DEMO-Kommunalkongress

Zum Schutz von Mandatsträger*innen: Faeser will hart gegen Hetze vorgehen

Uwe Roth08. November 2022
Kommunalpolitiker*innen müssen vor Hass von rechter Seite besser geschützt werden. Bundesinnenministerin Nancy Faeser kündigte am Dienstag beim 17. DEMO-Kommunalkongress eine Anlaufstelle zur Soforthilfe an.

„Hass, Gewalt und Hetze greift immer mehr Raum. Wir müssen dagegen hart vorgehen“, forderte Bundesinnenministerin Nancy Faeser in ihrer Rede am zweiten Tag des DEMO-Kommunalkongresses in Berlin. Auch bei Hetze im Netz müssten die Politik und die Justiz hart eingreifen. „Mich macht es wütend, wenn eine Bürgermeisterin mit solchen Sätzen bedroht wird wie: Wir wissen, wo Ihr Kind in den Schule geht.“ Dass Bürgermeister*innen nach solchen Drohungen sogar überlegten, ihr Amt aufgeben, „ist das Schlimmste, was passieren kann“.

Die SPD-Politikerin hat Praxiserfahrung. Ihr Vater war Bürgermeister, und sie war viele Jahre Mitglied in der Stadtverordnetenversammlung im hessischen Bad Soden. Sie weiß, dass man solchen Attacken hilflos gegenüberstehen kann und nicht weiß, an wen man sich wenden kann, um über psychische Verletzungen zu sprechen oder darüber, wie man gegen anonyme Hetzer*innen rechtlich vorgehen kann.

Deshalb möchte die Innenministerin eine Anlaufstelle schaffen, mit der Betroffene über die Polizei hinaus in Kontakt treten können. Aufgebrachte Bürger*innen, so weiß sie, wetterten zwar gegen „die da oben“. Aber die unmittelbare Wut bekämen die Menschen in den Rathäusern und Landratsämtern unmittelbar zu spüren. Die Betroffenen müssten in die Lage gesetzt werden, sich gegen solche Attacken zur Wehr zu setzen.

Über die Hälfte der Bürgermeister*innen berichten über Drohung und Gewalt

Über die zunehmenden Drohungen gegen lokalen Mandatsträger*innen wurde am Dienstagvormittag beim DEMO-Kommunalkongress ausführlich gesprochen. Laut Umfragen sind fast 60 Prozent der Bürgermeister*innen schon einmal bedroht oder sogar körperlich angegriffen worden. Etwa 20 Prozent hätten aus Angst oder auch, um die Familie zu beschützen, über einen Rückzug aus der Kommunalpolitik nachgedacht. 

Warum es seit einiger Zeit verstärkt zu solchen Attacken kommt und was dagegen getan werden kann, war auch Thema eines Podiumsgesprächs. Diskutant*innen waren die Oberbürgermeisterin von Völklingen im Saarland, Christiane Blatt, der Innenminister von Thüringen, Georg Maier, aus Österreich SPÖ-Mitglied Andreas Kollross sowie der Extremismus-Experte Oliver Kreuzfeld.

Regelrechter Hass in den Gesichtern

Praxisgespräch u. a. mit Thüringens Innenminister Georg Maier (am Mikrofon)

Körperliche Angriffe haben die Teilnehmenden des Podiumsgesprächs nach ihrem Bekunden bislang nicht erlebt. Auch Kreuzfeld ist, wie er sagt, bislang glimpflich davongekommen, obwohl er Aufmärsche von Rechtsextremen hautnah beobachtet. Doch psychische Gewalt beginnt mit Kleinigkeiten. Die Rathauschefin von Völklingen hat damit ihre Erfahrung gemacht: „Es ist logisch, dass man nicht von allen Wählern gemocht wird und für unsympathisch gehalten wird. Doch was ich in einigen Gesichtern gesehen habe, das war richtiger Hass“, berichtete sie aus ihrem Wahlkampf. Dass ihre Person nicht ursächlich für die aufgestaute Wut in den Menschen ist, sei ihr wohl klar. Doch wie sie von Menschen, die mit ihr noch nie zu tun hatten, zum Sündenbock gemacht worden sei, habe sie fassungslos gemacht.

Der Minister aus Thüringen sagte, er sei inzwischen sehr froh über den Personenschutz. Die Verrohung des politischen Klimas nehme in seinem Bundesland zu, in dem die AfD „eine besondere Plage” sei. Wären jetzt Wahlen, würde die vom Verfassungschutz in Thüringen als rechtsextrem eingestufte Partei wohl sämtliche Direktmandate gewinnen. Maier plädierte für eine wehrhafte Demokratie, zu der gehöre beispielsweise AfD-Mitglieder konsequent zu entwaffnen. Journalist Kreuzfeld berichtete von seinen Beobachtungen, wie Rechtsextreme versuchen, Querdenker für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Inzwischen seien die Anlässe nahezu egal, die die Menschen zu Protesten auf die Straße trieben. Erledige sich ein Thema, werde ein neues gefunden.

SPÖ wehrt sich gegen Rechte an vielen Fronten

Viele schlechte Erfahrungen machen auch die österreichischen Sozialdemokraten mit Parteien am rechten und rechtsextremen Rand, wie Andreas Kollross berichtete. Zur rechtspopulistischen/-radikalen FPÖ komme die MFG (Menschen-Freiheit-Grundrechte), in der sich radikale Impfgegner*innen versammelten. Kollross sieht die Gefahr vor allem im ländlichen Raum. Würde man die Städter*innen von der Wahl ausnehmen, würde Österreich von einer extrem rechten Regierung geführt, zeigte er sich überzeugt. Deshalb gelte es, die Landbevölkerung besser in allgemeine Entwicklung einzubeziehen, ihnen nicht länger das Gefühl zu geben, abgehängt zu sein.

In der Diskussion wurde deutlich, dass an sehr vielen Stellschrauben gleichzeitig gedreht werden muss, um die Lügen in den sozialen Netzwerken oder den Hass auf der Straße zu stoppen. Eine bessere politische und Medienbildung gehört dazu, hieß es. Den Ursachen auf den Grund zu gehen, gestaltete sich schwierig. Jeder auf dem Podium hat im Bekanntenkreis oder sogar in der Familie „Schwurbler”, wie Andreas Kollross auf österreichisch sagte, die mit einem Mal völlig abdrehten und plötzlich an Verschwörungstheorien glaubten. Landesminister Maier stellte mit Blick auf einen Teil seiner Nachbarschaft ratlos fest: „Was ist hier eigentlich schiefgegangen?“ Weitere Antworten, so zeigte es sich am Ende des Podiumsgesprächs, müssen erst noch gefunden werden.