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Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen: Das müssen Kommunen beachten

Helfen Kameras gegen Rechtsextremismus und Kriminalität? Nicht nur in Brandenburg wird über eine Ausweitung der Videoüberwachung diskutiert. Was dafür spricht, was dagegen – und welche Paragrafen Kommunalpolitiker*innen kennen sollten.

von Carl-Friedrich Höck · 9. September 2025
Überwachungskamera in Berlin

Überwachungskamera in Berlin

Kaum eine sicherheitspolitische Debatte kommt ohne den Ruf nach mehr Videoüberwachung aus. Aktuell ist das in Brandenburg zu beobachten. Dort will Innenminister René Wilke (parteilos) den Kommunen mehr „Beinfreiheit“ beim Einsatz der Technik geben. Das kündigte er bei einem Auftritt in der Lausitz Ende August an. Der Minister reagiert damit einerseits auf Aktivitäten von Rechtsextremen in der Gegend. Zum anderen kommt er einem Wunsch vieler Kommunen nach. Bereits im September 2024 hatte sich Ministerpräsident Dietmar Woidke mit Brandenburgs Landrät*innen und Oberbürgermeistern darauf verständigt, den Einsatz von Videoüberwachung im öffentlichen Raum auszuweiten – als Reaktion auf das Attentat von Solingen.

In der Praxis ist die Einführung neuer Überwachungszonen oft mit Fallstricken versehen. Ein aktuelles Beispiel ist das thüringische Erfurt. Nach langen Debatten wurde dort am Anger ein Kamerasystem installiert. Kurz vor dem geplanten Start am 14. Juli musste die Inbetriebnahme jedoch gestoppt werden. Wie die Thüringer Allgemeine berichtet, kann das Überwachungssystem Künstliche Intelligenz (KI) nutzen, um datenschutzsensible Bereiche auszublenden. Das betrifft zum Beispiel die Zugänge zu Rechtsanwaltskanzleien oder Arztpraxen. Das Problem: Das Thüringer Polizeiaufgabengesetz lässt den Einsatz von KI bisher gar nicht zu.

Der Fall zeigt: Kommunalpolitiker*innen sollten sich umfassend informieren, bevor sie sich für oder gegen eine Überwachung entscheiden. Die DEMO beantwortet die wichtigsten Fragen zur Videoüberwachung im öffentlichen Raum.

Was sind die Rechtsgrundlagen?

Im Bundesdatenschutzgesetz ist die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume im § 4 geregelt. Danach gelten einige Einschränkungen. Zulässig ist Videoüberwachung unter anderem, wenn die Beobachtung „zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der betroffenen Personen überwiegen.“

Ebenfalls wichtig ist das Bundespolizeigesetz. § 27 erlaubt der Bundespolizei die Videoüberwachung an besonders gefährdeten Orten wie Bahnhöfen, Flughäfen oder Grenzübergängen.

Weitere Details sind in den Polizeigesetzen der Bundesländer sowie in den Landes-Datenschutzgesetzen geregelt. Häufig beschränken sie die Überwachung auf bestimmte Kriminalitätsschwerpunkte oder gefährdete Orte.

Warum ist Videoüberwachung mit viel Bürokratie verbunden?

Kommunen müssen die Wahl des überwachten Ortes rechtssicher begründen. Die Internetseite des hessischen Datenschutzbeauftragten zum Beispiel informiert: Eine Überwachung öffentlicher Straßen und Plätze durch die Kommunen sei nur dann zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass hier auch zukünftig Straftaten begangen werden. Als Voraussetzung müssen die Kommunen die bisherige Kriminalität beurteilen und eine Kriminalitätsprognose für den geplanten Überwachungs-Standort erstellen. Diese sollte auf polizeilich erhobenen Daten basieren. Außerdem müssen die Kommunen die „Tatgelegenheitsstrukturen und kriminalgeografischen Gegebenheiten“ bewerten, wie es in schönstem Amtsdeutsch heißt. Vereinfacht gesagt: Ein öffentlicher Platz, an dem häufig geklaut und geraubt wird, kommt eher für eine Videoüberwachung in Frage als ein Wohnviertel, wo Straftaten meistens im häuslichen Bereich verübt werden.

Wird die Überwachung nicht von einer Kommune, sondern der Polizei eingerichtet, fällt auch dort viel Bürokratie an. In Brandenburg gibt es laut einem Bericht der Märkischen Oder-Zeitung in zwei Städten polizeiliche Videoüberwachung: vor dem Potsdamer Hauptbahnhof und vor der Stadthalle in Cottbus. Das Innenministerium hat die Installation der Kameras genehmigt und sich dazu mit der Landesdatenschutzbeauftragten abgestimmt. Nun muss das Ministerium jährlich einen Bericht für den Landtag verfassen, der die Entwicklung an den beiden überwachten Plätzen beschreibt.

Was spricht für Videoüberwachung?

Die DEMO hat dazu in Cottbus nachgefragt. Oberbürgermeister Tobias Schick (SPD) setzt sich gegenüber der Landesregierung dafür ein, den Einsatz von Kameras an Schwerpunkten im öffentlichen Raum stärker in die Verantwortung der Kommunen zu verlagern. Die Kommune wolle nicht erst warten müssen, bis etwas passiert, sondern auch vorbeugend tätig werden, teilt Schicks Büro auf Nachfrage mit.

Es gehe darum, das Sicherheitsgefühl der Cottbuser*innen zu stärken. Kameras könnten Straftaten möglicherweise eindämmen, indem sie potenzielle Täter*innen abschrecken. „Darüber hinaus können Bilder aus Überwachungskameras zur Aufklärung von Straftaten dienen. All diese Ziele und Mittel sollten wir uns nicht aus der Hand nehmen lassen. Hier geht es um den Schutz von Menschen, aber auch öffentlichen Anlagen oder Denkmälern.“ In Cottbus habe sich die polizeilich gesteuerte Überwachung des Stadthallenvorplatzes ebenso bewährt wie der kommunal initiierte Kameraeinsatz am Denkmal „Japanisches Teehäuschen“ an der Stadtmauer. „Die Zahl der Straftaten und Vandalismus ist deutlich zurückgegangen“, berichtet die Cottbuser Stadtverwaltung.

Was spricht gegen Videoüberwachung?

Sie muss stets mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung abgewogen werden. Kritik kommt daher häufig von Datenschützer*innen. „Die Verhinderung von Straftaten durch Videoüberwachung ist weitgehend ein Wunschtraum”, ist zum Beispiel auf der Internetseite der Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit zu lesen. Dort wurde 2021 ein kritischer Essay zum Thema Videoüberwachung veröffentlicht (also noch in der Amtszeit des sozialdemokratischen Datenschutzbeauftragten Ulrich Kelber).

Die Argumente: „Im öffentlichen Raum werden Gewalttaten häufig im Affekt begangen. Täter, die sich in psychischen Ausnahmezuständen befinden oder alkoholisiert sind, werden nicht von ihren Taten abgeschreckt.“ Das Sicherheitsgefühl der Bürger*innen steige nicht mit der Zunahme videoüberwachter Bereiche. Im Gegenteil könnten die Kameras sogar das Gefühl verstärken, dass die Kriminalität zunehme, selbst wenn das in Wahrheit gar nicht der Fall sei.

Was plant der Bund im Bereich Videoüberwachung?

Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD wird die Videoüberwachung nur mit wenigen Sätzen thematisiert. Dabei geht es vor allem darum, die Rechtslage an neue technische Möglichkeiten wie KI anzupassen.

Die Regierungsparteien haben vereinbart, den Strafverfolgungsbehörden eine rückwirkende („retrograde“) biometrische Fernidentifizierung von Täter*innen zu ermöglichen. Dies soll nur „unter bestimmten, eng definierten Voraussetzungen bei schweren Straftaten“ möglich sein. Weiter heißt es im Koalitionsvertrag: „Zur nachträglichen Identifikation von mutmaßlichen Tätern wollen wir eine Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten. Das Bundeskriminalamt soll eine Rechtsgrundlage für das Testen und Trainieren von IT-Produkten erhalten.“

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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