den Kommunen?

Uwe Zimmermann: Das Defizit ist ein deutliches Warnsignal: Mit Blick auf die Kommunalfinanzen, aber auch auf die Erwartungen, die an die Städte und Gemeinden formuliert werden. Wir haben bereits einen großen Investitionsrückstand. Wir müssen aber investieren: in Klimaschutz und Klimaanpassung, die Mobilitätswende, die Energiewende, Wärmeplanungen, Krankenhäuser, Digitalisierung, Bildung, Betreuung, Senioren … alle diese Themen gehen mit großen Investitionsbedarfen einher. Von den Kommunen wird erwartet, im nächsten Jahrzehnt eine Billion Euro zu investieren. Davon sind sie Lichtjahre entfernt, wenn sie jetzt Defizite schreiben.

Woher kommen die roten Zahlen?

Das hat das Statistische Bundesamt teilweise dargelegt: Die Ausgabeverpflichtungen der Kommunen nehmen stetig zu. Und die Perspektive für die nächsten Jahre ist leider keine bessere. Im vergangenen Jahr hatten wir ein einstelliges Milliardendefizit. Ich rechne damit, dass es in den kommenden Jahren zweistellig ausfallen wird.

Die Sozialausgaben sind stark gestiegen. Wie ist das zu erklären, ist der Sozialstaat zu großzügig?

Die Sozialpolitik in Deutschland ist sehr kostenaufwendig. Und ja, die Sozialausgaben sind ein maßgeblicher Grund für die milliardenschweren Finanzierungsdefizite der Städte und Gemeinden. Ich will sie aber gar nicht per se kritisieren. Denn die Leistungen tragen dazu bei, dass wir als Gesellschaft wichtige Ziele erreichen: sozial- und gesellschaftspolitisch, oder in der Familien-, Bildungs-, und Gleichstellungspolitik.

Es funktioniert aber nicht, dass der Bund solche Leistungen verspricht, sie gesetzlich regelt und die Kommunen dann maßgeblich für die Finanzierung geradestehen sollen. Wir müssen uns also genau anschauen, was der Staat mit Blick auf Zukunftsperspektiven leisten kann und wer für die Finanzierung einsteht.

Wie kommt es dazu, dass der Bund Gesetze beschließt und die Kommunen dafür zahlen müssen? Haben wir einen Fehler im System?

Es gibt im Verhältnis von Bund und Kommunen kein klar geregeltes Konnexitätsprinzip. Konnexität bedeutet vereinfacht ausgedrückt: Wer bestellt, muss auch bezahlen. Insbesondere bei sozialen Leistungsansprüchen gilt dieses Prinzip allerdings nicht. Die Kosten der Kommunen steigen, teilweise durch die Inflation, teilweise auch, weil Gesetze die Ausgaben nach oben treiben. Zwischen Bund und Kommunen gibt es dafür aber keine Finanzausgleichsregelung.

Wie genau wirkt sich die Inflation auf die Kommunalfinanzen aus?

Sie ist in den vergangenen zwei bis drei Jahren ein wesentlicher Kostenfaktor gewesen. Auch wenn der Effekt durch die Energiepreisbremsen abgefedert wurde, haben die Städte und Gemeinden milliardenschwere Mehrbelastungen, nicht nur bei der Energieversorgung. Investitionen sind teurer geworden, weil das Material mehr kostet. Neue Tarifabschlüsse haben zur Folge, dass externe Firmen teurer geworden sind, aber auch das eigene Personal. Die Menschen, die in den Verwaltungen arbeiten, sind unser wertvollster Schatz. Es ist wichtig, in Personal zu investieren, es zu gewinnen und binden zu können. Aber der letzte Tarifabschluss führt im Jahr 2024 in den Kassen der Kommunen zu Mehrausgaben von elf Milliarden Euro. Das ist eine große Belastung.

Mittlerweile lässt die Inflation deutlich nach. Das könnte ein Grund zur Hoffnung sein, dass sich die Kommunalfinanzen stabilisieren. Warum erwarten Sie trotzdem weiter steigende Defizite?

Das liegt an mehreren Faktoren. Die Inflation ist nicht gestoppt, sie hat sich nur verlangsamt. Selbst wenn wir jetzt wieder zu einer Inflationsrate von zwei bis drei Prozent kommen, passiert das auf der Grundlage der schon stark gestiegenen Preiserhöhungen. Wir haben also weiter steigende Ausgaben. Gleichzeitig stagniert die wirtschaftliche Entwicklung, was sich negativ auf die Steuereinnahmen auswirkt. Das kommt auch in den Kommunen an.

Und es gibt, wie schon erwähnt, riesige Investitionserwartungen an die Städte und Gemeinden. Das kann nicht funktionieren, wenn die Kommunen mit zweistelligen Milliardenbeträgen im Minus stehen. Wenn die Bundesregierung die Transformation zum Erfolg führen will, muss sie sich ernsthaft Gedanken machen, wie der Bund die Kommunen gemeinsam mit den Bundesländern so ausstatten kann, dass sie ihren investiven Anteil zur gelingenden Transformation leisten können.

Uwe Zimmermann ist Stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB) und als Beigeordneter unter anderem für die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zuständig.