Kommunalwahl in Niedersachsen

Wie ein SPD-Ortsverein mit Facebook-Videos Wähler gewinnt

Kai Doering02. August 2016
Screenshot
Authentisch statt Hochglanz: Die Facebook-Videos der SPD Munster
Die SPD in Munster setzt im niedersächsischen Kommunalwahlkampf auf eigene Wege. Bis zur Wahl am 11. September stellen sich die Kandidaten in unkonventionellen Videos auf Facebook vor. Die Resonanz ist beachtlich.

Ein guter Trailer macht neugierig auf den Film, ohne dabei zu viel vom Inhalt zu verraten. Diese Grundregel beherzigt auch der SPD-Ortsverein Munster in Niedersachsen. Zur Kommunalwahl am 11. September hat er Videoclips mit seinen Kandidaten für den Stadtrat gedreht.

OV Munster: „Keine Medienprofis, aber ein gutes Team“

„Da kommt etwas auf Sie zu...“, heißt es vielversprechend zu Beginn des ersten Videos. Der Einminüter, der seit wenigen Tagen auf der Facebook-Seite des Ortsvereins zu sehen ist, ist zum einen eine Aneinanderreihung von Drehpannen, so genannten Outtakes, zum anderen gespickt mir klaren Botschaften an die Munsteraner Wähler. „Wir sind vielleicht keine Medienprofis“, heißt es in einer Einblendung selbstironisch, „aber wir sind ein verdammt gutes Team und halten nicht die Klappe“. Und Indra Kaldewey verspricht in einer Einstellung: „Wir erzählen die Wahrheit und nicht 75 Prozent gelogenes Zeug wie Herr Trump.“

Gemeinsam mit dem Ortsvereinsvorsitzenden Klaus Legien kümmert sich Kaldewey um die Produktion der Videos. „Fünf sind bereits fertig, weitere werden noch folgen“, erzählt sie. Das Format der etwa dreiminütigen Clips ist dabei stets ähnlich: Fotos aus Munster folgt ein Gespräch von zwei oder drei Stadtratskandidaten auf einem roten Sofa, in dem sie sich und ihre Ziele vorstellen.

Authentisch und bürgernah

Die Anmutung ist dabei bewusst unprofessionell gehalten. Es gibt weder ein Drehbuch, noch wurden die Protagonisten vor dem Dreh speziell gestylt. „Sie sitzen so auf dem Sofa, wie man sie auch auf der Straße trifft“, sagt Indra Kaldewey. Das Authentische sei das Konzept: „Wir sind eine bürgernahe Partei und wollen die Menschen emotional erreichen.“

Den Schritt in die sozialen Netzwerke hat vor allem Klaus Legien vorangetrieben, nachdem er vor zwei Jahren Ortsvereinsvorsitzender geworden war. „Im letzten Kommunalwahlkampf haben wir auf die bewährten Mittel wie Infostände und Verteilaktionen gesetzt“, berichtet er. Das sollte nun anders werden.  Inzwischen hat der OV einen Twitter-Account, einen Youtube-Kanal sowie Profile bei Instagram und Facebook. Über letzteren werden die Kandidatenvideos ans Wahlvolk gebracht.

Der Vorteil: Das Internet vergisst nicht

Erstaunlich dabei: Obwohl die Seite gerade mal 140 Personen „gefällt“, wurde das erste Video schon 25 Mal geteilt und fast 2800 Mal angesehen. „Wenn man die Leute mobilisieren möchte, zur Wahl zu gehen, muss man an sie ran“, ist Klaus Legien überzeugt. Dafür seien die sozialen Netzwerke der ideale Ort, „denn man trifft nicht jeden Wähler am Samstagvormittag am Infostand“, wie Indra Kaldewey weiß. Im Internet hätten die Menschen „den Kopf frei“ und seien offener für Politik. Und: Während Anzeigen und andere Veröffentlichungen schnell im Müll landeten, vergesse das Internet nicht.

Aber auch in der realen Welt gehen die Genossen aus Munster ungewöhnliche Wege. „Wir haben unsere Wahlplakate selbst gestaltet“, erzählt Klaus Legien. Auf jedem der Plakate ist außer dem Motiv ein QR-Code aufgedruckt. Wer diesen mit dem Smartphone einscannt, wird auf die Internetseite der Munsteraner SPD geleitet, wo es weitere Informationen gibt.

Plakatieren mit Plan

Seit dem Wochenende hängen sie in Munster – allerdings nicht flächendeckend, sondern nach Plan. „Wir haben anhand von Sozialdaten ermittelt, wo unsere Wähler wohnen“, erzählt OV-Chef Legien. Dort werde nun schwerpunktmäßig plakatiert. Darüber hinaus plant der Ortsverein für die kommenden Wochen noch eine Postkartenaktion, bei der die Munsteraner ihre Wünsche an die SPD formulieren können, ein „Question-and-Answer-Event“, bei dem Interessierte live ihre Frage per Facebook an die Kandidatinnen und Kandidaten stellen können, und auch das rote Sofa aus den Videos kommt weiter zum Einsatz: Auf dem Marktplatz können Wähler den SPD-Kandidaten dort ihre Fragen stellen – ganz persönlich von Angesicht zu Angesicht.

 

Dieser Artikel ist zuerst auf vorwärts.de erschienen.

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