Studie

Kostenloser ÖPNV in Ulm lässt Fahrgastzahlen steigen

Carl-Friedrich Höck05. März 2020
Testfahrt einer Straßenbahn der Stadtwerke Ulm: In Neu-Ulm und Ulm ist der ÖPNV an Samstagen kostenlos.
Samstags ist die Fahrt mit Bussen und Straßenbahnen kostenlos – das gilt seit knapp einem Jahr in Ulm und Neu-Ulm. Nun belegt eine Fahrgastbefragung, dass ein wesentliches Ziel erreicht wurde: Viele Menschen lassen ihr Auto stehen und nutzen stattdessen den ÖPNV.

Wegen einer Großbaustelle wurde Ulm zum Vorreiter der Verkehrswende. Die Bauarbeiten am Ulmer Bahnhof führen nämlich dazu, dass die für den Verkehr wichtige Friedrich-Ebert-Straße nur noch einspurig befahrbar ist. Trotzdem sollte die Innenstadt gut erreichbar bleiben. Also beschloss der Gemeinderat im April 2019: An Samstagen soll der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) in Ulm und Neu-Ulm kostenlos genutzt werden können.

Ulmer steigen auf ÖPNV um

Ein Ziel war es, mehr Menschen dazu zu bewegen, vom Auto auf Busse und Straßenbahnen umzusteigen. So sollte auch der Parkplatzmangel in der Innenstadt bekämpft werden. Nun zeigen erste Zahlen: Das Konzept ist aufgegangen.

Die Universität Ulm hat 4290 von Fahrgästen ausgefüllte Fragebögen ausgewertet. 40,3 Prozent von ihnen gaben an, sie hätten die Fahrt mit Bus oder Bahn ohne das kostenlose Angebot nicht angetreten. Von dieser Gruppe wiederum hätte mehr als die Hälfte (54 Prozent) den Angaben zufolge alternativ das Auto genutzt. 30 Prozent hätten die Strecke per Fahrrad oder zu Fuß zurückgelegt, zwölf Prozent hätten sich erst gar nicht auf den Weg gemacht.

Nutzen für das Klima

Die sogenannten „Kannibalisierungseffekte“ sind demnach geringer ausgefallen, als die Forscher erwartet hatten. So nennt man es, wenn vor allem Fußgänger*innen und Radfahrer*innen auf den ÖPNV umsteigen – die Verkehrsteilnehmenden also ohnehin umwelt- und klimafreundlich unterwegs sind.

52 Prozent der Befragten gaben an, den ÖPNV nun an Samstagen häufiger zu nutzen. Nur vier Prozent sagten, sie seien nun seltener mit Bus und Bahn unterwegs. „Besonders nachgefragt wird das Gratis-Angebot insbesondere von Menschen, die ansonsten nur gelegentlich oder eher selten mit Bussen oder Straßenbahnen unterwegs sind“, sagt Andreas Rebholz von der Universität Ulm, der die wissenschaftliche Arbeit koordiniert.

Eine Werbewirkung, die sich auch auf die Arbeitswoche auswirkt, hat der kostenfreie Samstag jedoch kaum. Weniger als zwölf Prozent der Fahrgäste äußerten die Absicht, auch von Montag bis Freitag häufiger mit dem ÖPNV zu fahren. Der Samstag entscheide sich grundlegend von anderen Wochentagen, wird Rebholz von der Uni Ulm zitiert: „Viele Menschen sind unterwegs um etwas einzukaufen oder zu erledigen. Außerdem gibt es mehr Ausflugs- und Freizeitverkehr als unter der Woche.“

ÖPNV bleibt samstags bis 2022 entgeltfrei

Nach einem weiteren Beschluss des Ulmer Gemeinderates soll der ÖPNV an Samstagen noch bis zum Jahr 2022 kostenlos bleiben. Die fehlenden Ticketeinnahmen werden dem Donau-Iller-Nahverkehrsverbund von der Stadt Ulm erstattet. Für das laufende Jahr hat der Verkehrsverbund hierfür einen Bedarf von 922.000 Euro errechnet. Ab 2021 schließt die Stadt auch Steuererhöhungen nicht aus, um die ÖPNV-Kosten zu tragen.

Laut einer Beschlussvorlage der Stadt Ulm für den Gemeinderat hat sich nicht nur die Gesamtzahl der Fahrgäste erhöht, es gebe auch eine höhere Fußgängerfrequenz in der Innenstadt. Das hätten Zählungen ergeben. Einen Einfluss auf diesen Effekt dürfte auch die Marketing-Kampagne „Ulm. Komm rein“ gehabt haben, mit dem die Kommune und Stadtwerke den kostenfreien Samstag begleiten.

Ein entgeltfreier Nahverkehr allein genügt aus Sicht der Wissenschaftler noch nicht, um den Verkehr dauerhaft zu verlagern. „Um Autofahrer zum Umstieg auf Bus und Bahn zu bewegen, bedarf es einer ganzen Reihe an zusätzlichen Maßnahmen. Dazu gehört auf jeden Fall der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und eine Verbesserung der Angebote“, sagt Martin Müller, Leiter des Instituts für Nachhaltige Unternehmensführung an der Universität Ulm.

 

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Meldung der Universität Ulm
Beschlussvorlage der Stadt Ulm für den Gemeinderat (Die Studienergebnisse können dort als PDF heruntergeladen werden.)