Wahlsieger aus Lautertal (Vogelsberg)

Lukas Becker „Probleme anzupacken macht den Bürgermeisterjob aus”

Carl-Friedrich Höck13. Dezember 2023
Lukas Becker im Gespräch mit der DEMO-Redaktion
Lukas Becker wird bald Deutschlands zweitjüngster hauptamtlicher Bürgermeister sein – und der jüngste mit SPD-Parteibuch. Über seinen ungewöhnlichen Wahlsieg und seine Motivation spricht er im Interview mit der DEMO.

Sie wurden zum neuen Bürgermeister von Lautertal (Vogelsberg) gewählt. Wenn Sie im Juli 2024 ihr Amt antreten, werden Sie der zweitjüngste Bürgermeister Deutschlands sein. Wie bereiten Sie sich auf das Amt vor?

Aktuell bin ich dabei, ein Wahlversprechen umzusetzen: Ich ziehe nach Lautertal um. Eine Wohnung habe ich gefunden und richte diese jetzt her. Und natürlich schaue ich auch, wo ich mich noch ein bisschen weiterbilden und weiterentwickeln kann.

Dadurch, dass ich jetzt schon in der Gemeinde arbeite, muss ich mich nicht so intensiv einarbeiten wie jemand, der von außen ins Amt kommt. Ich habe hier meine Ausbildung gemacht, die Verwaltung von Grund auf kennengelernt und kenne die Themen, die unsere Gemeinde beschäftigten.

Kurios an Ihrem Wahlsieg war auch, dass Sie Ihren eigenen Chef aus dem Amt gedrängt haben. Als Sie Ihre Kandidatur erklärt haben, waren Sie noch Auszubildender in der Lautertaler Gemeindeverwaltung. Die Wahlniederlage hat Amtsinhaber Dieter Schäfer offenbar sehr getroffen: Er sagte danach über Sie, er sei „menschlich sehr enttäuscht“. Wie sieht Ihr Verhältnis zueinander jetzt aus?

Wir haben vor der Wahl schon professionell miteinander gearbeitet und haben uns nach der Wahl versprochen, das auch so fortzuführen. Wir reden meistens über betriebliche Themen, weniger über persönliche Dinge. Hierbei gehen wir normal miteinander um. Das wird mit Sicherheit auch bis zum 1. Juli so bleiben. Die Amtsübergabe werden wir gut meistern.

Sind Sie noch bei der Feuerwehr aktiv?

Ja, ich bin seit meiner Jugendfeuerwehrzeit dabei. Als ich meine Ausbildung begonnen habe, habe ich mich entschieden, in Lautertal die Tagesalarmsicherheit zu unterstützen. Ich will auch als Bürgermeister am Ball bleiben. So bekommt man direkt mit, was vor Ort läuft: Was wünscht sich die Feuerwehr und was braucht sie für ihre Arbeit? Ich finde es wichtig, das Ohr am Puls der Zeit zu haben.

Was an der Feuerwehrarbeit macht Ihnen Spaß?

Die gemeinschaftliche Arbeit. Im Team gemeinsam etwas für andere zu tun, ist etwas, das mich als Mensch grundsätzlich prägt. Das gilt für die Politik genauso wie für die Feuerwehr. Und es macht mir Spaß, mit den technischen Geräten zu arbeiten, die einem bei der Feuerwehr in die Hand gegeben werden.

Immer wieder hört man, dass Feuerwehrleute, Rettungskräfte und andere Ehrenamtliche bedrängt oder attackiert werden. Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht?

Mir ist das nicht passiert, und in meinem direkten Umfeld kann ich auch von keinen Erfahrungen dergleichen berichten. Diese unschöne gesellschaftliche Entwicklung ist bei uns auf kommunaler Ebene wahrscheinlich noch nicht angekommen.

Als Bürgermeister gehört es zum Amt dazu, dass man von einigen kritisiert wird – zuweilen auch mal in heftiger Form. Wie gehen Sie mit Kritik um?

Tatsächlich habe ich in der Wahlkampfzeit die Erfahrung gemacht, dass manche es mir übelgenommen haben, dass ich gegen meinen Chef antrete. Ich glaube aber, dass man hierbei drüberstehen muss. In der Politik wird es immer Menschen geben, welche eine Entscheidung begrüßen und andere wiederum lehnen diese ab.

Hilfreich ist es, wenn man mit Vertrauten darüber reden kann, wie gegebenenfalls auf Kritik reagiert werden sollte, oder auch nicht. Aber man muss auch akzeptieren, dass es Menschen gibt, die eben eine andere Meinung haben als man selbst.

Sie sind jetzt 26 Jahre alt. Welche Rolle hat das Alter im Wahlkampf gespielt?

Ich glaube, dass es bei der jüngeren Generation ein Vorteil war. Dort hat man gesagt: Wir haben hier jemanden, der wegen seines Alters eine ähnliche Perspektive hat, Zukunftsthemen anpacken will und sich damit auch langfristig an Lautertal bindet. Natürlich gab es auch welche, gerade aus älteren Generationen, die meinten: „Ach, der ist doch zu jung und hat kaum Erfahrung.“ Dieses Stimmungsspektrum hatte man schon.

Mit jahrzehntelanger Erfahrung in der Kommunalpolitik konnten Sie nicht punkten. Aber welche Stärken konnten Sie in die Waagschale werfen?

Ich würde mich als jemanden beschreiben, der zuhört und aus den Gesprächen herausfiltert, was die Leute wirklich bewegt. Und dann auch priorisiert, was ich anpacke und was ich vielleicht erstmal sein lasse. Ich engagiere mich seit 2016 in der Kommunalpolitik. Ich bin der Kirche, dem Vereinsleben und der Feuerwehr verbunden. Das sind Faktoren, die mich ausmachen und die bei vielen Menschen gut ankommen.

Wie sind Sie zur SPD und zur Kommunalpolitik gekommen?

Zur SPD bin ich eigentlich durch den durch den Politikunterricht gekommen. Dort haben wir uns mit den Parteien befasst. Außerdem habe ich zwei Opas, die SPD-Mitglieder sind oder waren – einer lebt leider nicht mehr. Dadurch ist dann auch die Parteizeitung vorwärts ins Haus gekommen. Natürlich habe ich da auch immer mal reingeschaut, was so drinsteht. Irgendwann habe ich dann gesagt: Das passt zu meinen Überzeugungen, damit kann ich mich identifizieren. Also bin ich 2015 in die SPD eingetreten.

Wie es dann so ist: Als junges Parteimitglied wird man irgendwann gefragt, ob man sich auch vorstellen kann, politisch aktiv zu werden. Und ich wollte etwas bewegen und für die Menschen erreichen. So kam es, dass ich 2016 in die Gemeindevertretung gewählt worden bin.

Gibt es ein politisches Projekt, das Ihnen als zukünftiger Bürgermeister besonders am Herzen liegt?

Eine bessere ärztliche Versorgung steht ganz oben auf meiner Prioritätenliste. Wir haben in der Kommune momentan keinen Arzt oder eine Ärztin, die eine Versorgung sicherstellt. Von daher gilt es, das Thema ganz voranzustellen und daran zu arbeiten.

Alle Parteien suchen politische Talente, auch die SPD. Würde es Sie perspektivisch reizen, auch in die Landes- oder Bundespolitik zu gehen?

Das steht für mich momentan nicht auf der Agenda. Ich fühle mich auf der kommunalen Ebene sehr wohl. Denn da ist man sehr nah an den Menschen dran, und das wirklich jeden Tag. Das Schöne ist, dass man hier ganz konkret sieht, was man anpacken und verändern kann. Die vielen kleinen und individuellen Probleme anzupacken, macht den Bürgermeisterjob aus.

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