Aktuelles

Bundesverfassungsgericht: Beamte dürfen nicht prekär bezahlt werden

20. November 2025 09:27:13

Fast alle Beamten in Berlin werden verfassungswidrig niedrig bezahlt. Beschlüsse des Verfassungsgerichts zu anderen Ländern werden folgen.

Roben von Verfassungsrichtern an einer Garderobe

Roben von Verfassungsrichter*innen (Archivbild)

In Berlin werden mehr als 95 Prozent der Beamt*innen grundgesetzwidrig bezahlt. Das stellte das Bundesverfassungsgericht in einem an diesem Mittwoch (19.11.2025) veröffentlichten Beschluss fest. Dabei wurde auch eine neue Methode zur Berechnung verfassungskonformer Beamtenbesoldung eingeführt.

Das Grundgesetz garantiert den Beamten in Artikel 33, dass die „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums” berücksichtigt werden. Zu diesen Grundsätzen gehört das Alimentationsprizip. Beamt*innen sollen soviel verdienen, dass sie und ihre Familie „amtsangemessen” leben können. Was das konkret heißt, hat das Bundesverfassungsgericht nun neu bestimmt und dabei seine bisherigen Vorgaben von 2015 geändert.

Mindestkriterien für die Besoldung

Zunächst müsse sichergestellt werden, dass Beamt*innen nicht „prekär” leben müssen, sondern frei von existenziellen Sorgen sind. Das heißt, sie sollen nicht weniger als 80 Prozent des statistischen Median-Einkommens verdienen. Bisher war die Vorgabe des Verfassungsgerichts für die Mindestbesoldung, dass Beamt*innen mindestens 15 Prozent mehr als Bürgergeldbeziehende erhalten müssen. Die Bezugnahme auf das Existenzminimum erschien den Verfassungsrichter*innen inzwischen aber unangebracht, deshalb greifen sie jetzt zur eher soziologischen Kategorie des Median-Einkommens. In der Sache bringt das den Betroffenen aber nur eine kleine Verbesserung.

Außerdem dürfen Beamt*innen nicht von der allgemeinen Lohn- und Preisentwicklung abgekoppelt werden, so das Verfassungsgericht. Wenn die Beamtenbesoldung um mehr als fünf Prozent hinter dem Tariflöhnen-Index, dem Nominallohn-Index oder dem Preisindex zurückbleibt, ist das ein Indiz für die Verfassungswidrigkeit.

Zudem muss ein ausreichender Abstand zwischen den Besoldungsstufen der Beamt*innen gewahrt werden. Wenn die Unterschiede zwischen den Stufen zusammenschrumpfen, wäre auch das ein Indiz für die Verfassungswidrigkeit der Besoldung.

Ausnahmen erlaubt

Die amtsangemessene Bezahlung darf Deutschland und die Bundesländer allerdings nicht in eine existenzielle Krise stürzen. Wenn das der Fall wäre, wäre ausnahmsweise auch eine Bezahlung der Beamt*inen, die gegen das Alimentationsprinzip verstößt, gerechtfertigt. Das Verfassungsgericht ist hier aber streng: eine angespannte Haushaltslage genügt noch nicht, um den Beamt*innen eine verfassungswidrig niedrige Besoldung aufzuerlegen.

Die Richter*innen betonen, dass die Politik bei der Besoldung einen weiten Gestaltungsspielraum hat. Die Beamt*innen müssten aber ihre Mindestansprüche gerichtlich einklagen können, weil für Beamt*innen in Deutschland ja ein Streikverbot gilt. Da die Beamtenbesoldung per Gesetz festgelegt wird, kann letztlich nur das Bundesverfassungsgericht feststellen, dass Beamt*innen verfassungswidrig schlecht bezahlt werden.

Derzeit liegen am Bundesverfassungsgericht rund 70 Richtervorlagen aus verschiedenen Bundesländern. Das Gericht macht sich schon Sorgen um eine mögliche Überlastung.

Beamtenbesoldung in Berlin verfassungswidrig

In diesem ersten Beschluss befassten sich die Verfassungsrichter*innen jetzt mit der Situation in Berlin. Da es in Berlin von 2004 bis 2010 überhaupt keine Erhöhung der Besoldung gab, rutschten die untersten Besoldungsstufen in die Prekarität. Wegen des Abstandsgebots wurden mittelbar auch die mittleren Besoldungsstufen bis A 13 verfassungswidrig. Betroffen sind 95 Prozent der Berliner Besoldungsgruppen, also mehr als 95 Prozent der Berliner Beamten. Das Verfassungsgericht stellt die Grundgesetzverletzung für die Jahre 2008 bis 2020 ausdrücklich fest, sie dürfte aber heute noch gelten.

Der Berliner Finanzsenator Stefan Evers (CDU) kündigte postwendend ein „Reparaturgesetz” an. Die Mehrkosten für das Land Berlin bezifferte er noch nicht. Die Neuregelung muss bis Ende März 2027 beschlossen sein. Für die Vergangenheit profitieren nur die Beamten, die Rechtsmittel eingelegt hatten.

Autor*in
Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent für verschiedene Tageszeitungen, den vorwärts und die DEMO.

Weitere interessante Rubriken entdecken

Noch keine Kommentare
Schreibe einen Kommentar

Eingeschränktes HTML

  • Erlaubte HTML-Tags: <a href hreflang> <em> <strong> <cite> <blockquote cite> <code> <ul type> <ol start type> <li> <dl> <dt> <dd> <h2 id> <h3 id> <h4 id> <h5 id> <h6 id>
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.