Interview

Wie „Lego-Oma” Rita Ebel Rampen für Rollstuhlfahrende baut

Carl-Friedrich Höck12. Januar 2024
Sie nennt sich selbst „Lego-Oma”: Rita Ebel fertigt Auffahrhilfen aus Bausteinen und trägt so zu mehr Barrierefreiheit bei.
Für die Barrierefreiheit muss in Deutschland noch viel gemacht werden, meint Rita Ebel aus Hanau. Mit Lego-Steinen baut sie Auffahrhilfen und wurde dafür jetzt vom Bundespräsidenten ins Schloss Bellevue eingeladen. Ein Interview.

DEMO: Sie fertigen Rollstuhlrampen aus Lego-Bausteinen an. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Rita Ebel: Die Grundidee habe ich von jemand anderem übernommen. In einer Zeitschrift habe ich 2019 einen Bericht über eine Frau aus Bielefeld gelesen, die solche Rampen baut. Da dachte ich: Was für eine tolle Idee! Ich habe mich mit der Frau in Verbindung gesetzt und sie hat mir die Bauanleitung zur Verfügung gestellt. So fing es an. Ein Jahr später hat eine große Nachrichtenagentur über uns berichtet, seitdem boomt das Geschäft.

Woher bekommen Sie die vielen Bausteine?

Wir arbeiten ausschließlich mit gebrauchten Steinen, die wir aus der gesamten Bevölkerung gespendet bekommen. Deshalb bauen wir die Rampen auch nicht für Privatpersonen, sondern nur für Geschäfte oder staatliche Gebäude. Ausnahmen machen wir für Kinder, die auf den Rollstuhl angewiesen sind. Für sie haben wir auch schon einige Rampen gebaut.

Wie viele Rampen haben Sie bisher gebaut?

Viele Auffahrhilfen sind mit Motiven verziert, die zum Einsatzort passen – hier vor einem Geschäft.

Bisher 109 in unterschiedlichen Größen. Wir haben Auffahrhilfen gebaut für Optiker, Bekleidungsgeschäfte, eine Perückenfirma aus Stuttgart und für Sportvereine. Eine Rampe liegt in einem Kinderhospiz. Wenn wir einen Auftrag bekommen, fragen wir: Soll ein Logo drauf, soll sie einfach nur schön bunt sein oder sollen wir uns selbst etwas einfallen lassen?

Sind schon Kommunalpolitiker*innen auf Sie zugekommen? Schließlich ist Barrierefreiheit im öffentlichen Raum ein wichtiges kommunales Thema.

Wir hatten von Anfang an die Unterstützung von Oberbürgermeister Claus Kaminsky. Auch Bürgermeister Axel Weiss-Thiel und sein Nachfolger Maximilian Bieri haben uns geholfen.

Inwiefern?

Eigentlich erfüllen wir nicht die gesetzliche Vorschrift, dass Rampen maximal sechs Prozent Steigung haben dürfen. Deshalb nennen wir sie offiziell nicht Rampen, sondern Auffahrhilfen. Dafür gibt es keine Vorschriften. Aus der Kommunalpolitik wurde uns gesagt: Wenn es irgendwo ein Problem mit dem Ordnungsamt gibt, sollen wir Bescheid sagen, dann finden wir eine Lösung. Übrigens können wir die Sechs-Prozent-Vorgabe an vielen Stellen gar nicht einhalten, weil die Rampe sonst weit in den Fußweg hineinragen würde. Aber deshalb können wir ja nicht sagen: Wir bauen lieber gar nichts und die Rollstuhlfahrenden müssen vor der Tür bleiben.

Wie lange brauchen Sie für so eine Auffahrhilfe?

Das kommt darauf an, wie hoch die Stufe ist und wie aufwendig das Muster sein soll. Für die bisher aufwendigste haben wir 50 Stunden gebraucht.

Sie sagen „wir“. Wer gehört noch zum Team?

Bis zu 50 Stunden benötigt Rita Ebel für eine Rampe.

Das Team Lego-Oma bestand am Anfang nur aus mir und meinem Mann. Dann haben die Tochter und Enkelin mitgemacht. Seit zwei Jahren baut eine Freundin mit und insgesamt sind wir neun Leute im Team.

Am 9. Januar wurden Sie zum Neujahrsempfang des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier ins Schloss Bellevue eingeladen – zusammen mit weiteren engagierten Bürgerinnen und Bürgern. Was bedeutet Ihnen diese Ehrung?

Am Anfang habe ich noch überlegt, ob ich überhaupt hinfahren will. Ich war nämlich schon vor zwei Jahren zum Bürgerfest ins Schloss Bellevue eingeladen. Wegen eines Sturms musste die Veranstaltung kurzfristig abgebrochen werden, also wurden wir im Jahr darauf alle wieder eingeladen. Deswegen habe ich mich jetzt gefragt: Willst du schon wieder nach Berlin fahren? Dann ist mir bewusst geworden: Mit nur 50 Leuten aus ganz Deutschland zu einem Neujahrsempfang eingeladen zu werden, ist eine ganz andere Hausnummer. Das ist schon eine besondere Ehre, wenn mal als Privatperson dort eingeladen ist wegen dem, was man ehrenamtlich tut.

Hat der Bundespräsident mit Ihnen gesprochen?

Ja, und ich habe ihm eine Mini-Lego-Rampe geschenkt. Er hat mich erstaunt angeguckt und gefragt, was er damit machen soll. Ich habe geantwortet: Am besten legen Sie das als Briefbeschwerer auf Ihren Schreibtisch: als Erinnerung, dass in Deutschland noch sehr viel für Barrierefreiheit gemacht werden muss.

Unterstützen Sie andere, die es Ihnen nachmachen und selbst Rampen bauen wollen?

Ja. Es gibt eine ausführliche und bebilderte Bauanleitung in neun verschiedenen Sprachen. Die habe ich bestimmt schon hunderte Male durch die ganze Welt geschickt. Ich freue mich über jede Person und jede Stadt, die diese Idee weiterträgt. Zuletzt wurde ich häufiger gefragt, ob ich beim Bau der ersten Rampe dabei sein kann. Leider ist das in der Regel nicht möglich, denn wir machen das ja nur ehrenamtlich und haben selbst noch viele Aufträge abzuarbeiten.

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