OB-Wahl in Schwerin

Badenschier „Ich will eine Stadt der guten Nachbarschaft”

Carl-Friedrich Höck09. Juni 2023
Rico Badenschier ist Oberbürgermeister von Schwerin.
Die Oberbürgermeister-Wahl in Schwerin entscheidet sich am 18. Juni. In der Stichwahl muss sich Amtsinhaber Rico Badenschier (SPD) gegen einen AfD-Kandidaten behaupten. Im Interview sagt er, wie er die letzten Tage vor der Wahl angeht und was er sich für eine zweite Amtszeit vorgenommen hat.

DEMO: Im ersten Wahlgang für die OB-Wahl in Schwerin haben Sie 42 Prozent der Stimmen erhalten. Wie wollen Sie vor dem zweiten Wahlgang diejenigen für sich gewinnen, die noch nicht für Sie gestimmt haben?

Dr. Rico Badenschier: Ich werde auch in den zwei Wochen vor der Stichwahl derselbe sein, der ich vorher war. Wie schon vor sieben Jahren handele ich nach dem Prinzip, nicht gegen Andere Wahlkampf zu machen, sondern meine eigenen Themen in den Vordergrund zu stellen.

Wird der Wahlkampf jetzt noch einmal intensiviert?

In den ersten 48 Stunden nach dem Wahlergebnis der ersten Runde waren wir richtig am „Rödeln“, was die Radiowerbung, Zeitungswerbung und Großflächenplakatierung betrifft. Noch in der Nacht haben wir neue Plakate angebracht, auch auf Flächen, die bisher von den Grünen genutzt wurden. Das ist auch eine Budgetfrage. Deshalb haben wir einen Spendenaufruf in die Partei und in den sozialen Medien gestartet.

Sie sind seit 2016 Oberbürgermeister von Schwerin. Falls Sie wiedergewählt werden, welche Schwerpunkte haben Sie sich für die nächste Amtszeit vorgenommen?

Es klingt etwas dröge, aber das Thema Haushaltskonsolidierung entscheidet über Wohl und Wehe der Stadt. Wir sind seit rund 30 Jahren eine Haushaltssicherungskommune. Wenn konstruktive Vorhaben immer unter dem Vorbehalt stehen, dass die Kommunalaufsicht sie genehmigen muss, schränkt das unsere Gestaltungsfähigkeit ein. Das hat auch Auswirkungen auf die Demokratie. Denn gerade auf kommunaler Ebene soll die Stadtgesellschaft erleben, dass es sich lohnt sich einzubringen und mitzubestimmen. Wir haben einen Entschuldungsplan, der vorsieht, dass Schwerin bis 2029 frei von Kassenkrediten ist.

Mein zweites großes Ziel habe ich unter das Motto „Stadt der guten Nachbarschaft“ gestellt. Wir sind weiterhin die Stadt mit der stärksten sozialen Entmischung zwischen den Wohngebieten. Wir haben reiche Stadtteile und arme Stadtteile, und das ist nirgendwo in Deutschland so ausdifferenziert wie in Schwerin. Die Folge ist, dass man an der Adresse ablesen kann, welche Chancen ein Mensch im Leben haben wird, wenn er eingeschult wird. Das müssen wir wieder zurückdrehen. Ich will das erreichen durch Stadtentwicklungsmaßnahmen in den Plattenbaugebieten und durch sozialen Wohnungsbau in den attraktiven Innenstadtlagen. Damit einhergehend lassen sich auch Probleme wie eine hohe Schulabbrecherquote oder Kriminalität lösen. Das sind Themen, die am Ende mit Perspektivlosigkeit und mit fehlenden Rollenbildern zusammenhängen.

Das dritte Thema ist unser Verhältnis zu den Nachbarlandkreisen. Wir sind eine kleine kreisfreie Stadt, eine Landeshauptstadt mit nicht einmal 100.000 Einwohnern. Wir können unsere Potenziale nur heben, wenn wir das gemeinsam mit unseren Nachbarlandkreisen tun. Nach meiner ersten Amtszeit sind wir zum Beispiel auf dem Weg, einen gemeinsamen Verkehrsverbund zu gründen. Ein vierter Punkt ist die Stärkung der kommunalen Infrastruktur. Wir haben die Möglichkeit, unsere Gas- und Wassernetze 2027 bzw. 2030 zurückzukaufen. Dafür braucht es eine Verwaltungsspitze, die das auch will – dafür trete ich an.

Bevor Sie Oberbürgermeister wurden, waren Sie Oberarzt in einer Klinik. Beschäftigen Sie sich auch in der neuen Rolle noch viel mit dem Gesundheitswesen?

Als ich 2009 als Arzt in die SPD eingetreten bin, lag mein Fokus stark auf der Gesundheitspolitik. Im Oberbürgermeisteramt bleibt dafür nicht mehr viel Zeit, weil andere Themen mich in Anspruch nehmen. Aber während der Corona-Pandemie hat mir mein medizinisches Grundverständnis geholfen. Es war Aufgabe der Oberbürgermeister und Landräte, die vom Bund und Land aufgestellten Regeln auf die kommunale Ebene herunterzubrechen. Meine medizinische Vergangenheit hat mir ermöglicht, sinnvolle Regeln von etwas weniger sinnvollen Maßnahmen zu unterscheiden – und erstere dann auch in der Stadtgesellschaft durchzusetzen.

Ihr Gegenkandidat ist Leif-Erik Holm von der AfD, der es mit 27,4 Prozentpunkten in die Stichwahl geschafft hat. Wie erklären Sie sich die vielen Stimmen für die AfD?

Es war leider zu befürchten, dass die AfD ihr Wählerpotenzial vollständig heben wird. Viele Leute kennen Holm als ehemaligen Radiomoderator. Weil die OB-Wahl eine Personenwahl ist, nützt ihm die persönliche Bekanntheit. An den Wahlkampfständen erleben wir, dass viele Menschen verunsichert sind durch bundespolitische Themen wie Migration oder Energiepolitik. Auch das spielt bei der Wahlentscheidung eine Rolle, teils mehr als kommunale Themen.

Ich wundere mich über die Versprechungen, die Holm den Bürgern macht. Er hat kaum etwas im Programm, das kommunal gestaltbar ist. Er will den Zuzug stoppen, aber das entscheidet die Kommune nicht. Er sagt, er will mehr Sicherheit. Aber da, wo wir in der Kommune Sicherheitspolitik gestalten, nämlich mit Präventionsarbeit, da torpediert die AfD unsere Bemühungen. Das betrifft zum Beispiel die Jugendsozialarbeit oder den Migrationsbeirat.

Vor drei Wochen ist im Landkreis Oder-Spree der AfD-Kandidat nur knapp in der Stichwahl gescheitert. Wohl auch deshalb, weil CDU und Freie Wähler sich nicht zu einer Wahlempfehlung für den Sozialdemokraten Frank Steffen durchringen konnten. Wie ist die Stimmung in Schwerin: Gibt es hier ein breites Bündnis von Politik und Zivilgesellschaft gegen rechts?

Ja, so ein Bündnis bildet sich jetzt. Aus der organisierten Zivilgesellschaft kriege ich deutliche Unterstützung, auch von freien Trägern. Noch am Wahlabend des ersten Wahlgangs haben Linke und Grüne eine Wahlempfehlung für mich abgegeben, ebenso der parteilose Kandidat des konservativen Lagers. Am nächsten Tag gab es ein einstimmiges Vorstandsvotum der CDU und eine Empfehlung der Unabhängigen Bürger, mich zu wählen.

Was mich irritiert, ist, dass die FDP ausdrücklich keine Wahlempfehlung abgibt. Ein Vorstandsmitglied sagte, die FDP arbeite weder mit rechts noch mit links zusammen. Unser politisches Agieren wird also mit dem Agieren der AfD gleichgesetzt, und das von einer Partei, mit der die SPD auf Bundesebene koaliert. Das finde ich bemerkenswert.

 

Wer neuer Oberbürgermeister von Schwerin wird, entscheidet sich am 18. Juni. Dann findet die Stichwahl zwischen Rico Badenschier und Leif-Erik Holm statt.

weiterführender Artikel