Statistisches Bundesamt

Öffentlicher Nahverkehr: Zahl der Fahrgäste stagniert

Carl-Friedrich Höck18. September 2019
Ein Bus des Münchner Verkehrs- und Tarifverbundes: Im Busnahverkehr ist die Zahl der Fahrgäste zurückgegangen.
Im ersten Halbjahr 2019 haben kaum mehr Menschen den öffentlichen Nahverkehr genutzt als im Vorjahreszeitraum. Das zeigen neue Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Dabei muss der ÖPNV attraktiver werden, wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen will.

Über zwei Themen wird im politischen Berlin derzeit viel gesprochen: den Klimawandel und die fehlende Attraktivität ländlicher Räume. Für beides spielt der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) eine wichtige Rolle. Schließlich wolle kaum jemand in einem Dorf wohnen, in dem nicht mal ein Bus fährt, ist aus allen Parteien zu hören. Und das Bundesverkehrsministerium betont auf seiner Website: „Ein gut ausgebauter öffentlicher Personennahverkehr ist eine attraktive und umweltschonende Alternative für viele Wege, die sonst häufig mit dem Auto zurückgelegt werden. Rein rechnerisch werden durch die 30 Millionen Fahrgäste des ÖPNV täglich rund 20 Millionen Pkw-Fahrten vermieden.“

Weniger Menschen fahren Bus

Neue Daten des Statistischen Bundesamtes (Destatis) zeigen allerdings: Die Zahl der Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr nimmt kaum zu. Insgesamt beförderten die Verkehrsunternehmen im 1. Halbjahr 2019 knapp 5,8 Milliarden Fahrgäste. Das entspricht einem Plus von nur 0,1 Prozent.

Laut Destatis wurden nur die Eisenbahnen und S-Bahnen häufiger genutzt als im entsprechenden Vorjahreszeitraum (+2,3 Prozent auf fast 1,4 Milliarden Fahrgäste). Im Busverkehr geht die Zahl der Passagiere sogar zurück (-0,8 Prozent auf fast 2,7 Milliarden Fahrgäste). Dasselbe gilt für den Straßen-, Stadt- und U-Bahnverkehr (-0,3 Prozent auf knapp 2,1 Milliarden Fahrgäste).

Zuwächse im Fernverkehr

Positiv entwickelt sich dagegen die Zahl der Fahrgäste im Eisenbahn-Fernverkehr. Dieser hat mit 72,3 Millionen Reisenden einen Zuwachs von 1,7 Prozent erzielt, meldet das Statistische Bundesamt.

Für den Linienfernverkehr mit Bussen sind die Destatis-Daten nur bedingt aussagekräftig. Die Statistik weist einen Rückgang von 4,4 Prozent auf nun 10,4 Millionen Fahrgäste aus. Dazu erklärt Destatis: „Ein Teil der Fahrten wurde zwischenzeitlich auf Unternehmen verlagert, die ihren Sitz im Ausland haben und für die daher keine aktuellen Angaben vorliegen. Ohne diesen Sondereffekt dürfte die Zahl der Fernbusreisenden leicht gestiegen sein.“

Für die Daten hat Destatis 800 Unternehmen mit Sitz in Deutschland befragt, die Nah- oder Fernverkehrsverbindungen anbieten.

SPD will 365-Euro-Tickets fördern

Laut Medienberichten will Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) den Öffentlichen Nahverkehr stärken, um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen. Die Netze von U-, S- und Straßenbahnen sollen ausgebaut und die Taktzahlen erhöht werden. Dafür plane Scheuer bis 2030 rund 2,3 Milliarden Euro ein, zitiert die ARD aus einem Papier des Verkehrsministeriums. Am kommenden Freitag will die Bundesregierung konkrete Klimaschutzmaßnahmen beschließen.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat Anfang September ein Konzeptpapier zum Klimaschutz vorgelegt. Die Sozialdemokraten fordern einen flächendeckenden Ausbau von Bussen und Bahnen sowie Jahrestickets für den ÖPNV zum Preis von 365 Euro. Die Kommunen, die eigentlich für den ÖPNV zuständig sind, sollen vom Bund bei der schrittweisen Einführung eines 365-Euro-Tickets unterstützt werden.

Als Reaktion auf die Destatis-Zahlen fordert die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Kirsten Lühmann weitere Anstrengungen. „Die stagnierenden ÖPNV-Fahrgastzahlen zeigen, dass wir weitere Investitionen in die Infrastruktur benötigen, um mehr Verkehre anbieten zu können. Hier sind Kommunen, Länder und der Bund gefragt.” Der Bund unterstütze den ÖPNV bei der Bestellung von Verkehren und dem Infrastrukturausbau bereits mit den Regionalisierungsmitteln (2019: 8,65 Milliarden Euro) und Mittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG, 333 Millionen Euro). Die Mittel würden im Jahr 2020 nochmals deutlich erhöht, so Lühmann.

Landkreistag warnt: EU-Vorgaben lassen Kosten steigen

Unterdessen warnt der Deutsche Landkreistag davor, den Klimaschutz auf Kosten der ländlichen Räume zu gestalten. Hier verfüge nahezu jede Familie über ein eigenes Auto, sagt Landkreistag-Präsident Reinhard Sager am Rande der Jahrestagung des Verbandes in Merseburg. Schwierig sei die Situation bei kommunalen Nutzfahrzeugen und Elektrobussen: „Die EU hat hier unlängst ambitionierte Vorgaben gemacht, die vorsehen, dass bis 2025 bzw. 2030 ein großer Teil der beschafften Busse und Lkw ‚saubere Fahrzeuge‘ sein müssen. Das ist allerdings im ländlichen Raum ohne massive Unterstützung auch durch Bund und Länder im Zuge der anstehenden Beschlüsse des Klimakabinetts nicht darstellbar.” Den Verkehrsbetrieben würden sonst unverhältnismäßige Kosten drohen. Das bringe den ÖPNV in der Fläche nicht voran, schlimmstenfalls sogar zum Erliegen, meint Sager.

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