Nahverkehr: Wie Mix-Teams die Berliner U-Bahn sauber und sicher machen
Die U-Bahnlinie 8 hat in Berlin einen schlechten Ruf. Das Verkehrsunternehmen BVG reagiert mit einem Pilotprojekt und schickt Reinigungs- und Sicherheitsteams gemeinsam auf Streife. Die Effekte sind spürbar.
Florian Gaertner
U-Bahn in Berlin: Insbesondere auf der Linie U8 fühlten sich viele Berliner*innen nicht mehr wohl. Die BVG reagierte mit dem Pilotprojekt Reinigungsstreife.
Müll und stinkende Urinpfützen, Drogenkonsum, aggressive Menschen: das verbinden viele Berliner*innen mit der U-Bahnline 8. Kürzlich witzelte ein Comedian, selbst Klimaschützerin Greta Thunberg würde wohl lieber ein Auto nehmen als mit der U8 zu fahren. Das schlechte Image ist auch den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) bewusst. Was das Unternehmen dagegen unternimmt, berichtete BVG-Vertreter Robert Godetz am Mittwoch auf einer ÖPNV-Sicherheitskonferenz in der Bundeshauptstadt.
Auf ihrem Weg von Wittenau bis zur Hermannstraße durchquert die U8 „alle sozialen Milieus“, schilderte Godetz die Ausgangslage. Das Reinigungspersonal sei mit Waffen oder Spritzen bedroht worden. Die BVG habe ihre Sicherheitsmitarbeiter*innen nicht mehr zu zweit auf Streife geschickt, „das war zu gefährlich“. Eine Umfrage habe ergeben, dass sich 42 Prozent der Berliner*innen in der U8 unwohl fühlen.
Sicherheits- und Reinigungskräfte gemeinsam unterwegs
Die BVG reagierte und startete im März 2024 das Pilotprojekt Reinigungsstreifen. Die Grundidee: Sicherheits- und Reinigungsteams gehen gemeinsam auf Streife. Der Fokus liegt auf dem südlichen Abschnitt der Linie, also den problembehafteten Innenstadtkiezen. Die Sicherheitsleistung sei um 70 Prozent erhöht worden, die Reinigungsleistung um 50 Prozent, berichtete Godetz. Auf Schwerpunktbahnhöfen will die BVG rund um die Uhr präsent sein und die Stationen täglich nass reinigen.
Das nötige Personal wurde von anderen Strecken abgezogen. Dafür verabschiedete sich das Unternehmen von dem alten Ansatz, dass jeder Fahrgast ab und zu mal einen Sicherheitsdienst sehen soll. Nun werden die Kräfte dort konzentriert, wo sie besonders nötig sind.
Obdachlose und Süchtige sollen Hilfe bekommen
In der zweiten Projektphase (ab Juni 2024) startete die BVG eine Werbekampagne zur Müllvermeidung. Und sie suchte den Dialog mit anderen Akteuren: Gemeinsam mit der Berliner Stadtreinigung und der Deutschen Bahn, die die Berliner S-Bahn betreibt, wurde vereinbart, Bahnhöfe und ihr Umfeld koordiniert zu reinigen. Die Polizei zeigte gemeinsam mit den BVG-Sicherheitskräften Präsenz. Die BVG hat den Kontakt zu den zuständigen Stadtbezirken intensiviert in der Hoffnung, dass diese Unterkunftsmöglichkeiten für obdachlose Menschen und andere Hilfsangebote bereitstellen. Das Unternehmen informierte unter anderem mit Plakaten über die Angebote der Berliner Kältehilfe und tauschte sich mit den Drogenhilfeeinrichtungen Fixpunkt und Gangway aus. Ein Ergebnis war, dass deren Streetworker nun ein Erkennungszeichen bei sich tragen. Damit werden sie von den Sicherheitskräften in Ruhe gelassen, wenn sie gerade im Gespräch mit Klient*innen sind.
Die Sicherheitsmitarbeiter*innen der BVG haben stets Informationen über relevante Hilfsangebote dabei. „Wir stellen niemanden vor die Tür, der sich an unsere Hausordnung hält“, stellte Robert Godetz klar. Es werde also niemand rausgeworfen, der sich im U-Bahnhof nur aufwärmen wolle. Ein weiterer Programmpunkt: Die angehenden Sicherheitskräfte machen ein Praktikum bei der Berliner Stadtmission. Das soll ihnen einen Perspektivwechsel ermöglichen und auch ihr eigenes Image verändern. Während des Praktikums tragen die Sicherheitskräfte Uniform und bleiben so als BVG-Mitarbeiter*innen erkennbar.
Die Reinigungsstreifen wirken
Im Dezember 2024 begann die dritte Pilotphase. Das Projekt „Reinigungsstreifen“ wurde auf Abschnitte von drei weiteren U-Bahn-Linien ausgeweitet. Das Zwischenfazit der BVG fällt positiv aus: „Die Menschen fühlen sich sicherer“, meint Godetz. Eine Fahrgastbefragung habe ergeben, dass 50 Prozent den Begriff Reinigungsstreife kennen und 92 Prozent den Ansatz befürworten. Die Umfrage zeigte auch, dass die Mehrheit der Fahrgäste sich nicht nur mehr Sicherheitspersonal, sondern auch soziale Hilfsangebote in der Nähe der Bahnhöfe wünschen.
Auf Nachfrage räumte Godetz ein, dass die Befragung sich auf das Projektgebiet konzentriert hat. Auf den Linien, wo Personal abgezogen wurde, seien mögliche negative Effekte nicht untersucht worden. Es gebe jedoch keine Hinweise darauf, dass die Zahl der negativen Vorfälle oder Kundenbeschwerden hier zugenommen hat.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.