Mikrowälder: Grüne Inseln für die Stadt
Am 25. April ist Tag des Baumes. Einige Kommunen setzen auf Mikrowälder, um das Stadtklima zu verbessern: viele Bäume, dicht geplanzt auf wenig Fläche. Eine Initiative in Lübeck hat sich auf den Weg gemacht.
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Vorbild Paris: Hier wurde am Place de Catalogne ein Mikrowald (auch Tiny Forest genannt) angelegt. In Deutschland findet das Konzept ebenfalls zunehmend Anhänger*innen.
Diese Utopie passt in jede Stadt. „Zwischen 100 und 2000 Quadratmetern sind notwendig“, sagt Simone Graber aus Lübeck. Sie hat von Anfang an der Utopie mitgestrickt. Das ist wörtlich zu nehmen, denn in ihrem beruflichen Leben gestaltet sie unter anderem Upcycling-Mode. Graber erzählt: „Wir wollen der dystopischen Erzählung vom Klimawandel etwas entgegensetzen.“
In vielen Treffen von Lübecker Kunst- und Kulturschaffenden, von Waldinteressierten und Studierenden ist daraus die Idee der „Stadtverwaldung“ entstanden. Das sind ein oder mehrere Mikrowälder, die auf Lübecks Altstadtinsel und in ihrer unmittelbaren Umgebung angelegt werden könnten. Graber: „Wir spüren jetzt schon, dass sich unsere Umgebung verändert. Deshalb müssen wir uns und unsere Umgebung ebenfalls verändern. Wir haben keine andere Wahl.“
Umweltschutz in Gedenken an Willy Brandt
Beteiligt an dem Projekt ist auch das Willy-Brandt-Haus in Lübeck als überparteilicher Lernort für Demokratie und Menschenrechte. „Wir erinnern an das Leben und Wirken Willy Brandts, der in Lübeck geboren und aufgewachsen ist. Zu seinem politischen Wirken gehören auch die Themen soziale Gerechtigkeit und sogar in den frühen 70er Jahren die Auseinandersetzung mit Umweltschutz“, sagt Hendrik Große-Homann, der Veranstaltungsmanager im Willy-Brandt-Haus. In Lübeck arbeitet das Willy-Brandt-Haus deshalb mit lokalen Kooperationspartnern zusammen, um auf dieser Grundlage die Themen des ehemaligen SPD-Bundeskanzlers in der Gegenwart zu diskutieren.
Dort fand im Februar auch die erste Konferenz mit den an der Stadtverwaldung beteiligten Interessengruppen statt. Bei der Veranstaltung präsentierten die Studierenden mögliche Standorte und Entwürfe von Mikrowäldern in Lübeck, die sie während eines Praxissemesters entwickelt hatten. Im Gespräch mit Verwaltung, Wissenschaft und Praxis wurde die Machbarkeit ausgelotet.
Viele Bäume auf kleiner Fläche
Das Prinzip Mikrowälder oder Tiny Forests stammt von dem japanischen Vegetationskundler Akira Miyawaki. Um in Großstädten das Klima zu verbessern, entwickelte er die Idee, schnell wachsende, kleine, grüne Naturinseln zu schaffen, die Schatten spenden, Schadstoffe wie Stick- und Schwefeloxide sowie Feinstaub aus der Luft filtern, wie ein Schwamm Wasser aufnehmen und speichern können und eine Heimat für Tiere und Pflanzen bilden.
Für einen Mikrowald werden einheimische Bäume und Sträucher sehr eng (drei Pflanzen pro Quadratmeter) in einen Boden gesetzt, der mit speziellen wachstumsfördernden Pilzen und Bakterien vorbereitet wurde. Wegen der Konkurrenz wachsen die Bäume sehr schnell. Mikrowälder gibt es inzwischen in vielen Ländern der Welt, auch in Deutschland, zum Beispiel in Schleswig-Holstein oder Brandenburg.
Wo in Lübeck ein Tiny Forest entstehen könnte
In Lübeck haben die Studentinnen und Studenten der Technischen Hochschule mehrere Standorte für einen solchen Mikrowald identifiziert – beispielsweise eine überdimensionierte Kreuzung oder mindergenutzte und versiegelte Parkflächen für Autos – und dafür Gestaltungskonzepte entwickelt. Die Namen orientieren sich an angrenzenden Straßen oder Brücken wie Klughafenwald, Pergamentmacherwald und Krähenwald oder Waldkräuterkiez als Erholungsort für Anwohnende und Lernwäldchen, als Umgebung für Umweltbildung.
„Die Idee, in Lübeck einen Mikrowald anzulegen, finde ich sehr spannend“, sagt der Lübecker Bundestagsabgeordnete Tim Klüssendorf (SPD). „Gerade auf der Altstadtinsel oder in anderen dicht besiedelten Gebieten, in denen bisher keine Waldfläche in der Nähe ist, könnte ein Mikrowald viele Vorteile und Möglichkeiten bieten. Das geht von der positiven Klimawirkung und Abkühlungseffekten bis zur Nutzung für Umweltbildung und Freizeitgestaltung.“ Er betont aber auch: „Natürlich müssen bei einem solchen Projekt die Akteure aus Politik und Verwaltung ebenso mit ins Boot geholt werden wie die Anwohnenden – grundsätzlich halte ich einen Mikrowald in Lübeck für eine tolle Idee und damit umsetzbar und wünschenswert.“
Wie geht es weiter?
Nach der Auftaktveranstaltung im Willy-Brandt-Haus geht die Initiative mit weiteren Aktionen in die Öffentlichkeit, unter anderem in der „Denkbar“ im sogenannten „Übergangshaus“, Lübecks Ort für Begegnungen, Inspirationen und Erlebnisse im ehemaligen Karstadt-Gebäude, das die Stadt Lübeck 2022 gekauft hat. Außerdem will die Initiative ausloten, welche Flächen konkret für die Umwandlung in einen Mikrowald in Frage kommen. Sie stellt Förderanträge, will mit kulturellen Veranstaltungen für die Idee begeistern und zum Ersinnen weiterer positiver Zukunftsszenarien inspirieren.
„Wenn wir eine Fläche zum Umwandeln in einen Mikrowald gefunden haben, wollen wir die anwohnenden Menschen in die Planung, die Pflanzung und die Pflege miteinbeziehen“, sagt Graber, denn In den ersten drei Jahren müssen die jungen Pflanzen ausreichend gewässert werden. „Danach brauchen sie keine Pflege mehr.“