Glosse „Das Letzte”

Kreuzrätsel lösen

Carl-Friedrich Höck15. August 2017
Glosse Das Letzte
Nicht zugänglich für Menschen ohne Humor: Die Glosse „Das Letzte”
Wenn eine Bürgermeisterwahl eng ausgeht, wird gern nochmal nachgeprüft. Manche Anfechtungen sind kurios. Und Witze sollte man sich vor der Wahlkabine besser verkneifen.

Hätten Nichtwähler in Parlamenten eine Vertretung, ihre Fraktion wäre vielerorts die stärkste. Manch einer verzichtet aus Mangel an überzeugenden Angeboten auf sein Kreuz, andere glauben, sich nicht für Politik zu interessieren (bis wieder eine Entscheidung ihren Alltag verändert). Und dann gibt es noch diejenigen, die vor jeder Wahl aufs Neue wiederholen: „Meine Stimme ändert doch eh nichts!“

Dass Letzteres Unfug ist, wissen wir nicht erst seit dem Brexit. (Zahlreiche Briten bekundeten hernach reumütig, sie hätten die Abstimmung für eine Art Folklore gehalten.) Auch bei deutschen Bürgermeisterwahlen gilt das Motto: „Jede Stimme zählt“. Besonders deutlich wurde das neulich in Bad Karlshafen, einer Kleinstadt bei Kassel. Mit nur einer Stimme Vorsprung setzte sich dort Marcus Dittrich in der Stichwahl gegen Petra Werner durch.

Ein Witz mit Folgen

Das allein reicht schon für die Aufnahme in die Rangliste der kuriosesten Wahlen des Jahres. Doch es wurde noch verrückter: Die Wahl wurde angefochten. Der Grund: Ein Wähler hatte aus der Wahlkabine heraus gefragt, ob er seinen Stimmzettel unterschreiben müsse. Ein Wahlhelfer hielt das für einen Witz – und antwortete mit „Ja“. Das Resultat: Eine ungültige Stimme.

Nun sind angefochtene Wahlen nichts Seltenes. Die DEMO hat an dieser Stelle bereits über eine Fußmatte in Greifswald berichtet, die den Eingang zu einer Wahlkabine offenhalten sollte, aber vorübergehend verrutscht war. Dennoch wurde die Oberbürgermeisterwahl nicht wiederholt.

Wahl-o-Meter

Erfolglos blieb Ende 2016 auch ein Einspruch nach der Bürgermeisterwahl in Eppelheim. Es ging laut einem Bericht der Rhein-Neckar-Zeitung „um ein Wahlplakat von ­Patricia Popp, das nach Ansicht eines Bürgers zu nahe an einem Laternenmast auf dem Weg in das Wahllokal ‚Villa Kunterbunt‘ hing“. Die Stadtverwaltung nahm Maß und notierte einen Abstand von 24,4 Metern. Glück gehabt: Die Schutzzone um das Wahllokal endet nach maximal 20 Metern. Ob sich auf dem Weg zur Urne wirklich noch der eine oder andere Wähler umentschieden hätte, wäre das Plakat fünf ­Meter weiter aufgehangen worden? Das ist eine Frage, die wohl nur Juristen leidenschaftlich und ernst diskutieren können.

Dafür können wir eine Lehre aus der Wahl in Bad Karlshafen ziehen. Es lohnt sich zuweilen für Kandidaten, rechtzeitig in den Ort zu ziehen, den sie regieren wollen. Denn die Stimme, die Petra Werner fehlte, war ihre eigene. Sie war noch mit Hauptwohnsitz in Offenbach gemeldet.