Mobilität

Lastenräder: Förderung als Flickenteppich

Harald Lachmann13. November 2023
Lastenräder bei einem Fahrrad-Fachhändler: Der Neukauf wird unterschiedlich gefördert.
Der Bund, sämtliche Länder und zunehmend mehr Kommunen bezuschussen den Kauf von umweltfreundlichen Lastenrädern. Doch jeder spielt nach eigenen Regeln, was die infrage kommenden Nutzer sowie die Förderzeiträume betrifft. Und zu oft sind wegen der stark steigenden Nachfrage die Töpfe nach kurzer Zeit schon leer

Lastenräder liegen im Trend. Und das erst recht, seit die doch schon recht schweren Tretmobile über einen elektrischen Hilfsmotor verfügen. Allein 2022 setzte der deutsche Handel 165.000 E-Lastenräder ab – ein Plus zum Vorjahr von spektakulären 37,5 Prozent. Insgesamt waren im letzten Jahr sogar 213.000 Cargobikes – wie sie auf Neudeutsch heißen – an umweltbewusst-pragmatistische Zeitgenossen gegangen, gut ein Viertel mehr als 2021.

Bis zu 2.500 Euro Zuschuss

Gezielt befördert wurde diese Entwicklung durch Kaufprämien und Zuschussprogramme, wie sie seit 2021 etwa das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) anschob. Dieses begünstigt den Kauf von E-Lastenfahrrädern und E-Lastenanhängern für den fahrradgebundenen Lastenverkehr. Die schweren Bikes müssen dabei für eine Nutzlast von mindestens 120 Kilogramm ausgelegt und ihre Transportmöglichkeiten unlösbar mit dem Fahrrad verbunden sein. Zudem sollen sie mehr Volumen befördern können als ein herkömmliches Fahrrad, und sie müssen serienmäßig und fabrikneu sein. Dann kann die nicht zurückzahlbare Förderung bis zu einem Viertel des Kaufpreises liegen – maximal 2.500 Euro pro E-Lastesel.

Indes sind Leasingverträge hiervon ausgeschlossen, im Gegensatz zu dem einen oder anderen Programm, mit dem inzwischen auch alle Bundesländer sowie nach und nach bereits Dutzende Kommunen nachgezogen haben. Seit diesem Jahr bieten etwa München, Regensburg, Braunschweig, Essen und Krefeld gewerblichen Lastenrad-Nutzern interessante Fördermöglichkeiten an. Sie unterscheiden sich darin von anderen Städten wie etwa Potsdam, Stuttgart oder Lübeck, die ihre Förderprogramme eher an Vereine oder Privatpersonen richten. Manche Stadt, beispielsweise Mainz oder Würzburg, macht hierbei auch gar kein Unterschiede.

Unterschiedliche Ansätze in der Lastenrad-Förderung

Auch auf Länderebene erlebt man diese Differenzierung. Während etwa Thüringen und Sachsen-Anhalt auch Anschaffungen durch Privatpersonen bezuschussen, behält Sachsen seine Mittel nur gewerblichen Nutzern, Kommunen, Vereinen und Zweckverbänden vor. Und jede Seite findet dafür auch ihre Argumente. Daniel Köhlerschmidt von der sächsischen Verbraucherzentrale bedauert es eher, dass Privatleute damit nicht zu mehr nachhaltiger Mobilität motiviert werden. Sachsens ADFC-Geschäftsführer Konrad Krause hält hier jedoch dagegen: „Der Boom im privaten Bereich kommt ja von alleine. Da ist eine unglaubliche Dynamik, die Hersteller kommen gar nicht hinterher. Gefördert soll dort werden, wo es noch nicht von alleine läuft. Da ist es gut, Anreize zu schaffen.“

Mittlerweile belohnen auch einige Energieversorger den Kauf oder das Mieten von Transporträdern mit und ohne E-Antrieb. Damit entwickelte sich jedoch mit der Zeit ein regelrechter Förder-Flickenteppich, der nicht leicht durchschaubar ist, zumal er oft auch nur befristet oder temporär gilt. In Sachsen beispielsweise werden Lastenpedelecs nur bis zu einer Nutzlast von 150 Kilo und/oder einem Transportvolumen von einem Kubikmeter gefördert – und zwar bis maximal 1.500 Euro pro Bike. In NRW erhalten dagegen noch bis bis Ende 2023 Unternehmen und Kommunen einen Lastenrad-Zuschuss von 60 Prozent, jedoch maximal 4.200 Euro. Der aktuelle Förderaufruf in Brandenburg, der sich an Vereine, Gemeinden und Gewerbetreibende richtete, startete am 1. Juni 2023 und endete schon wieder knapp fünf Wochen später. Und in Niedersachsen, wo die Landesmittel für Cargobikes bereits erschöpft sind, greift derzeit nur die bundesweite „Greenbike-Shop Lastenrad Förderung“: Jeder Käufer bekommt dabei ohne viel Papierkram 500 Euro zugeschossen, jedoch nur, wenn er sich für eine der Marken Urban Arrow, Cargon, Chike, Bakfiets oder Triobike entscheidet.

Gefördert wird nur der Neukauf

All das erschwert es gerade auch Handwerkern, Dienstleistern oder anderen gewerblichen Nutzern spürbar, das für sie optimale Hilfsangebot zu entdecken. Beachten müssen sie überdies, dass ein Lastenrad stets nur einmal gefördert wird, egal ob von Bund, Land oder Kommune. Und natürlich sollen es wie gesagt Neukäufe sein. Phantasievolle oder auch nüchtern-funktionale Cargobikes Marke Eigenbau, wie sie anfangs häufig zu sehen waren, als die Industrie noch dem Trend nachhinkte, haben keine Chance auf Förderung.

Gemeinsam ist all diesen Zuschussprogrammen darüber hinaus, dass sie de facto meist viel zu zeitig ausliefen, da man gerade in den größeren Städten offenbar den Ansturm potenzieller Nutznießer unterschätzt hatte. So waren oft schon nach wenigen Wochen oder Monaten die Fördertöpfe leer, so etwa in Potsdam und in Leipzig, aber auch in vielen Bundesländern wie Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen.

Bald zwei Millionen Cargobikes?

Experten für Mobilitätstrends wie Stefan Carsten vom Zukunftsinstitut in Frankfurt/Main prophezeien: „Das Lastenfahrrad hat eine große Zukunft in Deutschland!“ Er rechnet für 2030 mit jährlich zwei Millionen verkauften Cargobikes.

Nicht alle werden dann wohl dauerhaft bei Firmen oder Privatnutzern parken. Denn inzwischen entwickelt sich auch bei Lastenrädern ein neuer Geschäftszweig: der Verleih solcher Gefährte an Gelegenheitsnutzer, etwa in Kassel und in Leipzig. So oder so – für Trendforscher Carsten kommt es angesichts der prognostizierten Wachstumsraten vor allem auch darauf an, dass die Kommunen hierfür zunächst bisherigen Raum für Autos verstärkt zugunsten von Fahrrädern umwidmen. Das führt oft zu Konflikten in der Stadtgesellschaft, wie jüngst etwa in Berlin und Leipzig zu beobachten war. In Leipzig forderten etwa Zehntausende mit einer Petition den Erhalt von Autospuren, die für einen Ring-Radweg weichen mussten.

 

Mehr zum Thema Mobilität lesen Sie in der DEMO-Ausgabe 4/2023, die am 28. November 2023 erscheint.

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