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Söders Kritik an Altschuldenhilfe ist unredlich

Carl-Friedrich Höck25. Mai 2020
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU)
Bundesfinanzminister Olaf Scholz will den Kommunen helfen. Dafür kritisiert ihn Bayerns Regierungschef Söder. Dessen Argumentation ist löchrig. Ein Kommentar.

Zu den beliebtesten Floskeln in der Politik gehört die Gießkanne. Keinesfalls dürfe Geld mit selbiger verteilt werden, ist immer wieder zu hören. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bedient sich gerne der Gießkannen-Metapher. Mit ihr zog er beispielsweise gegen die Grundrenten-Pläne der SPD zu Felde.

Zielgerichtete Schuldenhilfe

Wer die rhetorische Gießkanne auspackt, will damit sagen: Steuergeld muss zielgerichtet ausgegeben werden, also dorthin fließen, wo es am dringendsten benötigt wird. Genau diesem Prinzip folgen die Altschuldenhilfe-Pläne von Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Sie sollen überschuldeten Kommunen die Last ihrer hohen Kassenkredite nehmen. Denn diese schnüren die Handlungsspielräume vor Ort ein. Nach einem Schuldenschnitt könnten die betroffenen Kommunen wieder in die Zukunft investieren, Schulen sanieren und das Leben vor Ort gestalten.

Das Problem: Viele der überschuldeten Kommunen sind Städte, die in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland liegen. Dort hat der Strukturwandel besonders hart zugeschlagen. Würde es Söder mit seiner Kritik am „Prinzip Gießkanne“ ernst meinen, müsste er befürworten, dass die Hilfsgelder vor allem in diese Regionen fließen. Doch die Wahrheit ist: Wann immer der Bund Geld verteilen will, denkt meistens jedes Bundesland an sich und fordert ein Stück vom Kuchen. Das ist legitim, schließlich sind die Landesregierungen zuerst ihren jeweiligen Wähler*innen verpflichtet. Solidarisch ist es in diesem Fall nicht.

Fadenscheinige Argumente

Söder und andere Scholz-Kritiker bedienen sich immer wieder dreier Argumente. Sie alle überzeugen bei näherer Betrachtung nicht. Argument eins: Scholz hätte sich mit dem Koalitionspartner und den Ländern abstimmen sollen, bevor er seine Pläne öffentlich macht.

So argumentiert unter anderem Bayerns Finanzminister Albert Füracker. Er tut so, als habe der Bundesfinanzminister sein Konzept völlig überraschend aus dem Hut gezaubert. Dabei arbeitet Scholz seit Langem daran, sich mit den Bundesländern abzustimmen und einen Kompromiss zu erarbeiten. Bereits im Koalitionsvertrag hatten SPD und Union vereinbart, das Altschuldenproblem anzugehen. Doch Bayern und andere Bundesländer haben gar kein Interesse, dieses Ziel auch umzusetzen. Zumindest nicht, so lange sie bei dem Paket leer ausgehen. Scholz kommt ihnen nun entgegen, indem er die Altschuldenhilfe mit einem zweiten Element verknüpft: Der Bund soll die Hälfte der Gewerbesteuerausfälle übernehmen, die den Kommunen aufgrund der Corona-Krise entstehen. Davon profitieren besonders die strukturstarken Kommunen – etwa in Bayern.

Die Schulden sind bereits gemacht

Argument zwei: Wegen der Corona-Krise müsse der Staat seine Ausgaben überdenken. Wünsche nach einer Altschuldenhilfe müssten daher zurückstehen.

Markus Söder unterlegt dieses Argument mit seiner Idee einer Schuldenobergrenze. Mehr als 100 Milliarden Euro dürfe sich der Staat die Corona-Hilfen nicht kosten lassen. Doch dabei übergeht Söder, dass die kommunalen Kredite ja bereits jetzt Teil der öffentlichen Verschuldung sind. Betrachtet man Bund, Länder und Kommunen als Teile eines Ganzen, werden also gar keine neuen Kredite aufgenommen, sondern die bestehenden nur verlagert. Der Vorteil: Der Bund bekommt die Kredite zu wesentlich günstigeren Konditionen. Letztlich spart der Staat also sogar Geld.

Hinzu kommt: Ohne die hohen Altlasten können die Kommunen auch wieder investieren und somit die lokale Wirtschaft und das Baugewerbe beleben. Das Geld wäre höchstwahrscheinlich besser angelegt, als wenn es in die Autokaufprämien flösse, mit denen Söder die Wirtschaft in der Corona-Krise ankurbeln will.

Die Mär vom bayerischen Steuergeld

Das dritte Argument ist besonders fragwürdig. Es lautet: Warum sollte Bayern für kommunale Schulden in anderen Bundesländern zahlen? „Mit bayerischem Steuergeld“ sei das nicht zu machen, betont etwa Bayerns Finanzminister Füracker und spricht sogar von einer „Zwangsverpflichtung der Länder nach den Regeln des Bundes“. Das ist eine bewusste Irreführung der Wähler*innen.

Richtig ist, dass Scholz den Ländern ein Angebot machen will: Wenn sie den Kommunen im eigenen Gebiet bei den Altschulden oder der Gewerbesteuer helfen wollen, gibt der Bund 50 Prozent der Kosten dazu. Wenn Bayern keine überschuldeten Kommunen hat, muss es folglich auch nichts für Altschuldenhilfe zahlen.

Natürlich ließe sich einwenden: Die Einnahmen des Bundes stammen von den Steuerzahlern aller Bundesländer und somit auch der bayerischen. Dann muss man aber auch daran erinnern: Die CSU hat selbst keine Gewissensbisse, Bundesgeld für Maßnahmen einzufordern, die vor allem Bayern zugute kommen. Nichts anderes ist die Forderung nach Autokaufprämien: Audi und BMW haben ihren Sitz in jenem Freistaat, den Söder regiert.

Gerade in der Corona-Krise ist Solidarität gefragt und nicht regionaler Egoismus. Die bayerische Regierung sollte ihre Blockadehaltung aufgeben und sich endlich konstruktiv an der Debatte beteiligen, wie überschuldeten Kommunen aus ihrer Not geholfen werden kann. Die Antwort lautet: Nicht mit der Gießkanne.