Hass im Internet

Wie ein SPD-Kommunalpolitiker Hasskommentare kontert

Kai Doering04. März 2016
Der SPD-Kommunalpolitiker Samuel Diekmann hat auf Hasskommentare ungewöhnlich reagiert.
Der SPD-Kommunalpolitiker Samuel Diekmann hat auf Hasskommentare ungewöhnlich reagiert.
Als Samuel Diekmann per E-Mail und Facebook Hass-Nachrichten bekam, reagierte er überraschend: Der SPD-Kommunalpolitiker lud die Schreiber zum Gespräch ein. Im Interview spricht er über seine Erfahrungen.

Im Kommunalwahlkampf haben Sie per E-Mail und Facebook viele Schmähungen erhalten. Wann fing es damit an?
 
Angefangen hat es vor etwa drei Monaten als bei uns in Rödermark der Wahlkampf richtig begonnen hat.
 
Wurden Sie politisch oder eher persönlich angegriffen?
 
Das war eine Mischung. Ich bin ja von Beruf Pastor und meine Predigten werden alle als Audiopodcast auf Kanälen wie iTunes eingestellt und veröffentlicht. Einige der Hass-Mail-Schreiber müssen sich diese angehört haben, denn sie bezogen sich in ihren E-Mails und Postings zum Teil sehr konkret darauf. Aber egal ob sie politisch oder persönlich waren: Die Angriffe gingen schlicht zu weit und deutlich unter die Gürtellinie. Auf Facebook war der Ton noch vulgärer als in den E-Mails und es gab auch Gewalt-Drohungen gegen meine Familie, unter anderem gegen meine Frau.
 
Haben Sie überlegt, rechtlich gegen die Schreiber vorzugehen?
 
In dem Moment als die Drohungen mir bewusst wurden, habe ich darüber intensiv nachgedacht, mich aber nach Abwägung der verschiedenen Aspekte dagegen entschieden. Das meiste habe ich einfach gelöscht.
 
Und Sie haben einige der Schreiber zum Gespräch eingeladen. Wie haben die darauf reagiert?
 
Eine beliebte Beleidigung, die öfter gekommen ist, war der Satz: „Ihr seid die Scharia-Partei Deutschlands.“ Als Theologe kenne ich mich mit der Scharia recht gut aus und habe deshalb vorgeschlagen, doch mal darüber bei einem Bier zu diskutieren. Da war auf der anderen Seite mit einem Mal die Luft raus. Damit, dass einer, der gerade angegriffen wurde, die Hand reicht und ein Gespräch anbietet, hatten viele nicht gerechnet. Einige haben das Angebot angenommen und wir haben uns dann zum Austausch getroffen.
 
Wie sind die Gespräche verlaufen?
 
Insgesamt sehr gut. Viele Vorurteile kannte ich schon. Die Vorkommnisse zu Silvester in Köln waren ein Thema, aber auch ganz allgemeine Vorurteile gegenüber Ausländern. Ich habe dann von meinen Erfahrungen aus der Flüchtlingsarbeit berichtet. Irgendwann haben meine Gesprächspartner dann auch angefangen zu differenzieren. Wenn ich so zurückblicke, denke ich, dass ich mindestens eine von drei Begegnungen am Ende argumentativ für mich entscheiden konnte. Das klingt erstmal ernüchternd. Ich bin mir aber sicher, dass sich das multipliziert. Denn die Leute, mit denen ich mich getroffen habe, sprechen mit Freunden, Bekannten und ihrer Familie und überzeugen dort im besten Fall auch viele andere.
 
Haben Ihre Gesprächspartner gesagt, warum sie Sie angegriffen haben, wenn sie eigentlich etwas gegen die Flüchtlingspolitik haben?

 
Nein, aber ich habe eine gewisse Vorstellung hierüber. Ich bin sehr aktiv in sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook unterwegs. Dort fällt es leicht, einen Kommentar loszuwerden. Ich schätze diese Offenheit, aber natürlich wird man dadurch auch angreifbar.
 
Was hat Sie veranlasst, auf Ihrer Internetseite einen Text über die Angriffe via Facebook und Co. zu schreiben?
 
Ich habe lange gehadert, ob ich mich noch während des Wahlkampfs dazu äußere oder doch erst nach dem Wahlabend am 6. März ein öffentliches Fazit ziehe. In Gesprächen mit Freunden und anderen Parteimitgliedern wurde ich allerdings in meiner Position bestärkt, vor der Wahl an die Öffentlichkeit zu gehen, um auf das Thema hinzuweisen. Ich wollte jetzt sensibilisieren. Unsere Stadt Rödermark hat tolle Menschen. Für diese will und möchte ich gute und bürgernahe Politik gestalten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger!
 
In Ihrem Text kritisieren Sie auch andere Parteien, die mit flüchtlingskritischen Parolen Wahlkampf machen.
 
Ja, weil es mich richtig ärgert, dass CDU, FDP und Freie Wähler auf den letzten Metern vor der Wahl doch noch auf diesen Zug aufspringen. Wir arbeiten vor Ort alle gut mit dem Flüchtlingsverein, den Kirchen und anderen Organisationen zusammen. Nicht umsonst gibt es bei uns keine Gruppe der AfD. Und jetzt legt die FDP einen Flyer über „die Ereignisse in Köln“ vor und die CDU fordert per Twitter „Recht und Kultur (zu) achten“. Diese durchsichtigen und unnötigen Aktionen machen mich echt sauer, denn sie schaffen im schlimmsten Fall erst Probleme, welche wir bisher in unserer Stadt nicht hatten.
 
Sie haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht, Kritikern im persönlichen Gespräch den Wind aus den Segeln zu nehmen. Würden Sie anderen auch dazu raten?
 
Es ist immer sehr schwierig, allgemeine Ratschläge erteilen zu wollen. Ich kann und will deshalb nur von eigenen Erfahrungen berichten: Es sollte sich jeder sehr genau überlegen, mit wem man am Ende wirklich diskutieren will und dies dann auch kann. Wer nämlich pöbelt, ist selten offen für Argumente. Meine Grundregel, sich bei diesen Gesprächen immer an öffentlichen Plätzen zu treffen, empfehle ich jedem strikt einzuhalten. Sonst wir der Rahmen oft zu persönlich. In Rödermark habe ich gute Erfahrungen mit unserer „AnsprechBAR“ gemacht. Dabei laden wir als SPD Interessierte zum lockeren Gespräch ein. Diese Gespräche finden in wechselnden Lokalitäten im ganzen Stadtgebiet statt. Einen, der mich über Facebook angegriffen hatte, habe ich dorthin eingeladen. Gekommen ist er nicht. Für die persönliche Einladung hat er sich aber bedankt. Seither unterbleiben die bösen Kommentare. Mir zeigt das, dass man die Spirale des gegenseitigen Hochschaukelns durchbrechen kann, wenn man auf einen Hass-Kommentar anders reagiert, als es der Schreiber erwartet.

Samuel Diekmann

ist Industriemechaniker, Pastor und SPD-Kommunalpolitiker in Rödermark (Hessen). Bei der Wahl am 6. März 2016 kandidierte er auf Listenplatz 1 für den Stadtrat in Rödermark und auf Platz 35 für den Kreistag in Offenbach. Bei der Bürgermeisterwahl im kommenden Jahr tritt er für die SPD an.

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