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Warum Neuentals Bürgermeister Rottwilm bald im Bundestag Politik macht

Philipp Rottwilm ist Bürgermeister der hessischen Gemeinde Neuental und wurde am Sonntag in den Bundestag gewählt. Im Interview erklärt der SPD-Politiker, warum der Bund aus seiner Sicht mehr Kommunalpolitiker*innen braucht.

von Carl-Friedrich Höck · 28. Februar 2025
Philipp Rottwilm

Philipp Rottwilm ist Bürgermeister von Neuental, einer Gemeinde im nordhessischen Schwalm-Eder-Kreis.

DEMO: Sie haben als amtierender Gemeindebürgermeister für den Bundestag kandidiert. Was hat Sie dazu bewogen?

Philipp Rottwilm: Ich glaube, dass wir mehr Kommunale auf Bundes- und Landesebene brauchen. Es tut dem Land gut, wenn diejenigen, die vor Ort Verantwortung tragen – oder getragen haben – den Input aus ihrer Arbeit in die Parlamente mitnehmen. Deswegen habe ich beschlossen zu kandidieren. Ich bin froh, dass es am Ende funktioniert hat, auch wenn ich sagen muss: Das Bürgermeisteramt ist ein Traumjob, den ich fast acht Jahre lang sehr gerne gemacht habe. Ich nehme die neue Aufgabe also mit einem lachenden und einem weinenden Auge an.

Was für ein Input ist das, den Kommunalpolitiker*innen mitbringen können?

Ich glaube, dass wir mehr Zusammenhalt brauchen. Auf kommunaler Ebene bekommen wir das sehr gut hin. Meistens zumindest. Dort steht die sachorientierte Arbeit noch mehr im Vordergrund, die Lösungen für die Bürgerinnen und Bürger. Es wird weniger gegeneinander gearbeitet, bis die Positionen so verhärtet sind, dass man aus dem Konflikt kaum noch herauskommt. In den Kommunen werden viele Entscheidungen über Parteigrenzen hinweg getroffen. Diese Form der Zusammenarbeit sollten wir in den Kommunen pflegen, und davon brauchen wir auch mehr im Bund.

Dr. Philipp Rottwilm

Es gibt kaum noch eine Kommune in Deutschland, die es problemlos schafft, 2025 einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen.

Darüber hinaus kennen Kommunalpolitiker*innen die Sorgen und Nöte der Städte, Gemeinden und Landkreise. Es gibt kaum noch eine Kommune in Deutschland, die es problemlos schafft, 2025 einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen. Die finanzielle Ausstattung unserer Kommunen muss verbessert werden, denn sie sind die Herzkammer unserer Demokratie.

Als Bürgermeister einer Kommune im ländlichen Raum habe ich es noch mit ganz eigenen Herausforderungen zu tun. Ich habe mich für den Infrastrukturausbau eingesetzt, also Glasfaser, 5G, Straßen- und ÖPNV-Ausbau. Das will ich auch weiterhin tun. Es wird in der Bundeshauptstadt oft vergessen, dass 60 Prozent der Deutschen im ländlichen Raum wohnen.

Gibt es ein politisches Herzensanliegen, das Sie in den nächsten vier Jahren umsetzen wollen?

Ich wünsche mir mehr sozialen Zusammenhalt, eine bessere Politik für den ländlichen Raum und dass wir unsere heimische Wirtschaft wieder in Schwung bringen. Hierzu brauchen wir niedrigere Energiepreise, einen massiven Abbau von Bürokratie, eine echte Fachkräfteoffensive, und einen starken Schub in der Digitalisierung, um unser Land wieder innovativ und zukunftsfähig zu machen.

In der SPD-Bundestagsfraktion gibt es eine Arbeitsgruppe Kommunalpolitik. Haben Sie vor, sich dort einzubringen?

Noch wissen wir nicht, wer in der Fraktion welche Aufgaben übernimmt. Eine AG Kommunalpolitik klingt sehr interessant. Ich will die Kommunen unterstützen und die Zahl der ehemaligen Bürgermeister*innen in der Fraktion ist aktuell überschaubar. Für mich kommen aber auch andere Themenfelder in Frage. Bevor ich Bürgermeister geworden bin, war ich als Berater in der freien Wirtschaft. Ich bin Diplom-Kaufmann und werde daher ein Hauptaugenmerk auf Wirtschaft und Digitales legen.

Inwiefern bestimmen Ihre Erfahrungen als Kommunaler auch Ihre politische Herangehensweise an die neuen Aufgaben?

In der Kommunalpolitik ist die Bereitschaft stark ausgeprägt, lösungsorientiert zu handeln und auch mal zwei Schritte zurückzugehen, um dann gemeinsam einen nach vorne zu machen. Das prägt. Ein Beispiel ist Verteidigungsminister Boris Pistorius, der früher Oberbürgermeister von Osnabrück war. Er hat eine klare Sprache und kann trotzdem Menschen zusammenführen. Diesen Politikstil wünsche ich mir im Bund häufiger. Gerade jetzt, nachdem wir in den vergangenen Jahren und insbesondere im Wahlkampf sehr harte Auseinandersetzungen hatten. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von uns, dass wir mehr liefern und uns weniger öffentlich streiten.

Sie wurden am Sonntag erstmals in den Bundestag gewählt – was kommt in den nächsten Tagen auf Sie zu?

Im Vordergrund steht für mich nun, dass wir schnell ins Machen kommen. Persönlich wird das Büro aufgebaut, damit wir schnell funktionierende Arbeitsstrukturen haben. Im nächsten Monat muss ich 200 Prozent Vollgas geben, denn ich bin ja auch noch Bürgermeister. Es ist mir wichtig, dass es parallel im Rathaus bis zum Schluss rund läuft.

Sie sprechen es an: Die Gemeinde Neuental hat mit der Bundestagswahl ihren Bürgermeister verloren. Was bedeutet das für die Kommune, haben Sie Vorsorge getroffen?

Ab dem Moment, in dem sich der neue Bundestag konstituiert, bin ich für die Kommune nicht mehr zeichnungsberechtigt. Bis dahin planen wir eine ordnungsgemäße Übergabe. Mein Stellvertreter wird das Amt erst einmal übernehmen und anschließend bleiben vier Monate Zeit, um einen neuen Bürgermeister zu wählen. Das wird wahrscheinlich Anfang Sommer passieren. Ich bin zuversichtlich, dass gute Kandidatinnen und Kandidaten antreten werden, die für Neuental und die Region das Beste rausholen werden.
 

Dr. Philipp Rottwilm ist Bürgermeister der 3.000-Einwohner-Gemeinde Neuental im nordhessischen Schwalm-Eder-Kreis und stellvertretender Landesvorsitzender der SPD Hessen. Er wurde für die SPD in den Deutschen Bundestag gewählt.

Autor*in
Porträtfoto Mann mit Brille und dunkelblonden Haaren
Carl-Friedrich Höck

ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.

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